Volocopter in Paris
In Paris werden noch relativ kurze Strecken geflogen, das könnte sich in Zukunft ändern.
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In diesem oder im nächsten Jahr werden in Europa die ersten kommerziellen Flüge mit Lufttaxis durchgeführt: Das ist ein Versprechen, das im Laufe des 21. Jahrhunderts in regelmäßigen Abständen immer wieder ausgesprochen, aber nie gehalten wurde. Diesmal soll es aber wirklich so weit sein, wie Dirk Hoke, CEO des deutschen Unternehmens Volocopter, prognostiziert. Die von seinem Unternehmen entwickelten und produzierten Luftfahrtgeräte sollen im Sommer 2024 in Paris fliegen.

Im vergangenen Jahr waren in der französischen Hauptstadt bereits Testflüge durchgeführt worden. "Voloports", quasi die Taxistopps für die futuristisch wirkenden Fluggeräte, wurden eingerichtet. Und es wurde regelmäßig getestet, wie die Bevölkerung auf derartige Pläne reagiert. Auch in anderen Städten und Regionen hat das deutsche Unternehmen seit 2016 regelmäßig Testflüge durchgeführt.

Warum dauert das so lange?

Dass sich der Siegeszug der Lufttaxis immer wieder verzögert hat, hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass vergangene Prognosen unter der Annahme getätigt wurden, die Batterieentwicklung würde schneller voranschreiten. Diese verzögerte sich aber, und die Anforderungen sind bei Fluggeräten deutlich strenger als bei Elektroautos: Aus Sicherheitsgründen wird die Batterie der rein elektrisch betriebenen Volocopter nur genutzt, bis ihre Kapazität bei 80 Prozent liegt, danach wird sie ausgetauscht. Denn während ein E-Auto bei einer leeren Batterie einfach stehenbleibt, wäre ein Ausfall bei einem fliegenden Gerät deutlich dramatischer.

Volocopter Lieferung
Neben Personen- könnten die Fluggeräte auch für Gütertransporte genutzt werden.
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Aus ähnlichen Gründen ist die Flugstrecke der Volocopter in Paris auf vorerst 21 Kilometer begrenzt: Schließlich muss das Gerät auch mit plötzlich aufkommendem Gegenwind und anderen Überraschungen klarkommen können.

Ein anderes Thema sind behördliche Genehmigungen, denn freilich sind diverse Zertifizierungen nötig, unter anderem für das Fluggerät per se, für den Betreiber und für diverse Dienstleister im Bereich Service und Wartung. Auch hier ist Sicherheit die oberste Priorität, die Behörden stützen sich oft auf bestehendes Luftfahrtrecht und fordern entsprechende bauliche Änderungen ein.

Zum Beispiel müssen alle Komponenten, deren Ausfall Schaden verursachen würde, "redundant" sein, bei einem Ausfall muss also ein Ersatzgerät einspringen können. Im Fall von Volocopter gilt das zum Beispiel für jene 18 Rotoren, die das Gerät fliegen lassen.

Leise, aber noch nicht autonom

Und ist die Genehmigung einmal da, so wird nicht wild in der Gegend herumgeflogen, sondern in fix definierten Luftkorridoren. Das hängt auch mit der Akzeptanz in der Bevölkerung zusammen. Für diese dürfte etwaige Lärmbelästigung übrigens weniger ein Thema sein, wie Hoke ausführt: Die Frequenz der elektrisch betriebenen Volocopter soll deutlich niedriger und somit auch weniger störend sein als das oft als lästig empfundene hochfrequente Surren kleiner Hobbydrohnen. Die Lautstärke soll bei rund 65 Dezibel liegen, das entspricht in etwa einer normalen Gesprächslautstärke.

Akzeptanzprobleme gibt es hingegen in einem anderen Bereich: dem autonomen Fliegen, also nur mit Passagieren, ohne Pilot. Dies wäre laut Hoke technisch bereits möglich, der Gedanke daran sorgt jedoch für Unwohlsein. Daher werden Volocopter und die meisten anderen Anbieter noch mindestens bis Ende des Jahrzehnts auf Piloten setzen, erst dann wird schrittweise auf autonome Flüge umgesattelt.

Schrittweise soll es leistbar werden

Während der ebenfalls aus Deutschland stammende Konkurrent Lilium an der Börse notiert ist, ist Volocopter rein durch private Geldgeber finanziert, doch auch hier haben die Investoren viel Geld in die Wette auf die Luftfahrt der Zukunft gesteckt: 600 Millionen Euro an Kapital sind bisher in das Unternehmen geflossen, durch eine aktuelle Finanzierungsrunde sollen weitere 300 bis 500 Millionen Euro hinzukommen.

Eine konkrete Bewertung des Unternehmens nennt der CEO zwar nicht, als "Unicorn" – also ein nicht an der Börse notiertes Unternehmen mit mehr als einer Milliarde Euro Bewertung – gilt Volocopter aber schon lange. Und das, obwohl noch kein nennenswerter Umsatz gemacht wird.

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Die "Voloports" sollen in bestehende Verkehrskonzepte integriert werden.
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Dies soll sich nach Hokes Vorstellung nun ändern. In diesem Jahr sollen bis zu 18 Fluggeräte produziert werden, außerdem wird in den nächsten Jahren die Infrastruktur ausgebaut. So sollen die Volocopter von den Voloports abheben, die wiederum in bestehende Verkehrskonzepte integriert werden: Denkbar wäre etwa, dass Personen am Flughafen aus ihrem Langstreckenflug aussteigen, mit einem Volocopter in die Innenstadt fliegen und schließlich per Auto an ihre finale Destination gebracht werden.

Lilium rechnet auf der eigenen Website vor, wie sich Kosten und Reisezeit unter solchen Bedingungen auf einer Reise von New York nach Philadelphia unterscheiden. So soll der Lilium Jet nicht nur das schnellste von drei Verkehrsmitteln sein, sondern mit 200 Dollar Kosten auch billiger als ein Taxi und nur geringfügig teurer als ein Zug.

Lilium

Laut Hoke werden die Flüge schrittweise günstiger werden. So werden in den Zweisitzern in Paris zunächst nur ein Pilot und ein Passagier Platz haben, die Kosten sind mit zehn bis 15 Euro pro Kilometer noch relativ hoch. Bei späteren fünfsitzigen Fluggeräten sollen die Preise auf drei Euro pro Kilometer sinken. Noch mehr Kostenvorteile sollen sich schließlich ergeben, wenn die Batterietechnologie Fortschritte macht und in den 2030er-Jahren das autonome Fliegen zur gelebten Praxis wird.

Rom, Neom – und Österreich?

Bei Paris soll es außerdem nicht bleiben. Auf der Agenda für die kommenden Jahre stehen unter anderem die italienische Hauptstadt Rom und das japanische Osaka – sowie die futuristische Planstadt Neom, die in der saudi-arabischen Wüste entstehen soll. Und Österreich?

Auch hierzulande gäbe es im Grunde einen Bedarf. Denn Fluggeräte wie jene von Volocopter sollen sich vor allem in abgelegenen Regionen bezahlt machen, wo keine U-Bahn fährt und ein regelmäßiger Bus- oder Bahnbetrieb nicht kostendeckend bewerkstelligt werden kann. Solche Gegenden gibt es in Österreich mehr als genug.

Und für die Pläne nach der Premiere in Paris ist Hoke überzeugt: "Wer heute noch skeptisch ist, der wird in zehn Jahren gar nicht mehr darüber nachdenken, sondern es einfach in seinen Tagesablauf integriert haben." (Stefan Mey, 20.1.2024)