Im November 2023 fand in einem brandenburgischen Landhotel ein Treffen statt, bei dem Rechtsextreme und Vertreter der AfD besprachen, wie man Millionen Ausländer, aber auch missliebige Deutsche in einen nordafrikanischen "Musterstaat" vertreiben könnte. Hauptredner war der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner. Aufgedeckt hat dies die deutsche Rechercheplattform "Correctiv".

STANDARD: Wie bekam "Correctiv" Wind von dem Treffen?

Von Daniels: Wir erfuhren von Einladungsschreiben, die kursierten. Es handelte sich um Schreiben auf Papier und es stand ganz klar drauf, worum es gehen sollte – nämlich um ein vertrauliches Treffen, um einen Masterplan des Rechtsradikalen Martin Sellner zu besprechen. Eingeladen hatte ein bekannter Vertreter der rechtsradikalen Szene in Deutschland.

STANDARD: Und dann machte sich einer aus Ihrem dem Team von "Correctiv" auch auf den Weg in dieses Landhaus am Lehnitzsee?

Von Daniels: So ist es. Man kann sich in diesem Hotel ja ganz normal einmieten, das haben wir getan. Unser Reporter war vor Ort. Er hatte einen guten Einblick, wer da alles erschien und machte auch Fotos. Es ist alles dokumentiert.

Justus von Daniels, Chefredakteur von
Justus von Daniels, Chefredakteur von "Correctiv" war vom großen Echo auf die Recherchen zum Geheimtreffen zwischen Rechtsextremisten und AfD-Vertretern selbst ein wenig überrascht.
Correctiv

STANDARD: Wie viele Personen nahmen an dem Treffen teil?

Von Daniels: Rund zwei Dutzend.

STANDARD: Die eigentlichen Gespräche fanden hinter verschlossener Tür statt. Wie kamen Sie an die Inhalte?

Von Daniels: Ich bitte um Verständnis, dass wir unsere Quellen schützen. Aber ich kann sagen: Wir haben Quellen, die bestätigen, was wir von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen zitieren. Und die, die an dem Treffen teilgenommen haben, wissen auch ganz genau, dass wir die Worte richtig wiedergeben.

STANDARD: Die Betroffenen spielen das Treffen nun herunter und erklären, sie seien missverstanden worden.

Von Daniels: Das ist unglaubwürdig. Es stand ja auch schon in der Einladung, dass der bekannte österreichische Rechtsextremist Martin Sellner sprechen wird. Alle wussten, worum es geht.

STANDARD: Was bekamen Sie noch zu hören, als "Correctiv" die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Recherchen konfrontierte?

Von Daniels: Manche antworteten gar nicht, andere – aus der AfD – erklärten, sie seien bloß als "Privatperson" da gewesen. Wir hörten auch, dass es sich nicht um ernsthafte Pläne handle. Allerdings: Niemand stritt das Treffen an sich ab. Und die Tatsache, dass ein führender Kopf der rechtsextremen Szene seine Pläne ausbreitet, zeigt ja das ernsthafte Interesse der AfD-Politiker.

STANDARD: Wie ging es Ihnen, als Sie erfuhren, was da besprochen wird?

Von Daniels: Wir waren sehr erstaunt und auch erschrocken. Von diesen Plänen zur Vertreibung von Millionen Menschen hörte man zwar nicht zum ersten Mal. Es ist ja bekannt, dass es diese in der rechtsradikalen Szene gibt. Aber die Offenheit, in der sich Vertreter der AfD mit Rechtsradikalen über eine Umsetzung austauschten, war erstaunlich. Und vor dem Hintergrund einer Machtperspektive für die AfD gewinnen diese Planspiele eine andere Dimension.

STANDARD: Interessiert sich der Verfassungsschutz für Ihre Recherchen?

Von Daniels: Ich gehe davon aus, dass er davon erfahren hat. Was die Verfassung betrifft: Diese Gruppe weiß, dass sie das Grundgesetz nicht ändern kann. Sie plant daher, mit perfiden Methoden eine Atmosphäre zu schaffen, die es bestimmten Gruppen verleidet, in Deutschland zu leben.

STANDARD: Auf dem Papier erklärt die AfD, sie bekenne sich "vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen".

Von Daniels: Das macht das Treffen so problematisch für sie. Und eigentlich gibt es auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Identitären Bewegung, deren Sprecher Sellner ja lange war.

STANDARD: Die Resonanz auf die "Correctiv"-Recherche war enorm. Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz äußerte sich und wandte sich gegen "Fanatiker mit Assimilationsfantasien". Freut Sie das?

Von Daniels: Uns war bewusst, dass die Veröffentlichung brisant sein würde. Aber dass das Echo so groß sein würde, hatten wir nicht erwartet. Wir begrüßen natürlich, dass es nun eine starke öffentliche Debatte über diesen Moment der Wahrheit gibt. Jedem muss jetzt klar sein, was die AfD in Wirklichkeit will. Und jeder muss wissen, was er am Ende wählt. (Birgit Baumann aus Berlin, 14.1.2024)