Windpark am Neusiedler See im Burgenland (Österreich) bei Illmitz
Die Windräder sind neu, den Neusiedler See aber gab es schon vor rund 25.000 Jahren.
W. Willner/imago/blickwinkel

Seit mindestens 8.000 Jahren erfreuen sich Menschen an einem Gewässer, das heute als Neusiedler See bekannt ist und sich an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn befindet. Die ältesten archäologischen Funde gehen auf Bronze- und Steinzeit zurück, die Römer nannten die Region nach dem dort lebenden keltischen Volk der Boier "Boierwüste". Der See selbst ist noch wesentlich älter. Genau ließ sich das bisher aber kaum messen, weil er so flach ist. Nun berichtet ein Forschungsteam der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien, der Universitäten Wien und Innsbruck sowie der Technischen Universität Graz, dass ihm dies mit neuen Daten gelungen ist: Schon vor 25.000 Jahren gab es den See, heißt es in einer Aussendung der Boku. Die zugehörige Studie wurde im Fachmagazin "Sedimentology" veröffentlicht.

In anderen Seen kann man aus der Tiefe des Grundes Bodenproben holen, um anhand der ältesten Schicht zu sehen, wie lange es sie schon gibt. Zumindest wenn die Ablagerungen weitgehend unberührt sind und sich einfach neue Sedimentschichten aufeinander bilden. Weil der Neusiedler See aber im Mittel nur 70 Zentimeter tief ist und stellenweise austrocknet, werden die Ablagerungen am Seegrund viel stärker verändert. Der Wind lässt Wellen entstehen, die den Boden permanent berühren und durchmischen.

Uralte Paläoform

Bisherige Spekulationen schwankten zwischen einem Alter von etwa 10.000 Jahren und sogar mehreren Millionen Jahren. Die meisten Quellen gehen von mindestens 13.000 Jahren aus, wobei die Salzlacken des Seewinkels weiter östlich auf mindestens 18.000 Jahre geschätzt wurden. Damals gingen die Vereisungen der letzten Kaltzeit zurück, gigantische Eisschilde schmolzen und hinterließen mancherorts neue Gewässer.

Die neue "Geburtsurkunde" des Neusiedler Sees liefert verhältnismäßig sichere Daten. In seiner heutigen Form – er ist mit 32.000 Hektar der größte abflusslose See in Zentraleuropa – existiert er seit etwa 6.600 Jahren. Seine noch größere Paläo-Version war etwa 25.000 Jahre alt. Die ältesten Ablagerungen, die nicht mehr von Wasser bedeckt sind, spürte die Forschungsgruppe nördlich des heutigen Sees auf, nahe der Gemeinde Jois. "Das Ergebnis hat mich erstaunt, weil das in die letzte Eiszeit fällt, wo eigentlich relativ wenig Wasser gewesen sein muss", sagt Studienautorin Stephanie Neuhuber vom Institut für Angewandte Geologie der Boku.

Wachsende Kristalle im Sediment

Untersucht wurden sogenannte Karbonatminerale, die sich aufgrund spezieller chemischer Vorgänge direkt aus dem Wasser des Neusiedler Sees auskristallisieren, sagt Neuhuber. Größere Minerale dürften wesentlich älter sein als kleinere, die erst "heranwachsen" müssen – so lautete die Vermutung, die das Forschungsteam bestätigen konnte. Es ermittelte daraus auch die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle. Diese ist relativ linear und extrem niedrig: Die Minerale wachsen lediglich um 200 bis 600 Nanometer pro 1.000 Jahre. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass der See in der Vergangenheit immer wieder ausgetrocknet war, wodurch das Mineralwachstum unterbrochen wurde.

Heute sorgt das Austrocknen des Sees für Veränderungen im Ökosystem. Auch der Tourismus steht unter Druck, wenn der Pegel niedrig ist. Dies hängt in der Region wiederum mit einem niedrigen Grundwasserspiegel zusammen, im Burgenland wird es klimakrisenbedingt immer trockener, und die Landwirtschaft benötigt entsprechend immer mehr Wasser. Die Entwicklung wird von Umweltschutzorganisationen kritisch gesehen, aber auch eine künstliche Zuleitung von Wasser in den See gilt nicht als Lösung des komplexen Problems. (sic, APA, 17.1.2024)