Ein E-Auto wird geladen
Die Infrastruktur wird in Österreich mit Ökostrom betrieben, das hat neben moralischen auch wirtschaftliche Gründe.
IMAGO/Joaquim Ferreira

Auch 2024 werden diverse Anbieter mit neuen Modellen für Bewegung auf dem Markt der E-Autos sorgen, vor allem die verstärkte Präsenz chinesischer Hersteller kann zu sinkenden Preisen führen. Gleichzeitig wird hierzulande die Förderung für den Kauf von E-Fahrzeugen und Ladeinfrastruktur fortgesetzt, nachdem sie in Deutschland gestrichen wurde. Für Fans von E-Autos deutet sich also ein weiteres Wachstum an, das allerdings nur Sinn macht, wenn parallel dazu auch die Ladeinfrastruktur in Österreich ausgebaut wird. Und in dieser Hinsicht tut sich viel.

50 Prozent Wachstum pro Jahr

So gab es Anfang 2023 noch 16.000 öffentliche Ladestationen in Österreich, ein Jahr später sind es rund 24.000. Also ein Zuwachs von 50 Prozent, wie Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ), im Gespräch mit dem STANDARD erklärt. Auch für die nahe Zukunft sieht der Experte ein jährliches Wachstum von 50 Prozent, er erwartet, dass die Wachstumskurve erst nach 2030 abflacht und eine Sättigung eintritt. Dann dürfte der E-Auto-Anteil in Österreich zwischen 30 und 40 Prozent liegen.

Wohlgemerkt: Dabei werden nicht jene Ladestationen mitgezählt, die sich in Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie auf Firmenarealen befinden. Sie sind statistisch nicht erfasst, es dürfte sich laut Reinhardt aber um "zehntausende" handeln. Das ist insofern nachvollziehbar, als es derzeit über 155.000 elektrische Pkws in Österreich gibt und sich die meisten Privatpersonen allein aus Gründen der Praktikabilität parallel zur Anschaffung des E-Autos auch eine eigene Ladestation in die Garage stellen.

Acht Millionen Ladestellen

Der Experte zitiert jedoch auch eine Hypothese, der zufolge eine extrem hohe Anzahl an Ladestationen in Österreich prognostiziert wird. Hier wird davon ausgegangen, dass sich die Zahl der Ladestationen parallel zur Zahl der Elektroautos entwickelt und es immer ein wenig mehr Ladestationen als Fahrzeuge gibt, weil Stationen zu Hause parallel zu jenen auf Firmenarealen und im öffentlichen Raum positioniert werden. Würden die aktuell rund 5,1 Millionen Pkws in Österreich zu 100 Prozent auf E-Autos umgestellt, so die Annahme, dann könnte es in Zukunft acht Millionen E-Ladestationen in Österreich geben.

Aber das ist natürlich Zukunftsmusik. Und es ist nicht klar, wann – wenn überhaupt – eine derartig starke Verbreitung erreicht wäre. So liegt die Umschlagszeit für die Anschaffung von privaten Neuwagen zwischen 15 und 20 Jahren, und selbst dann ist nicht garantiert, dass jeder in den kommenden Jahrzehnten angeschaffte Neuwagen ein Elektroauto ist. Der überwiegende Teil der Elektroautos wird derzeit von Firmenkunden gekauft.

Woher kommt der Strom?

Doch das Wachstum ist aktuell vorhanden, daran besteht kein Zweifel. Und das schafft neue Herausforderungen: Denn was würde es zum Beispiel nützen, wenn das E-Auto mit Strom gefüttert wird, der erst recht wieder aus fossilen Energiequellen stammt? Hier betont Reinhardt, dass alle öffentlichen Ladestellen nur Strom aus erneuerbaren Energien – inklusive Wasserkraft – beziehen. Das hat moralische, aber auch wirtschaftliche Gründe: Entsprechende Förderungen gibt es nämlich nur, wenn der Strom nachweislich aus erneuerbaren Energiequellen stammt.

Selbiges gilt übrigens auch für Privathaushalte: Auch diese erhalten die Förderung zur Anschaffung einer eigenen Ladestation nur, wenn sie Ökostrom beziehen. Und auch für Betriebe ist die Anschaffung etwaiger Ladestationen ein möglicher Anlass, die Wahl der Energiequelle zu überdenken. Privatpersonen parken ihr Elektroauto außerdem oft in der eigenen Garage, welche wiederum manchmal mit Photovoltaikpaneelen bestückt wird, erzählt Reinhardt. Somit produzieren sie die Energie selbst, welche sie in ihr E-Auto einspeisen. Die Energieversorger und die Netzbetreiber wiederum füllen die Engpässe und gleichen Angebot und Nachfrage aus.

"Roaming" gibt es nicht nur bei Handytarifen

Verwirrend kann für Neulinge außerdem ein scheinbarer Wildwuchs an E-Ladestationen sein. So führt eine Google-Suche nach dem Begriff "E-Auto-Ladestationen" zu einer Vielzahl unterschiedlicher Anbieter, jeweils mit eigenen Tarifen, Standorten und Verträgen. Doch der Schein trügt. Denn die Lademanagementsysteme der Anbieter sind miteinander vernetzt und unterstützen einander.

Analog zur Handynutzung im Ausland wird es auch hier als "Roaming" bezeichnet, wenn etwa ein Kunde der Linz AG bei Ladestationen der Wien Energie tanken kann. Und zwar zu den Tarifen, für die er bei seinem eigenen Anbieter den Vertrag abgeschlossen hat. Informieren sollte man sich jedoch vor dem Urlaub, ob der eigene Anbieter auch eine Partnerschaft mit den Anbietern im Urlaubsland hat. So können Kunden der Linz AG laut Reinhardt zum Beispiel ihre Payment-Karte auch in benachbarten Urlaubsländern wie Italien und Kroatien verwenden, aber das sei nicht bei jedem Anbieter der Fall.

Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ)
Andreas Reinhardt, Vorsitzender des BEÖ: "Das Thema der Reichweite und Ladezeiten wird von jenen 97 Prozent der Bevölkerung diskutiert, die selbst kein E-Auto fahren."
BEÖ/Tom Son

Allerdings bieten die meisten Anbieter inzwischen auch die Möglichkeit, alternativ per Kreditkarte zu bezahlen. Und kommende EU-Regularien sollen den Bezahlprozess im europäischen Ausland weiter vereinfachen. Einen Überblick über die Situation von E-Ladestationen in Europa bietet unter anderem der ÖAMTC, der die Verbreitung der Ladesäulen in beliebten europäischen Auto-Reiseländern auch auf einer interaktiven Karte darstellt.

Schnell oder langsam laden?

Vorbei sind auch die Zeiten, in denen die Hersteller unterschiedliche Ladestecker für ihre E-Autos verwendeten, hier hat man sich laut Reinhardt inzwischen auf eine einheitliche Norm geeinigt. Variiert werden kann hingegen bei der Ladegeschwindigkeit: So wird zu Hause meist langsam und nachts via Wechselstrom geladen, unterwegs hingegen schneller mit Gleichstrom, der – je nach Fahrzeug – zwischen 50 und 350 Kilowatt ermöglicht.

Damit sei es möglich, das Auto innerhalb weniger Minuten so weit zu laden, dass es weitere 100 Kilometer fahren könne. "Das Thema der Reichweite und Ladezeiten wird von jenen 97 Prozent der Bevölkerung diskutiert, die selbst kein E-Auto fahren", sagt Reinhardt. "Für die restlichen drei Prozent ist das im Alltag nur noch selten ein Thema." (Stefan Mey, 13.1.2024)