Ein Rechtsextremer darf seine faschistischen Träume von der Massenvertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland und Österreich bei einer Konferenz vorstellen, Mindestspende für Teilnehmende: 5000 Euro. Was wie eine schreckliche Dystopie klingt, ist real. Zumindest realer Plan. Der identitäre Extremist Martin Sellner spricht meiner Wahrnehmung nach in sicher nicht zufälligem Kontext zur Wannsee-Konferenz aus, was ultrarechte Mitglieder der AFD, aber auch der CDU sich gerne anhören.

Wer solche Menschen als Spinner bezeichnet, verharmlost die Gefahr. Die Gefahr, dass alles überwunden geglaubte, alles mit dem beruhigenden Siegel "Niemals wieder" geächtete, alles Vorstellbare und Unvorstellbare der Unmenschlichkeit wieder ausbrechen könnte.

Schild mit
Am Sonntag wurde in Berlin nach den Enthüllungen des rechten Geheimtreffens unter gegen die AFD protestiert. Der Titel der Demonstration: "Demokratie verteidigen"
EPA/CLEMENS BILAN

Dieser durch die Rechercheplattform "Correctiv" bekannt gewordene Auftritt Martin Sellners muss einen unmissverständlichen Wendepunkt für den gesamten deutschen Sprachraum bedeuten, diese Pläne der Massenvertreibung müssen mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft werden, solange es ihn noch gibt.

Vor unseren Augen erzählt uns einer, der selbst mit Terroristen in Verbindung gebracht wird, was er vorhat. Er will keine Gesetze ändern, sondern Millionen Menschen durch offene Aggression, brutale Ausgrenzung und soziale Hetze vertreiben. Der Mob zieht durch die Straßen und vertreibt Menschen nach Lust und Laune, wer sich nicht vertreiben lässt, muss mit seinem Ende rechnen.

Es geht nicht nur um Sellner

Die Feindbilder sind so klar wie umfangreich: Menschen, die anderswo geboren wurden, aber auch Menschen, die hier geboren wurden, aber Kinder oder Enkel von Zugewanderten sind, ja sogar Menschen, die mit den Verfolgten sympathisieren, sie alle stehen auf der Liste der "Remigration" Sellners.

Sellners Aktionen und Auftritte wären ohne die Identitären nicht denkbar, diese wiederum können nur bestehen, weil ihnen ultrarechte Netzwerke oder Parteien wie die FPÖ die ideologische Bresche in die Gesellschaft schlagen. Herbert Kickl bezeichnete bereits öffentlich die identitäre Bewegung als "NGO von rechts" und will sich nicht von ihr distanzieren. Und eine FPÖ kann umso besser den Identitären Wege öffnen, je mehr sie von der ÖVP in Regierungsverantwortung gelassen wird. Sellner hat also sehr viele Helfershelferinnen.

Es geht nicht um Sellner allein. Es geht um all jene, die wie Sellner konkrete faschistische Pläne haben, aber es geht auch um jene, die deren unglaubliches Treiben verharmlosen und kleinreden. Wer mit Rechten Alltagspolitik macht, ist der Ermöglichung und Komplizenschaft schuldig. Wer jetzt nicht alarmiert ist, wird mitverantwortlich.

Die nächsten Tage werden es zeigen: Sind die Gesellschaften und die politisch Verantwortlichen in Österreich und Deutschland fähig, dieser rechtsextremen Lawine samt unverhohlener Ansage etwas entgegenzustellen? (Bernhard Jenny, 16.1.2024)