Baustelle der Signa Elbtower Hamburg
Veröffentlichte Bilanzen hätten den Absturz der Signa Holding nicht verhindert. Die Öffentlichkeit hätte aber früher darüber Bescheid gewusst.
REUTERS/FABIAN BIMMER

Wie viel Schulden haben die Signa-Unternehmen angesammelt? Wie hoch wurden die Immobilien der Gruppe bewertet? All das war für die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren ein Geheimnis. Der Grund: Viele Signa-Gesellschaften veröffentlichten ihre Jahresabschlüsse und Bilanzen entweder gar nicht oder mit starker zeitlicher Verzögerungen – obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet wären.

Wie aus internen Dokumenten hervorgeht, haben die Geschäftsführer im Signa-Geflecht die Strafen wohl bewusst in Kauf genommen. Viel hatten sie auch nicht zu befürchten: Bei Verstößen winken Strafen zwischen 700 und 3.600 Euro, die im Abstand von zwei Monaten gegen die Geschäftsführer verhängt werden können. Bei der Signa sollen so hunderttausende Euro angefallen sein. Recherchen des Magazins "News" zeigen, dass das Unternehmen die Geldbußen wohl übernommen und steuerrechtlich als Personalkosten klassifiziert hat.

Zadić für höhere Strafen

Allein ist die Signa damit offenbar nicht. Laut dem Ö1-"Morgenjournal" wurden im vergangenen Jahr in über 7.000 Fällen Strafen gegen Unternehmen verhängt, die bei ihren Bilanzen säumig waren. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) fordert deshalb eine Verschärfung. Im Justizministerium werde gerade an einer Gesetzesreform gearbeitet, sagt Zadić. "Ich glaube, es ist angesichts der dramatischen Signa-Insolvenzen allen klar, dass es jetzt Neuregelungen braucht."

Denkbar wäre etwa, dass sich die Strafhöhe bei mehrfachen Verstößen deutlich erhöht oder größere Konzerne höhere Strafen befürchten müssen als kleinere Unternehmen. Derzeit ist das nicht der Fall, weshalb sich Größere einen Verstoß eher "leisten" können. Die ÖVP zeigt sich zurückhaltend. Man wolle zunächst die konkreten Vorschläge des grün geführten Justizministeriums abwarten.

Persönliche Haftung

Ob höhere Strafen das Problem lösen können, kommt auf die Situation an, sagt Georg Schneider, Professor für Unternehmensrechnung an der Universität Graz, im Gespräch mit dem STANDARD. Üblicherweise rechne sich ein Unternehmen nämlich genau aus, ob der Vorteil einer Nichtveröffentlichung die Kosten der Strafe überwiegt. "Wird die Strafhöhe nach Unternehmensgröße bemessen, ist der Effekt aber sicher größer", sagt Schneider.

Den größeren Hebel sieht der Wissenschafter aber bei der zivilrechtlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Haftung: Kommen Geschäftsführer und Aufsichtsräte ihren Pflichten nicht nach und entsteht dadurch ein Schaden, können sie unter Umständen zu Ersatz verpflichtet werden. Der Gesetzgeber könnte hier die Bestimmungen in Bezug auf Offenlegungsregeln konkretisieren, sagt Schneider.

Einen weiteren Vorschlag hat Roman Rohatschek, Professor für Unternehmensrechnung an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Man könnte überlegen, die verantwortliche Geschäftsführung für einen bestimmten Zeitraum aus dem Firmenbuch zu streichen. "Das wäre wohl für große und kleine Gesellschaften ein massives Druckmittel", sagt Rohatschek. Zudem sollte es vor allem für kleinere Unternehmen eine Erinnerung geben, dass die Offenlegungsfrist abläuft. Das müsste "IT-technisch ohne großen Aufwand möglich sein"-

Keine Konzernbilanz

Für Kritik sorgte im Fall der Signa auch, dass die Holding keine konsolidierte Bilanz vorgelegt hat. An sich sind Konzerne dazu verpflichtet, die einzelne Unternehmensbilanzen zusammenzufassen, damit interne Verflechtungen und gegenseitige wirtschaftliche Beziehungen transparent werden. Laut Gesetz liegt ein "Konzern" dann vor, wenn eine Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaft kontrolliert.

In einem sehr verschachtelten Unternehmen wie der Signa kann es freilich auch für Gerichte schwierig sein zu beurteilen, wann eine "Kontrolle" durch die Muttergesellschaft vorliegt. Rohatschek schlägt vor, dass Unternehmen beim Firmenbuchgericht melden müssen, wer ihre Muttergesellschaft ist.

Milliardenkonzern als "kleine GmbH"

Im Fall der Signa kommt eine weitere Besonderheit hinzu: Offenbar war die Holding als "kleine GmbH" im Firmenbuch eingetragen. Für solche gelten weniger strenge Pflichten, etwa bei der Transparenz. So musste die Signa Holding zum Beispiel ihren Jahresabschluss (der letzte öffentliche verfügbare betrifft das Jahr 2021) nicht von Wirtschaftsprüfern absegnen lassen.

Abhängig ist die Einstufung als "kleine GmbH" von Schwellenwerten bei Bilanzsumme, Mitarbeiterzahl und Umsatz, wobei einer der Schwellenwerte überschritten werden darf. Im Fall der Signa lag zwar eine Bilanzsumme in Milliardenhöhe vor, die Holding beschäftigte aber offenbar weniger als 50 Mitarbeiter und machte weniger als zehn Millionen Euro Umsatz.

Als Reform wäre aus Sicht von Rohatschek denkbar, dass man bei Muttergesellschaften nicht auf den Umsatz abstellt, sondern darauf, wie viel Ausschüttungen sie aus ihren Beteiligungen bekommen haben. In diesem Fall wären bei der Signa Holding wohl zwei von drei Kriterien erfüllt gewesen – und damit auch strengere Prüfpflichten schlagend geworden. (Jakob Pflügl, 9.1.2024)