Kabarett Satire Tirol Grünmandl Landesthater
Gleich werden die Tiroler Alpen geschliffen und zugespitzt: Die Schauspieler Kristoffer Nowak, Christoph Kail, Julia Posch und Marie-Therese Futterknecht (v. li.) überlassen auch den Alpenblick nicht dem Zufall, sondern dem großen Otto Grünmandl.
APA/BIRGIT GUFLER

In den Banalitäten des Alltags dümpeln höhere Sinnfragen. Der Tiroler Kabarettist Otto Grünmandl (1924–2000) wusste aus diesem Pfuhl zu schöpfen. Etwa wenn er – wie im Programm Ich heiße nicht Oblomow (1978) – über die Gefahren der Nassrasur monologisierte. Man könnte sich dabei ins eigene Fleisch schneiden. Oder es könnte, schlimmer noch, beim Blick in den Spiegel etwas wie Selbsterkenntnis eintreten. "Sehen Sie, und auch deshalb glaube ich, ist das Nassrasieren nichts für die breite Masse. Ich meine, wo kommen wir da hin, wenn die Leute plötzlich anfangen, in den Spiegel zu schauen und dabei nachzudenken beginnen."

Dorthin sind wir bis heute nicht gekommen. Seine grotesken Logiken trug Grünmandl stets mit dem heiligen Ernst des Biedermannes vor. Nachahmung ist schwer möglich, in der von Alexander Kratzer für das Tiroler Landestheater inszenierten Collage Als Wappenadler bin ich eine Schildkröte behilft man sich mit einer beherzten Flucht nach vorne. Sprich, es wird ein bisschen schriller, als es manche verstiegenen Grünmandl’schen Gedankengänge vertragen.

Mitunter geht die Strategie aber auch auf und sorgt für unterhaltsame Szenen. Das nötige Futter dafür liefern die "Alpenländischen Interviews", die Grünmandl mit Theo Peer geführt hat. Ein beim Bergsteigen abgestürzter Kanarienvogel oder die Erfindung der Felsenzacken-Schleif-und-Zuspitz-Maschine sind herrlich zeitlose Satiren.

In den letzten Jahren wurde Grünmandl, dessen Geburtstag sich im Mai zum 100. Mal jährt, auch als Lyriker und Prosaist wiederentdeckt. Die von Kratzer und Elisabeth Schack erarbeitete Collage schöpft zwar auch aus diesen Texten und Privatbriefen, die von der Verfolgung der jüdischen Kaufmannsfamilie Grünmandl durch die Nazis erzählen, doch bleiben dergleichen Aspekte insgesamt im Hintergrund.

Kleinkarierte Tapete

Den Facetten der Person Grünmandl versucht man mittels Vervielfältigung beizukommen. Das siebenköpfige Ensemble, aus dem Petra Alexandra Pippan, Marie-Therese Futterknecht und Christoph Kail hervorstechen, tritt mit gescheitelten Perücken und in beigen Mänteln auf, unter denen Anzüge und Pullunder stecken (Kostüme: Alexia Engl). Katharina Cibulka hat ein Baustellengerüst auf die Drehbühne gestellt, in die verbale Wendungen ebenso eingepasst werden wie das kleinkariert tapezierte Grünmandl’sche Zimmertheater.

Solche Referenzen sind das Salz in der Suppe dieser nicht ganz runden Hommage, die vor allem auch von der Musikbearbeitung durch die Musicbanda Franui lebt: Es geht mit Trauermärschen ins Reich der Heiterkeiten und mit einem wiederkehrenden Gstanzl zu der Erkenntnis: "Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn’ ich mich aus". (Ivona Jelčić, 15.1.2024)