Alma Zadić
Justizministerin Alma Zadić: "Es gab auch in dieser Legislaturperiode unzählige Gesetze, die in rein männlicher Form verabschiedet wurden. Darüber gab es keine Aufregung."
Heribert Corn

Auf dem Tisch gegenüber liegen weihnachtliche Bastelarbeiten von Häftlingen. Vor dem Büro der Justizministerin wurde ein Kaktus feierlich geschmückt. Ansonsten ist Alma Zadić wenig nach Besinnlichkeit. Im STANDARD-Interview greift sie die ÖVP an. Ihr Ausgleich zur Politik? Tägliche Meditation.

STANDARD: Sie werfen der ÖVP aktuell wieder Angriffe auf die Justiz vor. Wie schief hängt der Haussegen in der Koalition zu Weihnachten?

Zadić: Ich bin jetzt seit vier Jahren im Amt und habe mich an die Versuche der ÖVP, die Justiz zu politisieren, gewöhnt. Der Zeitpunkt ist selten Zufall. Es passiert meist, wenn die ÖVP unter Druck gerät. Ich halte gegen alles stand, damit die Justiz unabhängig arbeiten kann. Auch wenn das manchen nicht schmeckt.

STANDARD: Innenminister Gerhard Karner von der ÖVP möchte eine Möglichkeit schaffen, um Chats in Messengerdiensten zu überwachen. Warum sträuben Sie sich da so dagegen?

Zadić: Die konkrete Forderung ist ja die nach einem Bundestrojaner zur Massenüberwachung, und das halte ich für problematisch und grundrechtlich schwierig.

STANDARD: Man könnte ja rechtlich Grenzen einziehen – die Überwachung von Menschen, die mutmaßlich einen Terroranschlag planen, erscheint doch sinnvoll.

Zadić: Es ist ja nicht so, dass es derzeit gar keine Möglichkeiten in Hinblick auf Terrorverdächtige gibt. Ich habe auch noch keinen Vorschlag des Innenministeriums gesehen, wie man einen Bundestrojaner verfassungskonform ausgestalten könnte.

STANDARD: Gleichzeitig ist es doch befremdlich, dass Terrorpläne in Österreich vor allem über Informationen ausländischer Nachrichtendienste aufgedeckt werden. Finden Sie nicht?

Zadić: Ich bin stets bereit zur Diskussion. Nun hat aber der Verfassungsgerichtshof sogar in Fällen, in denen es bereits ein mutmaßliches Delikt gibt, gesagt, dass die Sicherstellung von Handys ohne richterliche Genehmigung verfassungswidrig ist. Deshalb erscheint es mir sehr schwierig, eine verfassungskonforme Lösung für präventive Überwachung zu finden. Das hat der Verfassungsgerichtshof auch bereits in der Vergangenheit verworfen.

STANDARD: Wenn Sie schon den aktuellen VfGH-Entscheid ansprechen: Expertinnen und auch Ihr Koalitionspartner weisen schon lange auf die Problematik der Handy-Abnahmen hin. Warum haben Sie nicht längst gehandelt?

Zadić: Es gibt hier einerseits den legitimen Wunsch der Ermittlungsbehörden, Verbrechen aufzuklären. Bei organisierter Kriminalität, bei Bildern von Kindesmissbrauch – da ist man auf Datenträger wie Handys angewiesen. Auf der anderen Seite steht der Schutz der Grundrechte. Als die Diskussion darüber entbrannt ist, war diesbezüglich bereits ein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig. Deshalb war es mir wichtig, dass die Klärung dieser verfassungsrechtlich schwierigen Frage der Verfassungsgerichtshof vornimmt. Alles andere wäre nicht seriös.

Alma Zadić
"Die Forderung nach einem Bundestrojaner halte ich für problematisch und grundrechtlich schwierig", sagt die Justizministerin.
Heribert Corn

STANDARD: Glauben Sie, dass es Ermittlungen wie jene rund um die Causa Thomas Schmid künftig weiterhin geben kann?

Zadić: Im angesprochenen Fall hat es eine Hausdurchsuchung gegeben, die ohnehin bereits durch ein Gericht genehmigt wurde. Es wird auch in Zukunft möglich sein müssen, Datenträger sicherzustellen und zu verwerten. Wir werden aber das Personal bei den Gerichten aufstocken müssen, damit es für die Anordnung von Sicherstellungen ausreichend Journalrichter gibt, die diese Fälle prüfen.

STANDARD: Apropos Schmids Handy: Können Sie den Vorwurf der ÖVP nachvollziehen, dass es ein Problem ist, wenn persönliche Chatnachrichten im ganzen Land besprochen werden?

Zadić: Die vieldiskutierten Nachrichten, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, haben viel mit dem Untersuchungsausschuss zu tun. Daran wird sich nichts ändern, wenn sich die U-Ausschuss-Regeln nicht ändern. Alles, was die Justiz liefern musste, haben wir so qualifiziert, dass es nicht zur Veröffentlichung geeignet ist. Da muss sich der Nationalratspräsident überlegen, wie man mit solch sensiblen Daten umgeht. Er ist schließlich der Vorsitzende von Untersuchungsausschüssen.

STANDARD: Sie machen Wolfgang Sobotka dafür verantwortlich, dass die ÖVP-Chats an die Öffentlichkeit gelangt sind?

Zadić: Im U-Ausschuss sind viele Chats, die wir vertraulich geliefert haben, publik geworden, und das liegt in der Verantwortung der Abgeordneten und des Vorsitzenden.

STANDARD: Sobotka steht auch im Zusammenhang mit den Tonbandaufnahmen des verstorbenen Sektionschefs Christian Pilnacek in der Kritik. Ist er noch tragbar?

Zadić: Es ist meine Pflicht als Justizministerin, dafür zu sorgen, dass solche Vorwürfe durch die eingesetzte Kommission restlos aufgeklärt werden. Sowohl die grüne Generalsekretärin als auch der Vizekanzler haben ihm den Rücktritt nahegelegt. Auch ich würde an seiner Stelle dort nicht mehr sitzen.

STANDARD: Sie wollen, dass eine Generalstaatsanwaltschaft die Justizministerin in der Weisungskette ablöst. Die ÖVP auch. Sie beharren aber auf Dreiersenaten. Warum nehmen Sie in Kauf, dass deshalb die Reform nichts wird?

Zadić: Weil es mit mir keine Reform geben wird, die ein System etabliert, das schlechter ist als das aktuelle. Es braucht ein Gremium mit Checks und Balances, um die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften abzusichern.

STANDARD: Sie unterstellen der ÖVP, einen Plan zu verfolgen, der die Staatsanwaltschaften stärker unter politische Kontrolle bringen würde?

Zadić: Potenziell mögliche politische Einflussnahme würde durch eine einzelne Person, die auf unbestimmte Zeit von Politikern ausgesucht wird, noch größer werden.

STANDARD: Einen Clinch hatten Sie mit der ÖVP auch wegen eines Gesetzes, das ausschließlich in weiblicher Form formuliert wurde.

Zadić: Es wurde darüber sehr viel diskutiert. Das finde ich bezeichnend, denn es gab auch in dieser Legislaturperiode unzählige Gesetze, die in rein männlicher Form verabschiedet wurden. Darüber gab es keine Aufregung.

STANDARD: Werden weitere Gesetze in rein weiblicher Form verfasst werden?

Zadić: Solange Gesetze in rein männlicher Form auf den Weg gebracht werden, werden wir das auch wieder einmal umdrehen. Ich werde weiter darauf pochen, dass Gesetze künftig an alle Geschlechter adressiert sind.

Alma Zadić
Zadić: "Ich habe mich an die Versuche der ÖVP, die Justiz zu politisieren, gewöhnt. Der Zeitpunkt ist selten Zufall."
Heribert Corn

STANDARD: Sie haben schon klargestellt, dass Sie nicht bei der EU-Wahl antreten wollen. Werden Sie bei der Nationalratswahl kandidieren?

Zadić: Ja, das möchte ich.

STANDARD: Haben Sie einen Neujahrsvorsatz?

Zadić: Politisch will ich die Generalstaatsanwaltschaft und die Kindschaftsrechtsreform umsetzen und Gewaltambulanzen österreichweit ausrollen. Persönlich möchte ich mehr Zeit finden, um zu meditieren.

STANDARD: Und welchen Vorsatz würden Sie der ÖVP empfehlen?

Zadić: Die ÖVP sollte auch mehr meditieren. (Katharina Mittelstaedt, Rainer Schüller, 22.12.2023)