Kafka.Maurer.Komisch.
Stummfilmstars? Nein, Thomas Maurer (li.) mit Franz Kafka.
Pertramer

Die Lektüre der Verwandlung mag ihn in seiner Schulzeit gequält haben, dass es damals aber noch kein ChatGPT gab, um die Hausübungen an diesen outzusourcen, hat Thomas Maurers Verhältnis zu Franz Kafka offenbar nicht nachhaltig geschädigt. Dem "morbiden" Autor, dessen Geschichten immer "ohne Pointe" ausgehen, widmet er zum 100. Todestag den Abend Kafka.Maurer.Komisch. Scherzen, vorlesen, kontextualisieren, so der Bauplan. Die Frage lautet: "Wie kommt man auf so was?"

Warum etwa schläft der Käfer Gregor Samsa in einem von der Familie umzingelten Durchgangszimmer? Ganz einfach: Der Autor tat es auch. Und zog trotzdem erst mit 32 Jahren aus und dann ständig um, weil die eine Zimmerwirtin flüsterte ("desto schlimmer") und in der anderen Unterkunft über ihm ein "Lärmapparat" zum ohrenbetäubenden Einsatz zu kommen schien.

Maurer durchmisst mit Kafkas Briefen und Einträgen zur Hand dessen Jammertal. Ganz gleich wie der Zeichner Nicolas Mahler jüngst in den Büchern Komplett Kafka und Kafka für Boshafte zum Jubiläum. Im Proceß steht dem lebensschwachen Josef K. in Maurers Lesung der "erschreckend lebenstüchtige Onkel" – fabelhaft alle Stimmverstellungen am Premierenabend im Wiener Rabenhof – mit donnernder Stimme gegenüber. Viel lustiger als die – klassisch an einem Tisch mit Wasserglas – etwas länglichen Lesungen in der ersten Hälfte des Abends sind die knappen Passagen aus der Korrespondenz, die Maurer zu diversen Lebensbereichen collagiert: Seien es die Briefe an die Verlobte Felice Bauer über Fräsköpfe oder die Beschwerden an den Freund und Nachlassretter Max Brod über die hohe Zahl an Arbeitsunfällen ("alle Leitern rutschen"), die er bearbeiten muss.

Körper, Geist und Gegenmittel

Ob es um Kafkas Körper ("schäbige Brust"), seine Ernährung (ein vegetarischer Reformkostspeiseplan, ätzt Maurer, mit dem Kafka heute in einem Bobobezirk nicht negativ auffiele), seine Sanatoriumsaufenthalte ("Routinier" nennt Maurer ihn) oder mehrfache Verlobungen (das beste "Gegenmittel" gegen das ihm auch nicht genehme Junggesellendasein) oder Wien (reist er hin oder nicht?) geht: In dem Stakkato aus Kafka und Kommentar wird der Abend fulminant, rutscht das Witze-Lesungs-Verhältnis ins Positive. Man lernt auch das pragerdeutsche Wort "prallen" für furzen. So hat man nach zwei Stunden einen Crashkurs Kafka hinter sich, der das Genie beider an diesem Abend Beteiligten ausweist. (Michael Wurmitzer, 18.1.2024)