So mancher Klimakleber dürfte am Montag neidisch geworden sein. Stundenlang stand der Verkehr in Berlin still, auch in anderen deutschen Städten und Regionen wurden Autos ausgebremst. Und dafür hatte sich gar niemand auf die Straße picken müssen. Vielmehr starteten Landwirte in ihre große Protestwoche.

Vordergründig wehren sie sich gegen die geplanten Subventionskürzungen in der Landwirtschaft. Doch eigentlich geht es um mehr: Viele wünschen gleich die Regierung zum Teufel. "Die Ampel hat schlichtweg fertig", findet auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, seine Partei fordert Neuwahlen.

Protest von Bauern gegen Subventionskürzungen
Mit Straßenblockaden wie hier im mittelfränkischen Adelsdorf haben Bauern am Montag gegen Subventionskürzungen protestiert.
IMAGO/Harry Koerber

Das neue Jahr fängt also nicht gut an für die deutsche Regierung. Daran ist sie allerdings zum sehr großen Teil selbst schuld. Das Finanzdesaster, ausgelöst durch Trickserei, fordert Opfer von vielen in Deutschland. Zu Recht wollte die Ampel die Bauern nicht auslassen, aber diese schrien so laut auf, dass Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erschrocken gleich einige Kürzungen wieder abräumten.

Schön für die Bauern, weniger schön fürs Budget – und nicht gut für die Regierung. Diese gibt ohnehin ein desperates Bild ab. Jetzt ist sie auch noch auf Schlingerkurs unterwegs, den sich viele andere Interessengruppen gut merken werden. Es gilt das Motto: Wer sich heftig wehrt, setzt sich durch. Das ist grundsätzlich nicht verboten. Andererseits: Die Landwirte hätten schon ein bisschen auf die Bremse treten können, die Regierung ist ihnen ja schon weit entgegengekommen.

Luft nach oben

In der FAZ rechnet Alfons Balmann, der Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle, vor, dass die Kürzungen nur zwei bis drei Prozent der zuletzt erzielten Gewinne ausmachen. Aber die Landwirte wollten nicht runter vom Gas und sind am Montag voller Wut losgefahren. Sie sehen sich nicht bloß als Vertreterinnen und Vertreter ihrer eigenen Interessen. Viele protestieren mit dem Anspruch, gleich für die ganze Bevölkerung zu sprechen. Denn essen müssen ja alle Menschen.

Ob diese Selbsteinschätzung richtig ist, sei dahingestellt. Aber es gibt sie nun einmal. Daraus wächst dann aber auch eine Verantwortung: die klare Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen. Diesen bietet sich bei einer einwöchigen bäuerlichen Protestwoche natürlich gute Gelegenheit. Der deutsche Landwirt, der tapfer für das Volk ums Überleben kämpft – dazu gibt es im rechtsextremen Spektrum genug Assoziationen.

Die Trennlinie muss also eindeutig verlaufen: Auch wenn sie viele andere Menschen behindern und nerven – die Bauern haben das Recht, mit ihren Traktoren unterwegs zu sein. Es gibt ja auch Fahrraddemos, für die die Autobahn gesperrt wird. Aber kein Auge darf zugedrückt werden, wenn irgendwo (wieder einmal) mit dem Galgen gegen die Ampel gehetzt wird. Es ist gut, wenn sich hohe Bauernfunktionäre wie Verbandspräsident Johann Rukwied von Extremisten, die auch Gewalt in Betracht ziehen, distanzieren. Aber das reicht nicht. Diese Abgrenzung sollte auch von den vielen Demonstrierenden selbst kommen. Diesbezüglich gibt es durchaus noch einige Luft nach oben. (Birgit Baumann, 8.1.2024)