Die Panne entpuppte sich als Glücksfall. Im November war die SPÖ daran gescheitert, ihre Ex-Chefs zum Parteitag nach Graz zu lotsen. Nun wird Andreas Babler froh sein, dass zumindest ein ganz spezieller Repräsentant fernblieb. Nicht auszudenken, wenn es heute Fotos gäbe, wie ihn Alfred Gusenbauer innig umarmt.

Bablers Vorvorvorvorgänger wirft auch so noch genug Schatten auf ihn und die Genossen. Gusenbauer zählt zu jenen Ex-Politikern, die sich vom gestrauchelten Immobilientycoon René Benko einkaufen ließen – und das nicht bloß für eine Nebenrolle. Als Aufsichtsratchef zweier maßgeblicher Signa-Firmen und Beiratsmitglied einer dritten trägt der Altkanzler zwingend Mitverantwortung für die größte Pleite der Zweiten Republik. Zumindest hat er diese in seinen Funktionen nicht verhindert.

Alfred Gusenbauer
Die SPÖ tut sich schwer mit ihm: Alfred Gusenbauer.
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Das hemmt Gusenbauer nicht, nun als Gläubiger vor Gericht Ansprüche in Millionenhöhe zu stellen. Es geht um Honorare, wie sie Sozialdemokraten zu Recht als unverhältnismäßig anprangern. Überschreiten Rechnungen für Beratertätigkeiten den Bruttoverdienst eines mittleren unselbstständigen Vollzeitbeschäftigten – knapp 48.000 Euro pro Jahr – um das 60-Fache, dann ist das nicht mehr mit Leistung zu erklären.

Dabei sind die nunmehrigen Forderungen gar nicht der Sündenfall, sondern ein konsequentes Beschreiten eines Irrwegs, auf den Gusenbauer schon vor langer Zeit eingeschwenkt ist. Was ihm bereits als Berater des kasachischen Diktators Nursultan Nasarbajew vorzuhalten war, gilt auch für das Signa-Engagement: Gusenbauer hat seinen sozialdemokratischen Kompass verloren.

Unvereinbar mit rotem Anspruch

Das heißt nicht, dass Geldverdienen für linke Politikaussteiger tabu sein sollte. Andere Spitzenkräfte der SPÖ sind ebenso in die Privatwirtschaft gewechselt, Viktor Klima zu VW oder Brigitte Ederer zu Siemens. Doch Unternehmen ist nicht gleich Unternehmen. Auch Industriekonzernen lässt sich – Stichwort Umweltschutz – einiges vorwerfen. Doch im Kern geht es um realwirtschaftliche Aktivitäten mit (potenziellem) Nutzen für die Allgemeinheit.

Bei Signa steht das in massivem Zweifel. Einstige Gewinne fußten auf der immer höheren Bewertung von Immobilien – ein spekulatives Modell, das ebenso wie der Urheber jedem sozialdemokratischen Anspruch widerspricht.

Dass Gusenbauer darin keine Unvereinbarkeit erkennt, untergräbt die Glaubwürdigkeit der ganzen Partei. Babler kann noch so oft betonen, dass der Ex-Chef in der SPÖ keine Rolle mehr spiele – in der Öffentlichkeit gilt er als prominenter Sozialdemokrat. All jene, die es immer schon geahnt haben, werden sich bestätigt fühlen: Die Politiker sind doch alle gleich.

Soll die SPÖ das einfache Mitglied Gusenbauer also rauswerfen? Das klingt einfacher, als es ist. Der vom Statut angebotene Weg über ein Schiedsgericht wäre ein Experiment mit ungewissem Ausgang – und dem Effekt, dass sich die Genossen wieder ausgiebig mit sich selbst beschäftigen. Außerdem sind bei aller Kritik auch die Verdienste in Rechnung zu stellen. Immerhin hat Gusenbauer die Partei acht Jahre lang geführt und die Kanzlerschaft zurückerobert.

Die schmerzloseste Lösung hat der Vielumstrittene selbst in der Hand. Wenn schon der eigene Ruf ruiniert sein mag, so könnte Gusenbauer zumindest jenen der Mutterpartei aufpolieren – mit einem freiwilligen Austritt. (Gerald John, 9.1.2024)