In Köln gingen Zehntausende auf die Straße, um gegen die AfD und die Pläne zur Massenvertreibung von Migranten, die der österreichische Identitäre Martin Sellner bei einem Treffen mit der Partei in Potsdam vorgestellt hatte, zu demonstrieren. Die AfD wird regelmäßig als rechtsextrem bezeichnet, der Verfassungsschutz hat einen mächtigen Landesverband als "gesichert rechtsextrem" und verfassungsfeindlich eingestuft, was einer Debatte über ein Parteienverbot Nahrung gibt. Die Brandmauer gegen Bündnisse mit der Partei wankt zwar in einigen Kommunen, aber eine Koalition mit den rechten Rabauken auf Landesebene bleibt ein Tabu.

Herbert Kickl und Alice Weidel
Gerngesehener Gast bei der FPÖ und Parteichef Herbert Kickl: AfD-Bundessprecherin Alice Weidel.
REUTERS/Leonhard Foeger

Die FPÖ sitzt im Europaparlament mit der AfD in einer Fraktion, ihre Bundessprecherin Alice Weidel ist bei den Österreichern ein gerngesehener Gast. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat mit Sellners "Remigration"-Visionen, wie er im jüngsten ORF-Interview erklärte, kein Problem, er hält keine Distanz zu den Identitären, er steht bei Sympathien für Russland der AfD nicht nach, und in seinen hetzerischen Bierzeltreden klingt er nicht anders als die schlimmsten Scharfmacher beim deutschen Nachbarn.

Aber anders als die AfD ist die FPÖ zwar umstritten, aber salonfähig – eine legitime rechtspopulistische Kraft, die in drei Bundesländern mitregiert und offen die Macht im Bund nach den nächsten Wahlen anstrebt. Sie wird nur selten rechtsextrem genannt, nur wenige gehen gegen sie auf die Straße, und niemand denkt ein Verbot auch nur an. Warum dieser Unterschied zwischen zwei Kräften, zwischen deren Weltanschauungen kaum ein Blatt Papier passt?

Nun, es gibt Differenzen in der Mitgliedschaft, der politischen Herkunft ihrer führenden Vertreter und der Rhetorik. Obwohl ursprünglich ein NS-Sammelbecken, war die FPÖ lange Zeit eine bürgerliche Honoratiorenpartei, und diese Tradition wirkt nach. Wenn AfD-Politiker auftreten, klingen sie noch radikaler als die FPÖ, ihre Angriffe auf das "System" fanatischer als selbst die bösesten Kickl-Reden. Kein FPÖ-Funktionär vertritt offen die deutsch-rassistische Ideologie, die etwa der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verbreitet, weshalb es Bestrebungen gibt, ihm politische Grundrechte abzuerkennen. Und wo immer die FPÖ mitregiert, setzt sie zwar höchst unsympathische symbolische Akte, hält aber dennoch die demokratischen Spielregeln ein. Beim offen rechtsextremen Personal der AfD wäre das womöglich anders.

Zu alldem kommt, dass in Deutschland einst eine rechtsextreme Partei über Wahlen die Macht errungen hat – und die historische Sensibilität daher höher ist als hierzulande.

Es wäre deshalb falsch, die FPÖ mit der AfD gleichzusetzen und damit auch ihre Wählerschaft in ein ultrarechtes Eck zu stellen. Sie bleibt zumindest äußerlich eine demokratische Kraft innerhalb des Verfassungsbogens. Aber die AfD und ihre Auswüchse sind ein guter Maßstab, um Kickls Rhetorik zu bewerten und gegebenenfalls zu verurteilen. Je mehr sich seine Formulierungen und Ziele mit jenen der deutschen Freunde überschneiden, desto lauter müssten andere Parteien, Medien und Vertreter der Zivilgesellschaft aufschreien.

Die blaue Nähe zur AfD ist auch eine Chance: Vielleicht gibt es doch genügend Wählerinnen und Wähler im Land, die ihre Stimme nicht einer Partei in so schlechter Gesellschaft geben wollen. (Eric Frey, 18.1.2024)