Was bekommt man für zehn Euro? Eine Pizza? Eine Kinokarte? Oft nicht einmal das. Auch ein Netflix-Abo kostet mehr. Und stellt man die Zehn-Euro-Frage Google, kommen "Schnäppchen" und Mitbringsel: Wirklich wertig wirkt davon kaum etwas.

Die Zeiten, in denen sich JVP-Chefin Silvia Fuhrmann nach ihrem Drei-Wurstsemmel-Vergleich Weltfremdheit vorwerfen lassen musste, sind ebenfalls vorbei: 2004 war das – aber in diesem Herbst kostete die Mass Bier beim Münchner Oktoberfest teure 14,50 Euro. Nicht einmal Wasser bekam man 2023 auf der Wiesn für einen Zehner: 10,04 Euro, empörten sich Medien, müsse man pro Liter ablegen. Freilich: Getrunken wurde trotzdem.

Zehn Euro sind quasi nix

Fakt ist: Mit zehn Euro kommt man nicht weit. Nirgendwo. Unabhängig von Produkt oder Leistung – oder Lage: Wer in Floridsdorf einen Quadratmeter Self-Storage-Lager anmietet, legt 11,33 Euro ab – pro Woche. In "besseren" Gegenden ist es mehr (Hietzing: 13,36 Euro pro Woche; Döbling: 16,34 Euro) – für Flächen von unter einem Quadratmeter. Lage und Image definieren eben auch bei allem, was sich rund ums Wohnen an Bedürfnissen ergibt, den Preis. Ausnahmslos.

Autos, die in der Stadt parken
Autos stehen die meiste Zeit herum. Im öffentlichen Raum. Sogar in der Stadt. Weil es eben kaum etwas kostet.
Christian Fischer

Oder doch nicht? Ulrich Leth schüttelt den Kopf: "Reden wir darüber, was Parken im öffentlichen Raum kostet." Leth ist Verkehrsplaner an der TU Wien – und sticht wissentlich in ein Wespennest. Denn bei den Kosten für das Abstellen privater Fahrzeuge im öffentlichen Raum Marktpreise und Kostenwahrheit einzufordern lässt Politikerinnen und Politiker jeder Partei Reißaus nehmen. Die bloße Andeutung, dem "ruhenden Verkehr" zu Leibe rücken zu wollen, um den "fließenden" zu reduzieren gilt als Frontalangriff auf ein – vermeintliches – Grundrecht: das, den privaten Pkw günstig auf öffentlichem Grund abzustellen.

Auch wenn das Narrativ vom angeblich ach so teuren "Laterndlparken" von Politik und Boulevardpresse gern strapaziert wird: Parken auf öffentlichem Grund ist auch im Parkpickerl-Wien für Anrainer praktisch gratis: Es kostet 33 Cent am Tag. Auch das Parken mit Parkschein ist im internationalen Vergleich mit 2,50 Euro pro Stunde komfortabel-billig. Und der Städtevergleich macht noch etwas klar: So dämmt man die Autoflut in der Stadt nicht ein.

Größe? Egal!

Zehn Euro kostet das Parkpickerl in Wien. Pro Monat. Nichtanrainer lösen Parkscheine: 2,50 Euro pro Stunde. Der Preis ist überall gleich. Und gilt größenunabhängig: Micro-Car? Lieferwagen? Stretchlimousine? Egal. In der Nacht ist "Laterndlparken" gratis – und mit Pickerl darf man ewig stehen.

Fahrzeuge sind über 90 Prozent ihrer Zeit Stehzeuge: Wäre da der Kostenwahrheitshebel nicht ein brauchbarer Ansatz, um gleich zwei Ziele der Politik in Angriff zu nehmen: die Reduktion der Zahl der Fahrzeuge in der Stadt zum einen, die Rückgabe öffentlicher Flächen an die Menschen zum anderen? Doch darüber wird nicht diskutiert. Jedenfalls nicht so ernst wie in anderen Städten.

Das ist ein Fehler, meint TU-Verkehrsplaner Leth: "Die Debatte über den Wert des öffentlichen Raums kann nicht losgelöst von der über den Preis seiner Nutzung als Parkraum geführt werden." Dabei hätte Wien gute Karten: Im Modal Split – der Nutzungsverteilung aller Verkehrsmittel – lag der Pkw 2022 nur noch bei 26 Prozent aller Wege. Auch der Pkw-Anteil sinkt: "Auf 100 erwachsene Wienerinnen und Wiener kommen 38 Privat-Pkws", heißt es auf der Rathaus-Seite wien1x1.at. Doch auf die urbane Raumverteilung schlägt sich das kaum nieder: 70 Prozent des Wiener Straßenraums "gehören" dem Auto. Mehr als ein Viertel davon – 28 Prozent – zum Parken.

Anderswo ist man weiter: München etwa steht bei 60 Prozent (39 Prozent Fahr-, 21 Prozent Parkraum). Kopenhagen bei 54 (38 zu 16), Rotterdam bei 52 Prozent (37 zu 15).

Und dass man mit der Ansage, öffentliche Flächen im großen Stil von Autos zu befreien, Wahlen nicht verliert, bewies zuletzt Anne Hidalgo: Die Pariser Bürgermeisterin kündigte an, von den 140.000 Oberflächenparkplätzen der Stadt 70.000 ersatzlos zu streichen – und wurde wiedergewählt. Hidalgos nächster Streich: die Anpassung von Parkgebühren für in die Stadt einfahrende Fahrzeuge an deren Größe. Dabei ist Parken in Paris schon lange teurer als in Wien: Am Stadtrand kostet es 2,50, innerstädtisch aber mehr als vier Euro pro Stunde.

Park- oder Fahrschein

Dass derlei Maßnahmen einen Einschnitt in jahrelang als selbstverständlich Erachtetes bedeuten, weiß Ulrich Leth. Aber er weiß auch: Über Kosten und Komfort des Parkens lässt sich das Mobilitätsverhalten steuern. Vereinfacht gesagt: Ist das Parken billiger als der Fahrschein und liegt der Parkplatz näher als die nächste Öffi-Station, ist Umsteigen kein Thema. Nicht ohne Grund postuliert die Deutsche Umwelthilfe also: "Gebühren müssen so hoch sein, dass Menschen, die nicht aufs Auto angewiesen sind, ihren Autobesitz hinterfragen."

Hinzu kommt, dass günstiges Gassenparken Parkgaragen unattraktiv macht. Denn dort orientieren sich die Tarife an Lage, Dichte und Immo-Preisen. Zu Recht, betont Hermann Knoflacher: Der Verkehrsplaner fordert für das öffentliche Parken marktwirtschaftliche Tarife. "Korrekt gerechnet", erklärt er, der in den 1970er-Jahren mit den Fußgängerzonen in der Kärntner Straße und am Graben Unerhörtes wollte, "müsste Parken in der Gasse 500 Euro pro Monat kosten. Ein Pkw braucht zehn Quadratmeter Platz. Würde man auf dieser Fläche fünfstöckig Wohnungen bauen, wäre das der Mieterlös."

Doch auch weniger provokant errechnet stehen zehn fixbepreiste Euro pro Parkplatz argumentativ auf wackeligen Beinen: Wird der Parkplatz zur Baustelle, rechnet der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) vor, kostet jeder Quadratmeter monatlich sechs Euro – plus Lagezuschlag von bis zu acht Euro pro Quadratmeter. Parkplatzsuchende mag das überraschen, Wirte nicht: Ein Schanigarten auf öffentlichem Grund kostet je nach Lage pro begonnenen Quadratmeter und Kalendermonat zwischen 2,10 und 20,70 Euro.

Auch beim Wohnen sind "Size matters" und "Lage, Lage, Lage" unumstritten. Wieso dann just beim Parken nicht? International dreht sich das längst – nicht nur in Paris.

Warteliste für Parkpickerl

In Stockholm kostet das Anwohnerparken im Herzen der Stadt monatlich 1.100 Kronen – rund 100 Euro. Kurzparken ist im Zentrum zehnmal so teuer wie am Stadtrand. In Amsterdam scheint das Anrainerpickerl mit 530 Euro im Jahr fast günstig, aber die Menge ist gedeckelt: Sind regional alle Genehmigungen weg, kommt man auf die Warteliste. Mitunter für Jahre.

Noch rigoroser ist man in Tokio: Wer einen Pkw anmelden will, muss einen Parkplatz nachweisen. Da im Parkhaus nach Größe verrechnet wird, wirkt sich das massiv auf die Größe der Fahrzeuge aus. Die Idee der Stellplatznachweise findet langsam auch in Europa Anhänger: In Stuttgart ist das Thema seit einigen Jahren zwar auf dem Tapet, aber noch nicht mehrheitsfähig. Paris dürfte da einiges ins Rollen bringen.

Apropos Paris: Das dortige "Parkpickerl" (45 Euro / Jahr) erlaubt es Anrainern, um 1,50 Euro pro Tag nahe der Wohnung zu parken. Aber höchsten sieben Tage auf dem gleichen Platz. Das ist mit Absicht unbequem – und wirkt. Wien? Hier steht man öffentlich so lang, wie man will, aber nur mit dem Auto: Wer – auch mit Parkschein – ein Planschbecken in die Lücke stellt, riskiert eine Strafe. Auch das "Cabriobeet", das mit Erde gefüllte und dann bepflanzte Auto des Künstlers Christoph Schwarz, "parkt" selten länger amtlich unwidersprochen – obwohl der Pkw alle Parkbedingungen erfüllt.

Landnahme durch Stehzeug

Das unterstreicht nicht nur für Leth die "falschen Prioritäten" bei der Zuteilung öffentlichen Raums: Am Institut für integrierte Verkehrsplanung des Berliner Technikums prangerte Jos Nino Notz 2017 die so selbstverständliche Landnahme öffentlicher Räume durch privates Stehzeug als "Tragödie" an. Noch dazu zu "Schnäppchenpreisen", die dem schlichtesten Verständnis politischer und ökonomischer Steuerungsmechanismen Hohn sprächen: "Es bedarf keiner tiefgreifenden ökonomischen Theorien, um sich dessen bewusst zu werden, dass bei einem begrenzten Angebot einer Ressource kein Preis für dessen individuelle Inanspruchnahme ein deutlich zu geringer Preis ist, um eine bestehende Übernachfrage auf das gegebene Angebot zu beschränken."

Einfacher gesagt: Bei Parkkosten von 35 Cent pro Tag wird die Stadt die Autos nie los. (Thomas Rottenberg, 15.1.2024)