FPÖ-Chef Herbert Kickl ließ sich beim Neujahrstreffen der FPÖ in der Steiermark feiern.
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Als selbsternannter Elmayer, der die Nation wieder das gute Benehmen lehren will, das seit seinem Antreten in der Politik dringendst gefragt wäre, hat Kickl beim Neujahrs-Schnitzelsemmeltreffen mit Erlösungsgarantie den Bogen seiner Goebbels-Imitation doch ein wenig überspannt. Sich einem Bierzeltpublikum als blauer Herkules zu empfehlen, das nicht ahnt, um wie viel besser ihm die Rolle eines Thersites passen würde, heißt, aus der Ahnungslosigkeit des busweise herangekarrten Publikums billigen Applaus zu gewinnen und es reif zu machen dafür, dass er, statt den Augiasstall seiner eigenen Partei zu reinigen, die Peiniger und Unterdrücker des Volkes noch heuer "zu Boden ringen" will. Was nicht vorrangig zu den zwölf Aufgaben des besagten Herkules gehört hat.

Volkskanzlertraum

Legt man an seinen Auftritt zivile Maßstäbe an, dann hat er damit seinen Anspruch auf eine Kanzlerschaft nicht bekräftigt, sondern sie in später Erkenntnis seiner Vergeblichkeit preisgegeben. Wie könnte er es mit seiner Ehre als autochthoner Erlöser, wenn er denn eine solche hat, vereinbaren, Volksverräter und Corona-Folterknechte aus dem Swingerklub der Machtlüsternen in eine Koalition aufzunehmen, ohne die sich sein Volkskanzlertraum nicht verwirklichen lässt?

Bei einem Sturm auf das Kanzleramt könnte er sich auf historische Tradition berufen, diese Alternative ließ Kickl aber in seinem Premstättener Programm noch nicht aus dem Sack. Vielleicht kommt es ja noch, denn es sind noch acht Monate bis zur Wahl, und es ist schwer zu erkennen, wie er sich in dieser Zeit noch steigern kann. Die Möglichkeiten eines Bauchredners in der Sprache des Dritten Reichs sind auch in seinem Österreich noch immer ein wenig begrenzt. Konzentrationslager für Volksverräter? Standrecht und Todesstrafe für Peiniger des Volkes? Ausweisung in ein fernes Musterland? Wer weiß, was durch freiheitliche Gehirne wabert. Aber solange es nicht ausgesprochen ist, wird das Geschwafel von den Volksverräter allein auf Dauer nur noch Gähnen hervorrufen. Und solange nicht mehr kommt, wirkt Kickl eher wie ein Hasardeur, der erkannt hat, dass er seine Ansprüche überzogen hat, dies aber seinen Anhängern vorenthalten muss, und sie deshalb mit aufwühlenden Beschwörungen sediert.

Erlösung oder Nichterlösung

Nur die ÖVP hat sich im Bund ein Hintertürl für eine Koalition mit der FPÖ offengelassen, allerdings strafmildernd ohne Kickl. Einige Funktionäre haben sich über diese Variante hinaus auch mit Kickl persönlich beschäftigt. Innenminister Karner hat ihn einen "schäbigen Schaumschläger" genannt, Hanger hat die von ihm geführte Partei als "in ihrem Wesen korrupt" bezeichnet. Wie sie sich verhalten werden, wenn ein Wahlergebnis vorliegt, bleibt abzuwarten. Aber wenn Kickl sich vom Herkules zum Obelix steigert und die Türkisen sich solcher Gewalt ergeben, kommen die Staatsbürger und Staatsbürgerinnen vielleicht doch noch in den Genuss einer Regierung, in der schäbige Schaumschläger und Volksverräter einander in den Armen liegen und Österreich einer Erlösung nicht mehr entgehen kann.

Im Nichterlösungsfall bleibt als Frage von einem gewissen Allgemeininteresse: Was wird Kickl die nächsten fünf Jahre machen? Weiter Volksverrat im Swingerklub der Machtlüsternen, das hält der stärkste Gallier nicht aus, und blauer Feinsinn schon gar nicht. Vielleicht Volksbundespräsident? (Günter Traxler, 19.1.2024)