Signa-Baustelle Kadewe.
Die juristische Aufarbeitung des Signa-Skandals hat erst begonnen.
IMAGO/Michael Gstettenbauer

"Das Leben ist gefährlich." So formulierte es jüngst der Anwalt der Republik, Wolfgang Peschorn, und meinte damit mögliche rechtliche Konsequenzen für die Signa-Verantwortlichen. Derer gibt es viele, schließlich war der Konzern keine One-Man-Show. Neben dem Gründer René Benko und seinen Miteigentümern zeichneten zahlreiche weitere Personen verantwortlich: etwa Führungskräfte, die zum Teil die Geschäftsführung von dutzenden Konzerngesellschaften gleichzeitig übernommen haben; oder Aufsichtsräte, die ihrer Rolle als Kontrollorgane möglicherweise nicht gerecht geworden sind. All das wird nun intensiv geprüft.

Video: Erste Gläubigerversammlung Mitte Dezember bei Signa Holding.
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Müssen die Eigentümer zahlen?

Auf den ersten Blick sind die Eigentümer außen vor – dazu zählen neben Benkos Stiftung oder Hans Peter Haselsteiner auch internationale Investoren. Grund dafür ist das sogenannte Trennungsgebot, ein Grundprinzip im Gesellschaftsrecht: Die Eigentümer einer Kapitalgesellschaft haften nur mit ihrer Kapitaleinlage für deren Schulden, nicht aber darüber hinaus. Die Gläubiger können sich also nicht direkt an die Eigentümer wenden.

Allerdings gibt es davon eine Ausnahme, die sogenannte Durchgriffshaftung. Sie kann schlagend werden, wenn unrechtmäßig Kapital von der Gesellschaft zu den Eigentümern geflossen ist oder sich das Vermögen der Gesellschaft mit jenem der Eigentümer derart vermischt hat, dass nicht mehr klar ist, wem ein bestimmter Vermögenswert gehört.

Anfechtbar wäre auch eine sogenannte Einlagenrückgewähr, die verboten ist. Gesellschafter haben nur Anspruch auf den Gewinn, darüber hinaus dürfen sie kein weiteres Kapital aus dem Unternehmen ziehen. Im Fall der Signa wird dazu diskutiert, ob die Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter im Zuge der Immobilienaufwertungen nicht zu hoch ausgefallen sind. Die Gläubiger werden nun wohl genau prüfen, ob die Bewertungen den Bilanzierungsvorschriften entsprochen haben. Sollte dem so gewesen sein, läge keine verbotene Einlagenrückgewähr vor.

War Benko faktischer Geschäftsführer?

Zur Verantwortung gezogen werden könnten auch Geschäftsführer, die einen Schaden verschuldet haben, betroffene Gläubiger könnten sie klagen. Die Manager im Signa-Reich hatten jedenfalls alle Hände voll zu tun. Signa-Holding-Geschäftsführer Christoph Stadlhuber beispielsweise hat laut Wirtschaftscompass mehr als 30 Funktionen im Signa-Komplex inne; sein Kollege Marcus Mühlberger, ein langjähriger Weggefährte von Signa-Gründer René Benko, mehr als hundert.

Ein Thema, das bei der Signa auch schlagend werden könnte, ist jenes des "faktischen Geschäftsführers". Benko bekleidete in den vergangenen Jahren zwar keine offizielle Rolle als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied, hatte laut Beobachterinnen und Beobachtern aber maßgebenden Einfluss auf den Konzern. Tatsächlich zog er sich vor mehr als zehn Jahren in den Vorsitz des Signa-Beirats zurück, ein Gremium, das laut Benkos Aussage im Ibiza-U-Ausschuss "für die strategische Guidance zuständig ist". Der Sanierungsverwalter der Signa Holding, Christof Stapf, hat das Gremium bereits aufgelöst. Sollten die Juristen zum Schluss kommen, dass Benko sehr wohl eine "faktische Geschäftsführung" innehatte, würde er für ein etwaiges Fehlverhalten persönlich haften.

Waren die Aufsichtsräte zu lasch?

Aufgabe von Aufsichtsräten ist es, die Geschäftsführung zu überwachen. Zudem müssen ihre Mitglieder bei bestimmten, wichtigen Geschäften des Unternehmens ihre Zustimmung erteilen sowie den Jahresabschluss und den Vorschlag des Vorstands für die Gewinnverwendung prüfen. Arbeiten Aufsichtsratsmitglieder nicht sorgfältig und entsteht dem Unternehmen dadurch ein Schaden, können sie haftbar gemacht werden. Die Insolvenzverwalter, die nun die pleitegegangenen Gesellschaften vertreten, prüfen mögliche Ansprüche.

Die Aufsichtsratsmitglieder sind durchaus prominent. So haben etwa Wüstenrot-Chefin und Ex-Vizekanzlerin (FPÖ) Susanne Riess-Hahn oder Ex-RBI-Chef Karl Sevelda Sitz und Stimme im Kontrollgremium von Signa Prime und Signa Development. Deren Vorsitzender ist Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), wobei da die Situation "eher unüblich" sei, wie es der Chef der Finanzprokuratur Peschorn umschrieb. Gusenbauer war nicht nur Vorsitzender der Aufsichtsräte von Signa Prime und Signa Development und Mitglied des Beirats, sondern gleichzeitig auch Berater. Im Insolvenzverfahren macht er nun Honorarforderungen geltend, es geht um mehr als sechs Millionen Euro.

Im U-Ausschuss sagte Benko in seiner einleitenden Stellungnahme aus, dass "über 50 Aufsichtsräte (gemeint wohl: Aufsichtsratsmitglieder; Anm.) die diversen Aktiengesellschaften von Signa kontrollieren". Er selbst gehört keinem Aufsichtsrat an – und die Dachgesellschaft der Gruppe, die Signa Holding, ist eine GmbH ohne Aufsichtsrat.

Gibt es strafrechtliche Konsequenzen?

Ob die ganze Geschichte auch strafrechtliche Folgen zeitigen wird, das steht derzeit noch nicht fest. Auf Basis mehrerer Anzeigen prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) derzeit einen Anfangsverdacht gegen Verantwortliche der Signa. Ermittlungsverfahren gibt es laut der Behörde bisher noch nicht. Auch Finanzprokuratur-Chef Peschorn schließt strafrechtliche Konsequenzen nicht aus. "Natürlich" seien solche möglich, sagte er jüngst in einem Interview mit der ZiB 2. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Das weitere juristische Schicksal aller Beteiligten und Betroffenen liegt nun jedenfalls maßgeblich in den Händen der Insolvenzverwalter und der Staatsanwaltschaften. Fix ist derzeit nur eines: Der Signa-Skandal wird Österreichs Justiz wohl viele Jahre lang auf Trab halten. (Renate Graber, Jakob Pflügl, 5.1.2024)