Dieser Tage feiert das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) mit einem großen Symposion und prominenter Politikbegleitung (Bürgermeister Michael Ludwig, Bildungsminister Martin Polaschek, Bundespräsident Alexander Van der Bellen) sein 60-jähriges Bestehen. Das DÖW ist die wichtigste Instanz für die Dokumentation und wissenschaftlich-publizistische Aufarbeitung und Vermittlung der NS-Zeit; aber ebenso für die Beobachtung des aktuellen Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich.

Es wird niemanden wundern, dass die FPÖ immer schon, aber ganz besonders wieder seit der Obmannschaft von Herbert Kickl eine wüste Kampagne gegen das DÖW fährt: "kommunistische Tarnorganisation", "gesinnungsterroristischen Kampagnen", "Geschichtsfälschungen und Geschichtsverdrehungen" – das gehört zum Hassvokabular der Freiheitlichen gegen das DÖW. Das Widerstandsarchiv leistet einerseits historische Arbeit – etwa eine Namensliste aller österreichischen Opfer des Holocaust –, andererseits berichtet es unter der Rubrik "Neues von ganz rechts" regelmäßig über entsprechende Aktivitäten – etwa die Einladung eines bekannten Rechtsextremen (Stefan Magnet von "AUF1") in den freiheitlichen Parlamentsklub. Das DÖW wurde vom ÖVP-Innenministerium beauftragt – nach langer Pause –, wieder einen offiziellen Rechtsextremismusbericht zu erstellen, und hofft, sein seinerzeitiges, sehr erfolgreiches Standardwerk Rechtsextremismus in Österreich (mit Jörg Haider auf dem Buchcover) wieder in einer neuen Form herausbringen zu können.

Andreas Kranebitter, Leiter DÖW, Dokumentaitonsarchiv des österreichischen Widerstandes
Leitet das DÖW: Andreas Kranebitter.
Christian Fischer

Das DÖW war eine Gründung von Widerstandskämpfern und Verfolgten des NS-Regimes. Da der Widerstand in Österreich zu einem guten Teil von Kommunisten getragen wurde, waren in den Anfangsjahren auch solche tätig. Aber das Archiv als "kommunistische Tarnorganisation" zu bezeichnen ist klassischer extrem rechter Spin, wie er halt von Kickl kommt. Die Stiftung DÖW wird vom Bund und von der Stadt Wien getragen, Vorsitzender des Stiftungsrates ist Altbürgermeister Michael Häupl.

Der neue wissenschaftliche Leiter Andreas Kranebitter, ein Soziologe, weiß, dass das DÖW in seiner Präsentation einen Modernisierungsbedarf hat. Die Ausstellung über Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit am jetzigen Standort im alten Wiener Rathaus in der Wipplingerstraße ist in ihrer Dichte und Detailgenauigkeit beeindruckend, aber für ein Nichtfachpublikum relativ schwer zu konsumieren. Die Ausstellung wird an diesem Ort bleiben, während das DÖW an sich in die Otto-Wagner-Anlage auf der Baumgartner Höhe übersiedelt. Das Budget für die 25 fixen Mitarbeiter wurde erhöht, ist aber trotzdem relativ bescheiden.

Kranebitter will die Dualität – historische Ereignisse und aktuellen Rechtsextremismus – in der Arbeit des Archivs beibehalten, gleichzeitig aber auch den Blick auf aktuelle Hintergründe richten: das autoritäre Potenzial im Lande, aber auch die Frage, wie man in einer jungen Bevölkerung mit hohem Migrationsanteil das Problematische an Nationalsozialismus, Nationalismus und Antisemitismus überhaupt begreifbar machen kann. "Die Aufklärungsarbeit über Rechtsextremismus wird nie aufhören", sagt Kranebitter. (Hans Rauscher, 10.1.2024)