Traktorendemo
Gut organisiert und kampfbereit zeigen sich die deutschen Landwirte bei ihrer Aktionswoche.
REUTERS/LEONHARD SIMON

Diese Zahl macht aus Landwirten Wutbauern: 2883 Euro an Subvention für Agrardiesel will die Regierung dem durchschnittlichen Vollerwerbsbauern in Deutschland wegnehmen. Die Sparpläne der Ampelkoalition in Berlin treiben die Landwirte diese Woche auf die Barrikaden, schon sprechen deutsche Medien vom "Wutwinter". Von Hamburg bis München, von Cottbus bis Frankfurt werden Städte mit Protesten im Rahmen der Aktionswoche überzogen. Sternförmig rücken die Traktoren der Landwirte dabei an. Die Botschaft ist klar: Wir sind überall und kommen aus allen Himmelsrichtungen zu euch.

Der Protest zeigt bereits Wirkung. Allein schon der Unmut der Landwirte hat ausgereicht, um die Pläne der Ampelkoalition zu verwässern. Ursprünglich war geplant gewesen, die Agrardieselförderung mit sofortiger Wirkung zu kürzen. Auch die Befreiung von Traktoren von der Kfz-Steuer sollte fallen. Nun wird die Steuerbefreiung beibehalten und die Förderung wird nicht sofort, sondern erst nach und nach, bis 2027, abgebaut. Selbst dabei dürfte es nicht bleiben. Schon laden die drei Parteien die Bauernvertreter für Montag zu Verhandlungen ein. Gut möglich, dass die Kürzungspläne gänzlich begraben werden.

Lehrreiche Episode

Die Episode ist über die Grenzen Deutschlands lehrreich und wird auch von Österreichs Politikern beobachtet. Hierzulande gibt es zwar keine direkte Subventionierung von Diesel, extra für Landwirte. Wohl aber eine Reihe anderer, sogenannter klimaschädlicher Förderungen, über deren Abschaffung oder zumindest Kürzung seit Jahren gestritten wird.

Da ist etwa die berüchtigte Pendlerpauschale, mit der die Fahrt zum Arbeitsplatz steuerlich gefördert wird. Da ist die günstigere Besteuerung von Diesel – die neben Unternehmen und Haushalten auch Landwirten zugutekommt. Das Forschungsinstitut Wifo listet auf, dass zwischen 2016 und 2020 pro Jahr 4,1 bis 5,7 Milliarden Euro an klimaschädlichen Förderungen geflossen sein sollen.

Klimaschädliche Stellplätze

Manche Punkte aus der Liste der Förderungen sind diskussionswürdig. Die zweitgrößte klimaschädliche Subvention in der Wifo-Analyse ist, was ihren Umfang betrifft, die Verpflichtung für Bauherren in den Bundesländern, Stellplätze für Pkws zu errichten. Das ist im Grunde keine Förderung, sondern eine klimaschädliche Vorgabe. Bis zu 900 Millionen Euro werden hierfür dennoch pro Jahr an klimaschädlichen Subventionen eingerechnet, weil der Staat bei manchen Bauwerken mit Steuermitteln Zuschüsse gewährt.

Aber selbst wenn man diesen Punkt aus der Liste streichen würde, müssten andere dazukommen: Aktuell etwa unterstützt der Staat die Energierechnungen von Unternehmen mit mindestens 1,8 Milliarden Euro.

Schecks für die Pendler

Eigentlich wollten ÖVP und Grüne bei der Pendlerpauschale einen Schritt zur Ökologisierung setzen. Auch beim Tanktourismus hätte es Maßnahmen geben sollen. Der billige Sprit lockt vor allem ausländische Frächter an. Geschehen ist davon nichts, vor allem wegen der Pendlerpauschale streitet nun die Koalition. Beide Parteien werfen einander Blockade vor, beziehungsweise dass man Pendler schröpfen wolle.

Die deutschen Proteste führen Entscheidungsträgern tatsächlich vor Augen, wie heikel es wird, wenn selbst kleine Förderungen angetastet werden.

Zeigt das Beispiel sogar, dass solche Kürzungen unmöglich sind? Das deutet sich an. Zwar sind die Kürzungen in Deutschland fast über Nacht verkündet worden. Es gab keinen langen Verhandlungsprozess. Aber: Bei der Streichung der Agrardieselförderung in Deutschland geht es gar nicht um außertourliche Steuererhöhungen. Es geht um den Wegfall eines Zuschusses, den Bauern für ihre Tankrechnungen bekommen. Ein Privileg wird gestrichen. Das regt auf.

Klimaschädliche Subventionen

Nun gibt es praktische Gründe, die es nicht trivial machen, klimaschädliche Subventionen loszuwerden. Bestes Beispiel ist die Pendlerpauschale in Österreich: Diese wird laut Finanzministerium etwa 700.000 Beschäftigten gewährt.

Anspruch auf die große Pauschale haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn der Arbeitsplatz mit Öffis nicht erreichbar bzw. deren Benutzung "nicht zumutbar" ist. Die Höhe hängt von der Entfernung zur Arbeitsstelle ab. Bei zwei bis 20 Kilometer sind es 31 Euro pro Monat. Die kleine Pauschale gibt es, wenn der Arbeitsplatz mindestens 20 Kilometer weit weg ist, aber Öffis in der Nähe sind. Ob der öffentliche Verkehr tatsächlich genutzt wird, spielt bei der Förderung keine Rolle.

Einige Steuerexperten sind der Ansicht, die Pauschale ließe sich rechtlich nicht abschaffen: Österreichs Steuersystem baut auf dem Gedanken auf, dass der Staat nur auf das zugreifen soll, was Arbeitnehmer und Unternehmen wirklich verdienen, also nach Abzug ihrer Ausgaben.

Dieselprivileg

Pascal Schraml, Steuerexperte der Arbeiterkammer, sagt, wenn die Pauschale fiele, könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre tatsächlichen Kosten, etwa für Sprit, geltend machen. Damit wäre nichts gewonnen fürs Klima. Alles andere wäre seiner Ansicht nach wohl verfassungswidrig. Gute Einwände gibt es aber auch gegen das Ende des Dieselprivilegs. Für einen Liter Diesel beträgt die Mineralölsteuer 39,7 Cent und für einen Liter Benzin 48,2 Cent.

Die bevorzugte Besteuerung kommt, wie Berechnungen zeigen, zu einem großen Teil Unternehmen mit Fahrzeugflotten zugute. Wer das Dieselprivileg streicht, führt eine neue Belastung für Unternehmer ein.

Mehr Geld für Öffi-Nutzung

Aber für all die praktischen Herausforderungen gibt es Lösungsideen. Eine des Umweltbundesamtes dazu lautete, dass die kleine Pendlerpauschale künftig nur mehr ausbezahlt werden soll, wenn auch wirklich Bahn oder Bus genutzt werden. Nachweisen ließe sich das etwa mit einer Jahreskarte. Wer Öffis nicht nutzen kann, sollte eine verminderte Förderung erhalten, lautete die Idee des Bundesamtes, um mit dem Auto zu Bahn oder Bus zu kommen. Wer Unternehmen nicht belasten will, könnte Förderung für Diesel streichen und andere Steuererleichterung gewähren – ohne klimaschädliche Effekte.

Wenn die Dieselsubvention in Österreich fällt, braucht es auch für Landwirte eine Entschädigung. Die Branche ist ohne Zweifel einem Strukturwandel unterzogen und kämpft mit dem internationalen Wettbewerbsdruck. Nach und nach geben immer mehr Bauern auf. Wenn eine Gesellschaft ihre Landwirtschaft mit Subventionen erhalten will, ist das ihr Recht – aber die Förderungen ließen sich anders regeln als über Geld für die Tankrechnung.

Klimabonus ausweiten

Ein besserer sozialer Ausgleich innerhalb der Bevölkerung könnte etwa gelingen, wenn der Klimabonus ausgeweitet wird, mit dem in Österreich schon jetzt Einnahmen aus der CO2-Steuer rückvergütet werden. Das aktuelle Modell muss ohnehin verbessert werden, da es teilweise absurde Ausmaße annimmt. Etwa wenn Bezieherinnen in Niederösterreich und in Wien, die in derselben Straße wohnen, ein unterschiedlich hoher Betrag zusteht.

Veränderungsverlierer könnte man wohl auch mit zusätzlichen Kompensationen nicht vermeiden. Ein Dieselfahrer würde wahrscheinlich selbst mit Zuzahlungen künftig draufzahlen.

Leichtes Spiel für die Opposition

Die Frage lautet: Ist die Politik bereit, das hinzunehmen? "Wir leben in einer Zeit, in der Regierende öffentlichem Druck recht schnell nachgeben", sagt der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik. Zumal die politischen Grabenkämpfe beim Klimaschutz besonders aufgeladen wirken. Er ist auch überzeugt davon, dass Bauernproteste nur ein Vorgeschmack sind. Die Konflikte rund um Einschnitte im Zusammenhang mit dem Klimaschutz "werden uns die kommenden Jahrzehnte beschäftigen", sagt Ennser-Jedenastik. Wir müssen uns also auf so manche Sternmärsche einstellen. Mit und ohne Traktoren.

Der Widerstand in Deutschland wird jedenfalls auch in Österreich Spuren hinterlassen. In Berlin deutet sich an, dass der Konflikt den Konservativen in die Hände spielt. Er könnte CDU/CSU im kommenden Wahljahr stärken. Diese nützt den Protest für sich: Die Pläne der Ampel seien respektlos und missachtend, wettert die Opposition. Die Ampel liefere Bauern "ans Messer".

Das ist ein Grund mehr für die ÖVP, sich im Wahljahr nicht auf Abenteuer einzulassen und mit der eigenen Klientel anzulegen. Koalitionsabkommen hin oder her: Wenige Monate vor der Nationalratswahl würde jede Kürzung bei klimaschädlichen Subventionen in den Augen der Volkspartei nur die Freiheitlichen stärken. Diese machen keinen Hehl daraus, dass sie Österreichs Autofahrerprivilegien nicht angreifen wollen. Im Gegenteil. Sollte die FPÖ wieder in die Regierung kommen, könnte sogar der eine oder andere Zuschuss angehoben werden. Die Pendlerpauschale wurde in der Krise vorübergehend erhöht, aber schon länger nicht mehr an die Inflation angepasst. (András Szigetvari, Nora Laufer, 13.1.2024)