Das Ambiente sagt Wiener Café-Restaurant der Jahrtausendwende, das Essen hingegen zelebriert Tel-Aviv-Style-Hummus in köstlichen Varianten.
Das Ambiente sagt Wiener Café-Restaurant der Jahrtausendwende, das Essen hingegen zelebriert Tel-Aviv-Style-Hummus in köstlichen Varianten.
Gerhard Wasserbauer

Dass sich ein Restaurantprojekt in Wien etabliert, bevor es irgendwann in New York aufsperrt, passiert echt nicht alle Tage. Miznon, das kalkuliert chaotische Fastfood-Konzept des israelischen Kultkochs Eyal Shani, ist so ein Fall: Die Hütte mit den im Ganzen gegrillten Karfiolköpfen, den grandiosen Sandwiches und poetischen Speisekarten („Run over potato – Run over by a heavy stone, nursing on crème fraîche, garlic and dill“) war nach Tel Aviv und Paris tatsächlich in Wien offen, bevor dann nach New York expandiert wurde. Als Nächstes stehen Barcelona, Prag, Amsterdam und Berlin auf dem Programm, aber damit wird Yuval Zederman nichts mehr am Hut haben. Der Mann hatte den Start und die ersten Standorte der Liste als Eröffnungsmanager zu verantworten. Und hat sich dabei in Wien verliebt, wo er seit Ende vergangenen Jahres sein eigenes Lokal hat.

Okay, auf den ersten Blick wirkt The Hummus Workshop eher wie ein braves Café-Restaurant wienerischer Prägung, wie man sie aus den 1990ern kennt: Thonet-ähnliche Bestuhlung, reichlich Grünpflanzen und ein bisserl Fantasiestuck an der Decke, der das Minsk-Memphis-Design der Schank (halbkreisförmig, mit urntlich Messing und Säulchenoptik) stilistisch weiterspinnt. Immerhin: Der Holzboden ist echt, die massiven Holztische ebenso, wirkt alles hell und freundlich. Die bestehende Einrichtung erlaubte es Zederman, quasi ab Mietabschluss aufzusperren – auch eine gültige Prämisse. Die Gegend, ums Eck von der Servitengasse, ist sowieso eine der angesagtesten der Stadt. Das merkt man auch am Servitenwirt, den Altmeister Harald Brunner seit Weihnachten bekocht – mehr dazu kommende Woche.

"Hummus Workshop" ist als Name eh selbsterklärend: Das Kichererbsenmus (Hülsenfrüchte, wichtig, essen wir viel zu wenig!) wird hier mit täglich frisch eingeweichten und bis an die Zerfallgrenze weichgekochten Bio-Kichererbsen aus heimischem Anbau und unvernünftig viel von dem grandiosen Luxus-Tahini "Har Bracha" aus Israel zubereitet: von faserschmeichelnder Cremigkeit, aromatisch zart, ohne Aufdringlichkeit oder gar Knoblauchschärfe, wie man sie anderswo zu fürchten gelernt hat. Pures Wohlsein, Löffel um Löffel.

Cremiger Hummus mit wachsweich gekochtem Ei, dazu Kräutersalat aus frische Kräutern, Babyspinat, Radieschen und Apfel.
Cremiger Hummus mit wachsweich gekochtem Ei, dazu Kräutersalat aus frischen Kräutern, Babyspinat, Radieschen und Apfel.
Gerhard Wasserbauer

Dieses Hummus steht im Zentrum der Speisekarte. Es wird pur, mit nichts als noch mehr von diesem tollen Tahini, einem wachsweich gekochten Ei und fluffiger Pita serviert. Gibt es aber auch mit allerhand Toppings, da wird die Creme wie eine Leinwand interpretiert: für Ratatouille zum Beispiel, mit dicken, auf der Zunge zerfließenden Würfeln von sanft geschmorter Melanzani, Zucchini, Zwiebeln und Paprika – Wohlfühlessen, wie ein Gruß der fernen Sonne. Oder für gebratene, in Wein gedünstete Pilze, handfest, ohne aufdringlich zu sein. Mit gebratener Merguez, der forsch gewürzten Lammbratwurst aus der maghrebinischen Küchentradition, ist der Kontrast der Elemente, Konsistenzen, Aromen noch einmal auf andere Art reizvoll.

Vibration in Grün

Fluffige Pita, Oliven und Hummus, sowie cremiges Labneh, das durch rauchig gegrillte Melanzani veredelt wird.
Fluffige Pita, Oliven und Hummus sowie cremiges Labneh, das durch rauchig gegrillte Melanzani veredelt wird.
Gerhard Wasserbauer

Labneh, das dick abgetropfte, milde Joghurt, will man auch haben, in der Kombination mit rauchig gegrillter und gehackter Melanzani schon gar. Kräutersalat, eine ganze Schüssel Minze, Basilikum, Dill, Rucola, Babyspinat und Jungzwiebeln in Kombination mit dünn geschnittenen Radieschen und Granny Smith, ist Salat, wie man ihn sich nur wünschen mag: knackig, geradezu vibrierend grün, so vielfältig, dass er mit jedem Bissen auf andere Art köstlich schmeckt – danke.

Mit der marrokanische Suppe Harira kann man sich bei winterlichen Temperaturen schnell und einfach aufwärmen.
Mit der marrokanische Suppe Harira kann man sich bei winterlichen Temperaturen schnell und einfach aufwärmen.
Gerhard Wasserbauer

Wer meint, dass Essen wie dieses im Frühling noch einmal so attraktiv sein wird, der liegt natürlich nicht falsch. Deshalb empfiehlt sich, vorher Harira zu löffeln, den marokkanischen Kraftlackel von einer Suppe, mit allerhand Spalt- und Kichererbsen, Gewürzen und Gemüsen sowie einem Schüppel noch bissfester Nudeln – so holt man sich die Wärme schon vorab ins Innere. Vorsicht: kostet bloß 4,50 Euro, ist aber fast eine Mahlzeit für sich allein. (RONDO, Severin Corti, 19.1.2024)