"Ultima ratio", sagt Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), sei das Abbrennen von Schilf am Neusiedler See. Obwohl es die einfachste Methode ist, altes Schilf loszuwerden, das viel Wasser verdunstet und damit eine mögliche Austrocknung des Sees beschleunigt – und kaum als Lebensraum dient. Man sieht ihr an, dass sie nicht nur begeistert ist, sich genau das aber nicht anmerken lassen möchte. Denn das Abbrennen von Schilf hat entscheidende Nachteile. Es verschmutzt die Luft, setzt Kohlendioxid frei, und es tötet Tiere.

"Die Übung ist ganz bewusst im Jänner", sagt Gewessler. "Wir haben das lange geplant und werden die Übung genau monitoren." Einer, der diesen Brand wissenschaftlich begleiten wird, ist Thomas Zechmeister, Leiter der Biologischen Station Illmitz. "Wir haben aktuell sehr niedrige Temperaturen, der See ist mit einer Eisschicht überzogen, und nach den aktuellen Windprognosen mit 15 bis 25 Stundenkilometern wird sich das Feuer schnell bewegen. Die Literatur sagt, dass die Auswirkungen auf die Fauna als gering einzuschätzen sind – aber wir werden das untersuchen und genau feststellen, wie groß die Auswirkungen der Feuerwalze tatsächlich sein werden."

Schilfbrand und drei Feuerwehrleute.
Das Schilf rund um den Neusiedler See brennt immer wieder, wie hier im März 2023 bei Mörbisch. Ursache ist oft ein Blitzeinschlag in das trockene Schilf. Am Samstag wird der Brand für eine Übung gelegt.
APA/FEUERWEHR MÖRBISCH

Wenn die Wetterprognosen halten und am 13. Jänner in der Früh die Bedingungen weiter ideal sind, wird im Schilfgürtel zwischen Jois und Winden unter der Leitung des Bezirksfeuerwehrkommandos Neusiedl am See an mehren Stellen im Schilf Feuer gelegt. Nämlich einmal das Feuer für die Brandübung, aber auch gleich Gegenfeuer, mit denen die bereits in den vergangenen Wochen angelegten Brandschneisen verbreitert werden sollen.

Das Gebiet, in dem die Übung stattfinden wird, ist rund 200 Hektar groß. Etwa 300 Personen der Feuerwehr werden daran teilnehmen. Es werden Hubschrauber für den Notfall bereitstehen. Um die Lage aus der Luft bewerten zu können, kommen Drohnen zum Einsatz. Und die neuen Vegetationsbrandeinheiten, mit denen das Land Burgenland den Katastrophenschutz ausgerüstet hat, werden das erste Mal erprobt. Denn es geht ja darum, die Kräfte der Feuerwehr für die regelmäßig auftretenden Schilfbrände zu trainieren. Und dann auch wieder nicht.

Vorteile des Warm-Abtragens

Denn das Abbrennen des Schilfs hat in erster Linie eine ganze Reihe von Vorteilen. Darum auch das große Theater. Altes Schilf verdunstet viel Wasser aus dem See, dient gleichzeitig kaum als Lebensraum, und in Bereichen mit hohem Altschilfanteil entstehen klare Seen. In dem Gebiet, in dem die Übung stattfinden wird, ist weit mehr als die Hälfte des Schilfbestandes mehr als 20 Jahre alt, erklärt Zechmeister: "Knickschilf, das Jungschilf daran hindert herauszukommen."

Und an noch einen Punkt hält er fest: Der Bereich, der bei der Übung abgebrannt wird, macht etwa ein Prozent des gesamten, 180 Quadratkilometer großen Schilfgürtels aus. Zechmeister impliziert damit wohl, dass der Versuchsbereich denkbar gering für die Fülle an Informationen sei, die man zu gewinnen andenkt. Und trotzdem kann weder das Land Burgenland noch die für den Erhalt des Sees eigens geschaffene landeseigene Seemanagement GmbH einfach Schilf abbrennen. Nicht einmal die Esterházys, denen ja der allergrößte Teil des Neusiedler Sees und damit auch das Schilf gehört, dürfen das. Das verbieten die strengen Luftschutzbestimmungen in Österreich seit Mitte der 1990er-Jahre. Warum Leonore Gewessler dann dennoch die sehr österreichische Lösung mit der Brandübung abgenickt hat, lässt sich mit wenig Mühe herleiten.

Schilfbrand bei Winden am See.
Ebenfalls im März 2023 brannte in Winden am See eine Schilfschneidemaschine ab. Acht Feuerwehren waren damals im Einsatz. Es sind also nicht immer Wetterereignisse, die zu Schilfbränden führen.
APA/BFKDO ND

Schilfschneider, die das Problem lösen könnten, gibt es kaum noch. Den verbleibenden hat sich inzwischen sogar die Seemanagement GmbH angeschlossen, die neue Maschinen bestellt und Prototypen für den Neusiedler See hat bauen lassen, die in der nächsten Wintersaison zum Einsatz kommen sollen. Wegen des Vogelschutzgebiets, des Natura-2000-Gebiets und des Nationalparks dürfen Arbeiten zum Erhalt des Sees nur zwischen Anfang Oktober und Ende März erfolgen. Und alle Schilfschneider zusammen werden dem riesigen Schilfgürtel nicht Herr. Zudem ist Schilfschneiden immer schwerer geworden, weil der See kaum noch so zufriert, dass man mit den schweren Maschinen auf dem Eis fahren könnte. Man braucht also amphibienartige Schilfschneider – das ist auch der Grund für den Prototypenbau.

Breitaufgestelltes Monitoring

Das Schilf also einfach zu schneiden und zu sammeln funktioniert schlecht bis gar nicht. Zudem gibt es keine Abnehmer für das Schilf, und sogar die einzige Fernwärmeanlage, die mit Schilf hätte befeuert werden sollen, ging nie in Betrieb. Auf der anderen Seite könnte das Niederbrennen einen entscheidenden Vorteil haben, legen wissenschaftliche Arbeiten nahe. Nämlich dass durch das nachwachsende Jungschilf mehr Kohlendioxid gebunden wird, als das Altschilf beim Brand freisetzt – und auch freisetzen würde, wenn es langsam vor sich hinverrottet. Ob das am Ende auch wirklich so sein wird, wird das breitaufgestellte Monitoring zeigen.

Projektkoordinator für das umweltökologische Monitoring ist die Biologische Station Illmitz. "Relevante Aspekte bei den Untersuchungen sind unter anderem die Biodiversität, die Luftgüte und die Treibhausgasbilanz", heißt es aus dem Land Burgenland. Ziel des Landes ist es – da machen die Verantwortlichen gar kein Geheimnis draus –, "sofern es die Ergebnisse des Monitorings zulassen, eine Änderung des Bundesluftreinhaltegesetzes zu erwirken, damit ein kontrolliertes Abbrennen des Schilfs wieder erlaubt wird" – was aus Sicht des Landes für das Natura-2000-Gebiet Neusiedler See von immenser Bedeutung wäre.

"Innerhalb des Natura-2000-Gebiets haben wir die Verpflichtung, den Lebensraum Schilf zu erhalten und nachhaltig zu verbessern", erinnert Astrid Eisenkopf (SPÖ), Landeshauptmann-Stellvertreterin und Landesrätin für Klimaschutz. "Es ist also wichtig, dass das Schilf regelmäßig eine Verjüngung erfährt. Ein Brandmanagement und damit ein kontrolliertes Abbrennen wird uns von zahlreichen Expertinnen und Experten empfohlen und ist aus unserer Sicht deshalb absolut notwendig. Aus diesem Grunde bin ich bereits seit längerem in Kontakt mit dem zuständigen Ministerium, um eine mögliche Änderung des Bundesluftreinhaltegesetzes zu erwirken."

Politikerparade
Selbstverständlich gibt es auch ein Foto, auf dem alle Protagonistinnen und Protagonisten einmal fesch zsammstehen und lächeln. Von links nach rechts: die Landesfeuerwehrkommandant-Stellvertreter Martin Reidl und Harald Nakovich, Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf, Umweltschutzministerin Leonore Gewessler, Landesrat Heinrich Dorner, Kommandant des Bezirksfeuerwehrkommandos Neusiedl am See Anton Kandelsdorfer und Leiter der Biologischen Station Illmitz Thomas Zechmeister.
Guido Gluschitsch

Es geht bei der Übung also vordergründig darum, langfristig wieder die Möglichkeit der Brandrodung im Schilfgürtel zu schaffen, auch wenn Verkehrslandesrat Heinrich Dorner (SPÖ) sagt: "Hauptziel dieser geplanten Katastrophenhilfsdienstübung ist, unter kontrollierten Bedingungen Erfahrungen im Umgang mit Schilfbränden zu gewinnen und mögliche Einsatztaktiken praktisch zu üben. Dass man damit dem Neusiedler See Gutes tut, beziehungsweise dem großteils überalterten Schilfgürtel so zur Verjüngung verhilft, davon sind wir überzeugt." Und tatsächlich ist mehr als die Hälfte des gesamten Schilfbestands "Altschilf, das nach rund 15 Jahren in sich zusammenbricht, zum Knickschilf wird und eine riesige Ansammlungen von Biomasse in Form einer dicken, undurchdringlichen Mullschicht bildet", erklärt Zechmeister.

Ministerin Gewessler gibt sich vorsichtig. "Es ist eine Abwägungsfrage. Es bleibt abzuwarten, ob die positiven Auswirkungen, die wir erwarten, auch tatsächlich eintreten. Das Luftreinhaltegesetz ist bewusst ein sehr strenges Gesetz", sagt sie. Die Erkenntnisse des Monitorings seinen die Grundlage für mögliche weitere Schritte – die sogar in einer Ausnahmegenehmigung mit engen Grenzen und klaren Kriterien für Landeshauptleute enden können. Aber, wiederholt Gewessler: "Brand ist Ultima Ratio!" (Guido Gluschitsch, 11.1.2024)