Die Festnahme des 26-jährigen kurdischen Türken Hamza U. während seiner Hochzeit am vergangenen Samstag im Schloss Vösendorf, nur Minuten bevor er und seine deutsche Braut Gundula Maria B. einander das Ja-Wort geben konnten, schlägt weiter hohe Wellen. Dem STANDARD liegen neue Details zu dem Fall vor, die der Darstellung der Behörden zum Teil widersprechen.

Zerbrochene Eheringe aus Papier
Polizeieinsatz und Abschiebung haben die Ehe Hamza U.s und Gundula Maria B.s vorerst verhindert – so die beiden in der Türkei heiraten, kann er jedoch nach Österreich zu ihr zurück.
IMAGO/imagebroker

Laut dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), in dessen Auftrag ein Dutzend Fremdenpolizisten an jenem 13. Jänner in die Trauung hineinplatzten, soll es im Vorfeld 13 Versuche gegeben haben, Hamza U. festzunehmen. Diesen habe sich der Mann durch "Untertauchen" entzogen. "Dem BFA war der Eheschließungstermin des Genannten bekannt, und daher wurde als einzige Möglichkeit die Vollziehung der Festnahme im Rahmen der Eheschließung im Jänner 2024 gewählt", heißt es in einer Stellungnahme.

Standesämter müssen Polizei verständigen

Tatsächlich sind die Standesämter seit Jahren verpflichtet, den Fremdenbehörden Eheschließungen von Drittstaatangehörigen zu melden: eine Maßnahme, um sogenannte Scheinehen zu verhindern. Laut dem Anwalt des Paares, Gregor Klammer, informierte die zuständige Standesbeamtin das BFA am 3. Jänner von der bevorstehenden Hochzeit, die schon Wochen davor angemeldet worden war.

Der Festnahmeauftrag für Hamza U., auf dessen Grundlage dieser in Schubhaft gebracht und am Dienstag dieser Woche in die Türkei abgeschoben wurde, sei daraufhin am 5. Jänner ergangen. "Es war das eindeutige Ziel des BFA, die Hochzeit zu sprengen", schließt der Anwalt daraus.

Bräutigam hatte seit neun Monaten einen fixen Job

Vor allem aber, so Klammer, habe es in den Monaten davor keine gescheiterten Festnahmeversuche gegeben. Hamza U. sei nämlich Tag für Tag an seinem Arbeitsplatz leicht auffindbar gewesen. Tatsächlich war der junge Türke seit 11. Mai 2023 in Vollzeit als Buffetkraft im beliebten Mittagstischbistro seines Onkels in einem Wiener Markt angestellt. Dort lernte er auch die ebenfalls angestellte Gundula Maria B. kennen. Dem STANDARD liegt die bis Mai 2024 laufende Beschäftigungsbewilligung des AMS für Hamza U. vor.

Bei dem Onkel – Anwalt Klammer: "Ein sehr gut integrierter Mensch, der unter anderem den Polizeiball sponsert" – war der junge Türke ordentlich gemeldet. Auch die Wohnadresse der Braut, wo sich Hamza U. häufig aufhielt, war den Behörden bekannt.

Laut BFA ermöglichte der Umstand, dass das Asylverfahren des Türken wenige Tage vor der Hochzeit negativ abgeschlossen wurde, Festnahme und Abschiebung. Tatsächlich wies der Verwaltungsgerichtshof den Revisionsantrag des Anwalts in der Sache Anfang Jänner ab, womit die Ablehnung internationalen Schutzes rechtskräftig wurde.

Festnahme, um Unterschrift unter Ehevertrag zu verhindern

Die spektakuläre Fremdenpolizeiaktion am Standesamt dürfte aber vielmehr darauf abgezielt haben, die Unterschrift des Paares unter dem Ehevertrag zu verhindern. Durch diese nämlich hätte Hamza U. sofort Aufenthaltsrecht in der gesamten EU erhalten.

Besagtes Aufenthaltsrecht als Ehemann der Deutschen Gundula Maria B. ergibt sich aus einer der wichtigsten Regelungen innerhalb der EU: der Personenfreizügigkeit. Sie garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern der Union, in einem anderen EU-Staat als dem Heimatland zu leben und zu arbeiten – mitsamt der Familie. So sollen Hürden für den unionsweiten Arbeitskräfteaustausch verringert werden.

Rütteln an EU-rechtlichem "Grundpfeiler"

Aus dieser Regelung ergibt sich, dass auch verheiratete oder verpartnerte drittstaatangehörige Partnerinnen und Partner von EU-Staatsangehörigen sowie deren Kinder unionsweit Aufenthaltsrecht haben. In den einzelnen Staaten, darunter Österreich, wurde dies für Einheimische ausgeschlossen: Fragen des Fremdenrechts sind in der EU nicht harmonisiert, sondern nationale Sache. Eine nichtösterreichische EU-Bürgerin wie Gundula Maria B. jedoch, die hierzulande arbeitet und lebt, kann dieses Recht für sich und ihren Partner in Anspruch nehmen.

Insofern habe das BFA versucht, durch die Hochzeitssprengung "Fakten zu schaffen", sagt Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. Die Aktion rüttle an einem "Grundpfeiler" der EU. Der Umstand, dass der Asylantrag Hamza U.s wenige Tage davor rechtskräftig abgelehnt wurde, sei weniger relevant.

Gleich nach Abschiebung zum Heer einberufen

Um internationalen Schutz hatte der Türke im Jahr 2022 in Österreich ersucht. In der Türkei stehe seine Einberufung bevor, brachte er vor. Als Angehöriger der kurdischen Minderheit müsse er damit rechnen, gegen Angehörige seiner eigenen Volksgruppe im syrischen Kurdengebiet eingesetzt zu werden, die die Türkei auch in den vergangenen Tagen wieder bombardiert hat.

Tatsächlich wurde dem abgeschobenen Türken bei der polizeilichen Einvernahme unmittelbar nach seiner Ankunft der Einberufungsfehl ausgehändigt. Diesem soll er nun binnen 14 Tagen nachkommen.

Kucharowits fragt den Innenminister

Der Asylantrag wurde abgelehnt, was etwa bei der SPÖ-Nationalratsabgeordneten Katharina Kucharowits Zweifel aufkommen lässt, "ob dem Innenministerium die Lebensumstände der kurdischen Minderheit in der Türkei bekannt sind und ob beurteilt werden kann, wie hoch die Bedrohungslage für diese Minderheit ist". Sie hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zu dem aktuellen Fall eine parlamentarische Anfrage gestellt.

Wie es mit dem türkisch-deutschen Paar jetzt privat weitergeht, ist unklar. Sollten die beiden in der Türkei heiraten, könnte Hamza U. auf Basis der EU-Personenfreizügigkeit seiner Frau mittels eines beschleunigten Familienzusammenführungsverfahrens rasch wieder nach Österreich zurückkommen. Der abgelehnte Asylantrag hätte dann keinerlei Folgewirkung mehr. (Irene Brickner, 18.1.2024)