Ist in einer polyamoren Beziehung die Mutter des Kindes mit einer der anderen Partner:innen verheiratet oder verpartnert, so wird diese Person automatisch mit der Geburt des Kindes zum Vater (wenn sie männlichen Geschlechts ist) oder zum "anderen Elternteil" (wenn sie weiblich oder dritten Geschlechts ist).

Nach der bisherigen Rechtslage konnte, wenn der biologische Vater des Kindes nicht der Ehemann oder eingetragene Partner der Mutter war, der biologische Vater dennoch rechtlicher Vater werden, wenn das Kind seinem Vaterschaftsanerkenntnis zugestimmt hat. Solange das Kind minderjährig war, war für die Zustimmung stellvertretend das Jugendamt zuständig, und überdies musste die Mutter den Anerkennenden als biologischen Vater bezeichnen.

Beziehung, zwei Männer, eine Frau, halten Hände
Wenn in einer polyamoren Beziehung eine Frau ein Kind bekommt, stellen sich in Hinblick auf die Vaterschaft mehrere Fragen – die durch das neue Gesetz nicht vereinfacht werden.
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Lebte also beispielsweise eine Frau mit zwei Männern und zeugte sie im Einvernehmen aller drei nicht mit ihrem Ehemann, sondern mit dem zweiten Partner ein Kind, und wollten die drei, dass der biologische Vater des Kindes auch dessen rechtlicher Vater wird, so war das auf dem oben genannten Weg – also mit Zustimmung des Jugendamtes – möglich. Nach der Volljährigkeit des Kindes auch ohne Jugendamt und Mutter.

Elternschaft wird verunmöglicht

Heute ist das nicht mehr möglich. Denn nach der neuen Rechtslage kann der biologische Vater nicht als rechtlicher Elternteil festgestellt werden, wenn das Kind mit seinem Wissen und Willen mit seinem Samen gezeugt wurde – auf welchem Weg, ob durch Geschlechtsverkehr, mit Bechermethode oder anders, ist gleichgültig – und der:die Ehepartner:in (oder eingetragene:r Partner:in) dieser Zeugung zugestimmt hat.

Die bisherige Möglichkeit, dass der biologische Vater durch ein Vaterschaftsanerkenntnis unter Mitwirkung der Mutter und des Jugendamtes die rechtliche Vaterschaft vom Ehemann (oder eingetragenen Partner) quasi "übernimmt", gibt es nur mehr, wenn die obigen beiden Voraussetzungen (wissentliche Zeugung und Zustimmung der:des Ehe- oder eingetragenen Partner:in) nicht erfüllt sind. Also bei Samenraub oder Kindeszeugung ohne Zustimmung der:des Ehe- oder eingetragenen Partner:in.

Einzige Möglichkeit: Adoption

Kommen aber beispielsweise in einer polyamoren Beziehung von einer Frau und zwei Männern die Beteiligten überein, dass die Frau nicht mit dem Ehemann (beziehungsweise dem eingetragenen Partner) sondern mit dem anderen Partner ein Kind zeugt, so wird ausschließlich der Ehemann (beziehungsweise der eingetragene Partner) rechtlicher Vater. Anders als bisher gibt es in solchen Fällen keine Möglichkeit mehr, dass der biologische Vater als rechtlicher Vater festgestellt wird. Auch nicht nach der Volljährigkeit des Kindes.

Die einzige Möglichkeit, wie der biologische Vater in solchen Fällen auch rechtlicher Vater werden kann, ist durch Adoption. Das Gericht darf eine Adoption freilich nur dann genehmigen, wenn sie das Kindeswohl fördert, also für das Kind nicht nur gleich gut ist sondern besser als die Vaterschaft durch den Ehemann (eingetragenen Partner) der Mutter. Außerdem darf man erst ab dem 25. Lebensjahr Kinder adoptieren. Eine Adoption wirkt auch nicht ab der Geburt, sondern ab dem Datum der Schließung des Adoptionsvertrags.

Die dargestellte Reduktion der Elternschaftsoptionen bei polyamoren Paaren besteht nicht, wenn die Mutter unverheiratet und unverpartnert ist. Dann kann jede Person durch Elternschaftanerkenntnis zweiter Elternteil des Kindes werden; und zwar nach dem Prinzip des Zuvorkommens: wer am schnellsten ist, wird zweiter rechtlicher Elternteil.

Auch bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung bleibt alles beim Alten. Erfolgt beispielsweise bei der oben angeführten polyamoren Beziehung die Samenspende mit medizinischer Unterstützung, so kann der biologische Vater weiterhin (wie bisher) durch Vaterschaftsanerkenntnis (unter Mitwirkung von Kind beziehungsweise Jugendamt und Mutter) die rechtliche Vaterschaft vom Ehemann (oder eingetragenen Partner) der Mutter übernehmen. Erfolgt die medizinische Unterstützung in einer dafür zugelassenen Krankenanstalt, gilt das (wie bisher) nur dann, wenn der biologische Vater bei der Überlassung des Samens deponiert, dass er als Vater festgestellt werden möchte. (Helmut Graupner, 18.1.2023)