Herbert Kickl
FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach beim Neujahrstreffen seiner Partei von einem "Schicksalsjahr".
APA/ERWIN SCHERIAU

Der Himmel für die FPÖ ist an diesem Samstag strahlend blau: Draußen heißt ein riesiges Banner die Besucherinnen und Besucher bei kaltem, aber sonnigem Winterwetter zum "Neujahrstreffen 2024" willkommen. Am Eingang werden den Leuten "Volkskanzler"-Buttons in die Hand gedrückt, drinnen gibt die blaue Schlagertruppe John Otti Band gecoverte Hits und eigene Kracher zum Besten. In traditioneller Manier starteten die Freiheitlichen in der Schwarzlhalle in Premstätten bei Graz ihren Auftakt in dieses "Schicksalsjahr", wie es FPÖ-Chef Herbert Kickl später in seiner einstündigen Ansprache bezeichnen wird.

Umgeben von einem Meer an rot-weiß-roten und grün-weißen Fahnen zogen Kickl und Steiermarks Landesparteichef Mario Kunasek – beide ebenfalls mit Österreich- beziehungsweise Steiermark-Flagge in Händen – in die randvolle Halle ein. Begleitet wurde deren Einzug nicht nur musikalisch von der blauen Hausband, sondern auch von lautstarken "Herbert, Herbert"-Sprechchören.

"FPÖ – wer sonst", "Kickl macht's" und "Neustart 2024" ist auf den Tafeln, die Fans in der Schwarzlhalle hochhalten, zu lesen.
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"Blauer Herkules gegen politische Hydra"

Als Kickl – beim Einmarsch als "künftiger Volkskanzler" angekündigt und später als "zukünftiger Bundeskanzler der Republik Österreich" begrüßt – die Bühne betrat, gab es im Publikum kein Halten mehr. "Jetzt ist es da, das Jahr der Entscheidung, das Jahr der Wende, das Schicksalsjahr hat begonnen", ruft der Parteichef in die Menge.

Im Anschluss waren die gewohnten Rundumschläge gegen sämtliche politische Mitbewerber zu hören. Ein Auszug: Kanzler Karl Nehammer bezeichnete Kickl als "dead man walking", die Parteispitzen der anderen Parteien außerdem als "Swingerclub der Machtlüsternen". Überhaupt verstehe er nicht, warum ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos – von Kickl als "Einheitsparteien" tituliert – im Zuge der Wahl nicht auf einer einzigen Liste kandidieren, denn sie alle hätten dasselbe Ziel: "einen freiheitlichen Volkskanzler" und "die FPÖ an erster Stelle" zu verhindern. "Tretet doch gemeinsam an, habt doch den Mumm", sagte der blaue Parteichef, der auch schon eine Idee hat, wie sich eine solche Liste nennen könnte: "Liste Volksverrat würde gut passen."

Noch sei "die dunkle Seite der Macht am Werk", allerdings werde "der blaue Herkules gegen diese politische Hydra mit den schwarzen, roten und rosaroten Köpfen" ankämpfen, poltere Kickl. Im Eingangsbereich wurden passend dazu Fußmatten mit dem Schriftzug "Bitte abtreten" – darauf abgebildet die Konterfeis türkis-grüner Regierungsmitglieder – vertrieben.

Und auch die Medien bekamen ihr Fett ab: "Statt Fakten gibt es nur noch Haltung, statt Fairness nur noch Parteilichkeit, statt Information gibt es Manipulation und Fake News." Denn alles sei "Recht, wenn es dazu dient, die freiheitliche Partei nur irgendwie schlechtzumachen".

Im Eingangsbereich wurden Fußmatten mit dem Schriftzug "Bitte abtreten" – darauf abgebildet die Konterfeis türkis-grüner Regierungsmitglieder – vertrieben.
Sandra Schieder
Auch die beiden von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker verfassten Bücher über Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) versuchte man gleich im Doppelpack an den Mann und die Frau zu bringen.
Sandra Schieder

FPÖ als "leichte Beute für die anderen"

Der blaue Parteichef skizzierte außerdem, wie er die FPÖ sieht – oder vielmehr gerne hätte, dass andere die Partei sehen. Diese sei keine rechtsextreme Partei, sondern eine Art Volkspartei. "Lasst euch von niemandem einreden, dass wir rechtsextrem sind, wir sind nichts anderes als die Mitte der Gesellschaft." Kickl, der betonte, "aus einer Arbeiterfamilie zu kommen", bezeichnete sich selbst "als einzigen Normalo in diesem Haufen von Systemlingen". Die Strategie scheint aufzugehen: Die FPÖ ist nämlich längst keine Partei mehr, die nur den rechten Rand anspricht – mit diesem würden sich in Umfragen keine 30 Prozent erreichen und schon gar keine Wahlen gewinnen lassen.

Kickl blickte außerdem zurück und nach vorne: Nach der Ibiza-Affäre sei die FPÖ noch "schwach, angeschlagen und leichte Beute für die anderen" gewesen. Mittlerweile sei die Partei "stark, selbstbewusst und bereit, sich mit den Mächtigen anzulegen". Und Kickl verspricht, dass "der Wahnsinn", oder zumindest das, was er darunter versteht, "bald ein Ende" habe und "die Erlösung nahe" sei.

"Blaue Kraft" und "rot-weiß-rote Wende"

Kickls Vorredner – Steiermarks Landesparteichef Mario Kunasek und EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky – streuten ihrem Parteichef Rosen und gaben einen Ausblick, wie sie dessen Kurs auf Landes- beziehungsweise EU-Ebene umsetzen wollen. Kickl werde "endlich wieder Politik für die eigenen Leute machen" und dafür sorgen, dass die "schwarz-grüne Belastungsregierung" aus dem Amt gewählt werde, sagte Kunasek.

Kunasek, der im Herbst als Spitzenkandidat eine Landtagswahl zu schlagen hat, hatte zuvor außerdem angekündigt, dass das "grüne Herz in einigen Monaten mit blauer Kraft schlagen wird". Über den Finanzskandal rund um veruntreute Klubgelder in der Grazer FPÖ – die Justiz ermittelt seit zwei Jahren, im Vorjahr wurde auch Kunasek in die Liste der Beschuldigten aufgenommen – haben Kickl und Kunasek wenig überraschend keinerlei Wort verloren.

Der Freitagabend offiziell für die EU-Wahl zum Spitzenkandidaten gekürte Vilimsky wiederum fand in einer kurzen Ansprache scharfe Worte in Richtung EU: "Dieser Laden muss zusammenschrumpfen", außerdem müsse man "diesem Laden Kompetenzen wegnehmen". Parallel zur "Festung Österreich" wolle er "eine Festung Europa implementieren" und "Schluss machen mit diesem ganzen Wahnsinn der Green-Deal-Ideologien". Vilimsky ist sich jedenfalls sicher, dieses Jahr werde "ein Jahr der rot-weiß-roten Wende".

Kritik an Kickls Rede

Für Kritik sorgte Kickls Rede bei den anderen Parteien. Die ÖVP sah diesen einmal mehr als "Sicherheitsrisiko" entlarvt. "Von Fantasien von blauer Parteipropaganda in Schulbüchern bis hin zu Fahndungslisten von politischen Mitbewerbern gab es alles, was im Repertoire eines Sicherheitsrisikos nicht fehlen darf", sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Die SPÖ warnte indes davor, dass Kickl "einen Angriff auf die demokratischen Grundpfeiler unserer Republik und auf unseren Rechtsstaat" und einen "Umbau hin zu einer Autokratie" plane. Gleichzeitig sei klar, dass die FPÖ vorhabe, sich die eigenen Taschen vollzustopfen, meinte Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder. Kickl würde mit „einem Hetzparolen-Hammer um sich" schlagen, kritisierte Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer. Gefehlt hätten in der hasserfüllten Rede dagegen Lösungsvorschläge für die Menschen in diesem Land und konkrete Ideen für die Zukunft. (Sandra Schieder, 13.1.2024)