Eine Auspuffanlage an einem Auto
Fast ein Jahrzehnt nach Auffliegen des Dieselskandals droht den Schummeldieselfahrzeugen der Entzug der Zulassung. .
Kirchner-Media/Wedel via www.ima

Am Mittwoch wird im Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht einmal mehr über den Dieselskandal verhandelt. Von der Deutschen Umwelthilfe geklagt wurde die Bundesrepublik Deutschland, konkret das für Kfz-Zulassungen zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Das nach der mündlichen Verhandlung zu erwartende Urteil könnte weitreichende Folgen für Dieselbesitzer in ganz Europa haben – und zwar unabhängig davon, von welchem Hersteller das Fahrzeug stammt.

Kommt das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die verharmlosend als Thermofenster bezeichneten und vom KBA zugelassenen Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung unzulässig waren, könnten tausende Dieselfahrzeuge, die zwischen 2009 und 2015 in Verkehr gebracht wurden, illegal unterwegs sein, weil die Zulassung durch das KBA nichtig wäre. Das gilt dann nicht nur für Fahrzeugmodelle des Volkswagen-Konzerns (VW, Seat, Škoda, Audi, Porsche), deren Dieselschummel 2015 ausgehend von den USA spektakulär als "Diesel-Gate" aufgeflogen war.

Zahlreiche Hersteller betroffen

Betroffen wären dann auch Autos anderer Hersteller wie etwa Fiat, Mercedes, Volvo oder BMW. Sie hatten – im Gegensatz zu VW – vom KBA genehmigte Abschalteinrichtungen verbaut, die allerdings der Europäische Gerichtshof inzwischen für unzulässig erkannte.

Ein ähnliches Verfahren gab es bereits im Winter 2023. Im Frühjahr urteilte das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, dass europaweite Kfz-Zulassungen auch beim Temperaturbereich europaweit gelten (müssen). Es könne nicht sein, dass die Abgasreinigung in den Sommermonaten wegen Hitze und in einem strengen Winter aufgrund der Kälte automatisch außer Betrieb genommen wird. Die eingesetzte Technik muss grundsätzlich geeignet sein, bei Umgebungstemperaturen in Estland ebenso zu funktionieren wie in Malta.

Lokale Schadstoffvermeidung

Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems dürfe nicht bei Bedarf verringert werden, hieß es im Urteil sinngemäß. Es komme schließlich auf die lokale Vermeidung von Stickoxid-Emissionen an, nicht auf jene gemäß unrealistischen Durchschnittstemperaturen.

Im nunmehrigen Verfahren geht es nicht mehr nur um einen VW Golf mit dem berühmt-berüchtigten Schummelmotor EA189 (dieses Urteil ist nicht rechtskräftig, es hängt in der Berufung). Es geht um 127 Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen das KBA, weil das Amt Zulassungs- und Typgenehmigungen für Fahrzeuge erteilt hat, in denen – zwischenzeitlich als verboten erkannte – Thermofenster verbaut sind. Ihre Abgasreinigung funktioniert nur zwischen zehn und 33 Grad vollständig. Über tausend Höhenmeter ist sie ebenso abgeschaltet wie außerhalb des Temperaturfensters.

Zulassungen nichtig?

In den Augen der Umweltorganisation hätte das Kraftfahrt-Bundesamt all diese europaweiten Typgenehmigungen nicht erteilen dürfen. Das KBA teilt diese Ansicht nicht. Entscheidet das Verwaltungsgericht wie im vorangegangenen Verfahren, wird das KBA wohl erneut den Instanzenzug beschreiten.

Bestätigt das für den Rekurs zuständige Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Spruch des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts, wären die Folgen einschneidend – und teuer. Denn die deutsche Zulassungsbehörde müsste die Autohersteller dann anweisen, den Schaden zu reparieren. Dies übrigens nicht nach den damaligen Schadstoffgrenzwerten, sondern nach den aktuell gültigen.

Die Abgasreinigung der Euro-5-Diesel müsste dann auf Euro 6d aufgerüstet werden, was die Autobauer nicht nur teuer käme, sondern auch technisch eine Herausforderung darstellen würde. Bei einem Teil der älteren Kfz wäre eine Reparatur vermutlich gar nicht möglich, sie müssten wohl stillgelegt werden.

Im Dieselland Österreich würde solch ein Verbot besondere Wirkung entfalten: Allein zwischen 2009 und 2025 wurden 1,6 Millionen Dieselautos zugelassen. Das Urteil ergeht schriftlich. (Luise Ungerboeck, 17.1.2024)