"2.587 digitale Schriftstücke mit offensichtlich nationalsozialistischem Hintergrund" fanden die Ermittler der Staatsanwaltschaft Kärnten im Zuge ihrer Hausdurchsuchungen zum Finanzskandal der Grazer FPÖ auf dem Laptop des Grazer Gemeinderates Roland Lohr. Lohr ist heute freier Mandatar, war aber jahrelang freiheitlicher Gemeinderat und bis 2021 zehn Jahre lang auch stellvertretender Stadtparteiobmann der FPÖ Graz. Da er auch einer jener Parteifunktionäre war, die für die Prüfung der Finanzen im Klub verantwortlich waren, suchten die Ermittler auch bei ihm im Oktober 2022 nach Beweisstücken. Die einschlägige Literatur, darunter Hitlers "Mein Kampf", Hitler-Reden, das Parteiprogramm der NSDAP und vieles mehr, war quasi ein Beifang der Hausdurchsuchungen bei mehreren Politikern, Vereinen und Burschenschaften auf der Suche nach verschwundenen Steuermillionen.

Justizministerin Alma Zadić (Grüne)
Justizministerin Alma Zadić (Grüne).
APA/EVA MANHART

Auch bei einem weiteren Ex-Mitarbeiter der Partei wurde bei den Hausdurchsuchungen einschlägiges Material gefunden. Doch zu Anklagen kam es bis heute nicht. Weder im Hauptverfahren um das verschwundene Geld noch in Sachen Nazi-Funde. Die Staatsanwaltschaft antwortete diese Woche auf Nachfrage des STANDARD zu einer Anklage nach dem NS-Verbotsgesetz: "Diesbezüglich wurde ein Bericht an die OStA verfasst, Anklagen wurden keine erhoben."

Demokratische Hygiene

"Im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Hygiene sollte eine zügige Aufklärung des Skandals selbstverständlich sein", fordert nun Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees Österreich (MKÖ). Er hat am Freitag gemeinsam mit MKÖ-Vorstandsmitglied Robert Eiter ein Schreiben an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) gerichtet und sie dazu aufgefordert, eine "zügige Aufklärung" des Finanzskandals zu bewirken. "Hat es in Graz eine illegale Finanzierung deutschnationaler und rechtsextremer Burschenschaften gegeben? Wer hat das dann beschlagnahmte NS-Material wofür verwendet?", will Eiter wissen.

Wie berichtet traten der damalige Grazer FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio und der damalige Grazer FPÖ-Klubobmann Armin Sippel 2021 nach einem Bericht der "Kleinen Zeitung" und der darauffolgenden Selbstanzeige des damaligen Klubdirektors Matthias Eder wegen der Finanzaffäre zurück. Gegen sie und – wegen des Verdachts der Unterdrückung von Beweismitteln – auch gegen Landesparteichef Mario Kunasek wird seither ermittelt.

Besonders pikant: Ausgerechnet Lohr, auf dessen Laptop die Nazi-Materialien gefunden wurden, war es, dessen Ausschluss aus der Partei einst die Stadträtin Claudia Schönbacher und der Klubchef Alexis Pascuttini (heute beide KFG) forderten, woraufhin sie selbst von Landesparteichef Mario Kunasek und Bundesparteichef Herbert Kickl ausgeschlossen wurden. Denn Kunasek wollte Lohr unbedingt halten.

Für Willi Mernyi steht fest: "Jeder Anschein von Verschleppung wäre fatal." (Colette M. Schmidt, 12.1.2024)