Simon Schwarz als Polizistin (oben): Die mag Herausgebackenes, nicht aber Manuel
Simon Schwarz als Polizistin (oben): Die mag Herausgebackenes, nicht aber Manuel "Herr Rubinger" Rubey.
Ernesto Gelles

Wer die Hitze nicht aushält, soll nicht in die Küche gehen. Manuel Rubey und Simon Schwarz haben sich trotzdem gedacht, lieber Küche als weiter schauspielen. Und jetzt haben sie den Salat und können die Suppe, die sie sich eingebrockt haben, auslöffeln: Die Küchenhitze hätten sie in ihrem Sternerestaurant in der Pampa – der eine hat schon einmal im TV einen Koch gespielt, der andere einen Kellner, das qualifiziert! – ja gemeistert. Dass der Gourmettempel aber abbrennt, mit diesem sprunghaften Temperaturanstieg hatten sie nicht gerechnet.

Oder doch? Da ist sich die Dorfpolizistin mit der Artikulationsschwäche nicht ganz sicher. Hat Schwarz "Das Restaurant" – so der prägnante, kurze Name – warm abgetragen? An den Verhörsessel gebunden, sitzt er auf der Bühne des Wiener Stadtsaals. Als Polizistin streift Rubey um ihn herum und lässt neben ihrem Hass auf zugezogene, vom Tofugenuss aufgedunsene Wiener an sich auch ihrer Faszination für diesen Eindringling im Speziellen freien Lauf. Denn sie ist hingerissen von seinem roten Haar. "Feiakopf" nennt Polizistin Rubey, ihm verträumt den Schopf streichelnd, den Bühnenpartner. Ist er untenrum auch rot? Ein "Doppeldecker" also? "Brennt der Busch?"

Dreamteam im Albtraum

Die beiden sind ein Dreamteam. Das Restaurant ist ein Kabarettabend, verpackt in ein kleines Theaterstück, oder umgekehrt. Bei zwei Schauspielern war das zu erwarten.

Wobei Schwarz zum Einstieg ein bisschen mehr mit mangelnder Bühnenerfahrung kokettiert, als es zutrifft. Vielleicht hat er es ja auch wirklich nie gemocht. Er würde jetzt jedenfalls lieber nicht auftreten: Es ist Abend, die Scheinwerfer blenden, er mag nicht von Menschen angeschaut werden, jammert er.

Aber es will halt die Geschichte erzählt werden, wie er und Rubey (für den ist es das vierte Kabarettprogramm) um viel, allerdings ohne Kaufvertrag übergebenes Geld ein Restaurant erworben und notgedrungen auch eröffnet haben.

Antikapitalistisches Statement

Geschrieben haben die zwei Pu­blikumslieblinge das Stück zusammen mit Sebastian Huber und Jürgen Marschal von der Tagespresse. Letztere beide führen auch Regie, man kommt dabei ohne Kulissen aus. Das Publikum darf sich deshalb den Schimmel an den Wänden und das Moos am Boden vorstellen, als die Neo-Gastronomen die Immobilie zur Übernahme besichtigen. Was tun? Die Baufälligkeit in ein für die gehobene Küche rares, antikapitalistisches Statement umdeuten.

Spielen können die beiden. Großartig Schwarz im Dialog mit einem Nazi-Eichhörnchen mit Kärntner Akzent, das sich über die fehlende "patriotische Esskultur" der veganen Speisekarte empört und gegen den "reset am tablet" agitiert. Rubey zittert derweil davor, was passiert, sollte sein Freund herausfinden, dass er ihn die Rolle in Quentin Tarantinos Inglorious Basterds gekostet hat, mit der Christoph Waltz dann weltberühmt wurde. Der jetzt übrigens bei ihnen isst – wo man als "signature dish" Salbeirisotto aus Aztekensalbei serviert. Der hat gegenüber konventionellem Salbei allerdings ein kleines Special zu bieten ...

Klimawandel, Radio, ADHS

Die beiden nutzen die Stationen des Restaurantdesasters als Rahmen auch für (problembewusste) Witzchen über Klimawandel und Klimakleber oder eine Parodie auf Gute-Laune-Radiomoderatoren. Am Bühnenvorhang schnuppernd, zwischen empfindlichem "Ginger" und angstlosem Wikinger pendelnd, versteht der ADHS-Patient Schwarz das Konzept von Kabarett, Persönliches zu verraten, nicht so ganz. Stichwort: spontane Analthrombose. Stichwort: Vorhautverengung.

So ist der Abend eineinhalb Stunden lang nicht nur gut getaktet, sondern auch hoch sympathisch. Zuerst einmal spaßen die beiden Freunde stets auf eigene Kosten, dann erst kommen das Grenzdorf, die Raika, der Mangel an österreichischen Pfarrern, der allgegenwärtige Traum vom Podcasten, Vater-Sohn-Beziehungen in den 1980ern dran. Auch ganz ohne Aztekensalbei reicht das zum High. (Michael Wurmitzer, 11.1.2024)