Im "ZiB 2"-Interview Martin Thürs mit FPÖ-Chef Herbert Kickl kam das Wort "Remigration" gezählte 17 Mal vor. Thür wollte wissen, wie Kickl zu den Plänen der rechtsextremen Identitären steht, die Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte nach Europa rückgängig machen wollen – und das als "Remigration" bezeichnen.

Kickl distanzierte sich nicht. Vielmehr ging er zum Gegenangriff über: Thür versuche, mittels Hinterfragung eine "Tabuzone zu errichten", sagte der FPÖ-Chef.

Ex-Identitärenchef Martin Sellner bei einer Demonstration im Juli 2023
Ex-Identitärenchef Martin Sellner bei einer Demonstration im Juli 2023: Rechtsextreme propagieren schon länger Massenvertreibungen von Migrantinnen und Migranten aus Europa.
© Christian Fischer

Damit habe sich Kickl am Umdefinieren eines Begriffs aus der Migrationsforschung beteiligt, mit dem rechtsextreme Vertreibungspläne gerechtfertigt werden sollen, sagt die Diskursforscherin Ruth Wodak. "Das ist schamlose Normalisierung." Der FPÖ-Chef nehme damit im Wahljahr einen weiteren politischen Anlauf.

Unverdächtiger Begriff

Der Begriff "Remigration" bezeichnet an sich die freiwillige Rückkehr einzelner Migrantinnen und Migranten in ihre alte Heimat. Auch in der Exilforschung wird er verwendet – etwa zur Bezeichnung der Heimkehr jüdischer Vertriebener nach 1945 in die NS-Täterstaaten Deutschland und Österreich.

Die Identitären hätten "Remigration" auf der Suche nach einem "unverdächtigen Begriff" auserkoren, der harmloser als die Worte klinge, die ausdrücken, worum es ihnen wirklich gehe, sagt Bernhard Weidinger, Rechtsextremismusforscher im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW). Nämlich: "Massenabschiebung, Deportation oder Vertreibung."

"Jeden Tag deutscher"

Doch was sehen die identitären "Remigrations"-Pläne, die Kickl nicht explizit ablehnt, konkret vor? In einem Video auf Telegram, das in Reaktion auf den Bericht der Recherchegruppe "Correctiv" über das Treffen von AfD-Politikern und Rechtsextremen mit Geldgebern in Potsdam aufgenommen wurde, gibt der österreichische Ex-IdentitärenChef Martin Sellner eine kurze Einführung. Unterlegt von flotter Kaufhausmusik legt er im Influencerstil dar, dass es sich dabei um einen "langfristigen Plan" handle, mit dem Ziel, "dass Deutschland jeden Tag etwas deutscher wird".

Video: "Lehnitzseekonferenz" mit Vertreibungsplan sorgt für Empörung.
AFP

Migration, "die eine wirtschaftliche, kriminelle oder kulturelle Belastung für das Gastland" darstelle, müsse rückabgewickelt werden, sagt er. "Asylanten, Nichtstaatsbürger" sowie "nicht assimilierbare Staatsbürger" hätten Europa zu verlassen. Dafür seien die entsprechenden Gesetze zu schaffen.

Er wolle "eine Rechtslage erstellen", um missliebigen, aber bereits eingebürgerten Personen die österreichische Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen, sagte auch FPÖ-Chef Kickl in der "ZiB 2". Strengere Gesetze wären aber wohl nur unter Missachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention möglich (EGMR), erwidert der Politikwissenschafter Gerd Valchars.

Mehr Ausbürgerungen wären wohl "Willkür"

Die strafrechtlichen Tatbestände, die zur Ausbürgerung führen können, seien seit 2015 nämlich ausgeweitet worden. Neben Soldaten, die fremden Armeen dienen, und ebensolchen Geheimdienstlern könne nun auch Foreign Fighters, etwa für den "Islamischen Staat", sowie Personen, die wegen terroristischer Taten rechtskräftig verurteilt wurden, der Pass entzogen werden.

Das Heranziehen "kultureller" Gründe hingegen, wie Sellner sie erwähnt, wäre im Lichte der EGMR-Jurisdiktion "willkürlich" und verboten. Und, so Valchars: "Ein solches Gesetz müsste auch für autochthone Österreicher gelten. Andernfalls wäre es verfassungswidrig." (Irene Brickner, 12.1.2024)