Elektroautos sollten eine möglichst hohe Reichweite und eine kurze Ladezeit haben sowie in puncto Anschaffungskosten so günstig sein wie ein Auto mit Verbrennermotor – so lautet zumindest die Wunschliste der meisten Menschen, die über die Anschaffung eines E-Autos nachdenken. An die Batterie werden außerdem Anforderungen in puncto Antriebsleistung, Lebensdauer und natürlich Sicherheit gestellt.

All dies verspricht eine Technologie, die von Analysten als "Heiliger Gral" und "Gamechanger" der E-Mobilität bezeichnet wird: die Feststoffbatterie. Geforscht wird an dieser schon lange, Enttäuschungen gab es viele. Dennoch ist man optimistisch, dass sie irgendwann marktreif wird. Wichtige Meilensteine dafür könnten in diesem Jahr gesetzt werden.

Fliegende Autos

Dabei geht es nicht nur um Pkws, sondern auch um öffentliche Verkehrsmittel und die Vision des Lufttaxis. Denn dass diese noch nicht durch unsere Städte fliegen, liegt unter anderem daran, dass die Entwicklung der Batterietechnologie nicht so schnell vorangeschritten ist wie ursprünglich prognostiziert, hatte Dirk Hoke, CEO des deutschen Unternehmens Volocopter, zuletzt im Gespräch mit dem STANDARD erklärt. Volocopter will dieses Jahr Flugtaxis während der Olympischen Spiele in Paris abheben lassen, vorerst noch mit herkömmlichen Batterien.

Auch in einer Analyse von Porsche Consulting sieht man das Potenzial der Feststoffbatterien neben dem Verkehr auf der Straße auch in der Luftfahrt, und hier weniger in großen Passagier- und Frachtmaschinen, sondern in den "Electric Vertical Take-off and Landing Aircrafts" (eVTOLs), also kleine elektrische Zwei- bis Sechssitzer. Volocopter ist einer der Anbieter in diesem noch jungen Markt, ein weiterer deutscher Anbieter ist Lilium. Und auch diverse andere europäische Anbieter machen sich startklar für die Flugauto-Zukunft.

Ein Lufttaxi von Volocopter
Die Lufttaxis – im Bild: Volocopter – sollen dank Feststoffbatterien bis zu 1.000 Kilometer weit fliegen können.
Volocopter

Die Vorteile der Feststoffbatterie sind für eVTOLs ein reduziertes Gewicht, hohes Leistungsvermögen, das speziell für Start und Landung wichtig ist, sowie die erhöhte Sicherheit. Mittelfristig ist durch die Feststoffbatterie elektrisches Fliegen auf Kurzstrecken von bis zu 1.000 Kilometern denkbar, prognostiziert man bei Porsche Consulting. Und auch andere Bereiche könnten künftig elektrifiziert werden, die man sich heutig noch gar nicht vorstellen könne.

Unter den Unternehmen ist ein regelrechtes Wettrennen um die Vorherrschaft bei dieser neuen Batterietechnologie entbrannt, die Autohersteller forschen entweder selbst oder kooperieren mit Start-ups. Frank Blome, Batteriechef bei Volkswagen, sprach zuletzt gar von einem "Endspiel" in der Akkutechnik, das jeder Konzern gewinnen wolle. Doch wie funktioniert eine Feststoffbatterie? Warum soll sie so revolutionär sein? Und wie weit ist die Entwicklung schon fortgeschritten?

Wie eine (Feststoff-)Batterie funktioniert

Um diese Fragen zu beantworten, muss zunächst wieder ins Bewusstsein gerufen werden, wie eigentlich eine herkömmliche Lithium-Ionen-Batterie aufgebaut ist. Diese besteht aus zwei Polen, von denen einer positiv und einer negativ geladen ist. Zwischen ihnen gibt es eine Trennschicht, den Separator. Bei diesem handelt es sich in der Regel um eine Art Schwamm, der das flüssige Elektrolyt beinhaltet.

Durch diese Substanz können sich Lithium-Ionen bewegen. Beim Aufladen werden durch das Anlegen von Spannung negativ geladene Teilchen (Elektronen) vom positiven Pol zum negativen Pol geschleust, wodurch ein Ladungsungleichgewicht entsteht. Um dieses auszugleichen, bewegen sich positiv geladene Lithium-Ionen durch das Elektrolyt ebenfalls dorthin.

Gibt der Akku hingegen Strom ab, so erfolgt der Fluss der Elektronen und Lithium-Ionen in die umgekehrte Richtung. Dabei entsteht Spannung, die für den Betrieb von Autos, Handys oder anderen Geräten genutzt wird.

Terra X: Wie funktioniert eine Lithium-Ionen-Batterie?
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Der Unterschied zur Feststoffbatterie ist nun, dass diese keinen flüssigen Elektrolyt, sondern – wie der Name schon sagt – einen Feststoff verwendet. Versuche gibt es hier etwa mit einem Glas-Keramik-Material, durch welches sich die Lithium-Ionen ebenfalls bewegen können. Ein Vorteil, der sich daraus ergibt und über den sich die Experten einig sind: Während die in klassischen Lithium-Ionen-Akkus enthaltene Flüssigkeit entflammbar ist, sinkt die Brandgefahr bei einer Feststoffbatterie enorm.

Terra X: Wie funktioniert eine Feststoffbatterie?
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Schneller laden, höhere Reichweite

Neben der erhöhten Sicherheit wird Volkswagens Batteriechef Blome in einem Beitrag des ADAC zitiert, dass sich die Reichweite der E-Autos mit Feststoffbatterien gegenüber Lithium-Ionen-Akkus um 30 Prozent erhöhen, die Ladezeit halbieren könne. Bei Porsche Consulting zitiert man gar Fachleute, laut denen das Aufladen eines E-Auto-Akkus dann nur noch zehn Minuten dauern würde, also in etwa so lange wie das Tanken eines Benziners, da die Ionen schneller durch den festen Elektrolyt transportiert werden könnten.

Die prognostizierte höhere Reichweite ergibt sich durch die Möglichkeit, die Anode mit anderen Materialien aufzubauen. Anstatt wie bisher aus Graphit, könnte diese aus festem Lithium hergestellt werden, das sich elektrochemisch besser eignen soll. Bei Porsche Consulting spricht man hier von einer Erhöhung der Speicherkapazität im Verhältnis zum Gewicht um Faktor Zehn gegenüber Graphit. "Die höhere Energiedichte, die auf diese Weise erzeugt wird, erhöht den Energieinhalt bei gleichem Batterievolumen und lässt schon bis 2030 Reichweiten von über 750 Kilometern realistisch erscheinen", heißt es in der Analyse.

Der Zeitplan

Das Jahr 2030 ist jenes, das viele Analysten in diesem Bereich ins Auge fassen. So rechnete Hoke im Gespräch mit dem STANDARD damit, dass in der 2030er-Jahren die Nutzung an Klein-Luftfahrzeugen zunehmen wird, auch könnte ab 2030 laut Porsche Consulting die industrielle Produktion der neuen Batterien Fahrt aufnehmen. Dann soll die Feststoffbatterie auch eine mindestens so lange Lebensdauer wie die Vorgängertechnologie erreichen.

Fortschritte in der Entwicklung werden gemacht, doch wer ungeduldig ist, wird gezwungenermaßen enttäuscht. So wurden war bereits erste Prototypen entwickelt, die bei Raumtemperatur funktionieren – jedoch sind sich alle Experten einig, dass es bis zum Einsatz in der Großserie in Pkws noch ein paar Jahre dauern wird. Von einer hochautomatisierten Produktion, wie man es von Lithium-Ionen-Akkus kennt, ist die Branche noch weit entfernt.

Unter anderem hat der Hersteller Nissan bereits angekündigt, 2024 mit einer Pilotproduktion zu starten, 2028 soll das erste Serienauto mit der neuen Batterie auf den Markt kommen. Andere Prognosen sehen das Jahr 2027 für einen mögliche Markteintritt, dann allerdings vorerst im weniger preissensitiven Luxussegment. Der ebenfalls japanische Hersteller Toyota verkündete vergangenes Jahr einen Durchbruch, der 2027 oder 2028 eine Massenproduktion ermöglichen soll. In dem Fall soll die Festkörperbatterie in zehn Minuten aufgeladen sein und sogar 1.200 Kilometer Reichweite schaffen. Und auch der chinesische Hersteller Nio verkündete Ende 2023, in der Flaggschiff-Limousine ET7 eine Strecke von über 1.000 Kilometern zurückgelegt zu haben.

Entsprechend der anlaufenden Massenproduktion bei verschiedenen Herstellern im Jahr 2030 geht Porsche Consulting bis 2035 von Marktanteilen von fünf bis 15 Prozent für feststoffbatteriebetriebene Fahrzeuge aus. Das wären bis zu 35 Millionen Fahrzeuge, die dann auf den Straßen unterwegs sind.

Schon jetzt in Bussen im Einsatz

Doch nicht nur asiatische, auch europäische Anbieter haben das Feld der Feststoffakkus im Auge – und fahren damit auch erste Erfolge ein. So hat die Stadt Wiesbaden bereits 2021 Mercedes-Busse der Marke E-Citaro in Betrieb genommen, die teils bereits über eine Feststoffbatterie verfügen. Im Winter sollen diese Busse eine Reichweite bis zu 200 Kilometer erzielen, heißt es in einem Beitrag des Fachmediums "Electrive". Wermutstropfen: Für den Einsatz in Pkws sind diese Batterien noch nicht geeignet, da das Temperaturverhalten ein langes Vorwärmen vor dem Betrieb erfordert.

Mercedes E-Citaro
Mercedes

Ein anderer sehr ambitionierter Player auf dem Feld der neuen Batterietechnologie ist Volkswagen. Dieser hat lange Zeit intensiv mit dem Unternehmen Quantum Scape kooperiert, das sich auf die Entwicklung und Erforschung von Feststoffbatterien spezialisiert hat. Eigentlich sollte aus dieser Kooperation bis 2025 ein E-Golf mit 750 Kilometern Reichweite entstehen, doch zuletzt streckte VW auch die Fühler nach dem französischen Konkurrenten Blue Solutions aus – ebenjenem Unternehmen, das auch die Batterien für die besagten Mercedes-Busse produziert.

Außerdem soll Blue Solutions Entwicklungsvereinbarungen mit BMW und einem weiteren Unternehmen geschlossen haben, mit einem dritten Unternehmen sollen die Franzosen im Gespräch sein. Bis 2029 soll eine Gigafactory zur Herstellung der Batterien gebaut werden. Die Ladezeit für die aktuellen Batterien von Blue Solutions liegt bei vier Stunden und somit deutlich über jener von aktuellen Lithium-Ionen-Batterien – in Ordnung für Busse, die über Nacht im Busdepot geladen werden, aber ein No-Go für Pkws, die auch mal unterwegs getankt werden müssen. Von einer neuen Batteriegeneration erwartet sich das Unternehmen eine Ladezeit von 20 Minuten.

Konventionelle oder Feststoffakkus

Die aktuell noch lange Ladezeit und andere technische Herausforderungen haben jedoch viele Investoren und Analysten desillusioniert, jahrelange Forschung und hohe Investitionen scheinen bis jetzt noch nicht in marktfähige Lösungen gemündet zu haben. So sagte zuletzt Markus Schäfer, Technikchef bei Mercedes-Benz, dass er Feststoffakkus für überbewertet halte und in der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie noch viel Potenzial sehe. Tatsächlich haben die etablierten Akkus einen jahrelangen Vorteil in der Entwicklungszeit, den es erst einmal aufzuholen gilt. Tesla, Marktführer im Bereich der E-Autos, hat noch gar keine Pläne in Richtung der Feststoffakkus artikuliert.

Auch beim ADAC glaubt man, dass die neue Batterietechnologie den Lithium-Ionen-Akku nicht so schnell ersetzen wird, sondern dass diese zumindest koexistieren werden. Bei Porsche Consulting verweist man darauf, dass allein Volkswagen in den kommenden Jahren sechs Gigafabriken mit einem Gesamtproduktionsvolumen von über 240 Gigawattstunden errichten möchte. Allerdings, so Jens Leker, geschäftsführender Direktor des Instituts für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, könnten rund 40 Prozent der Maschinen in den heutigen Gigafactorys auch für die Herstellung von Feststoffbatterien verwendet werden.

Neben der Erforschung der Technologie müssen aber auch Produktionsprozesse und Lieferketten umgestaltet werden. Immerhin ist das in Feststoffbatterien verstärkt verwendete Lithium aus der Umweltperspektive alles andere als unbedenklich. Es gibt noch immer mehr offene Fragen als Antworten. (Stefan Mey, 1.2.2024)