Herbert Kickls letzte Station seiner "Heimattour" führte ihn ins Gasthof zur Post in Seekirchen am Wallersee in Salzburg.
Florian Voggeneder

"Und das ist erst der Anfang!" ist auf einem Plakat der FPÖ mit dem Konterfei von Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek in Seekirchen am Wallersee in Salzburg zu lesen. Seit Montag ist im Bundesland nämlich der "Luft-Hunderter" auf der Tauernautobahn zwischen Salzburg und Golling Geschichte, nun gilt wieder Tempo 130. Und geht es nach Svazek, die für die verkehrspolitische Maßnahme verantwortlich zeichnet, ist es damit längst noch nicht getan – nicht im Land, und auch nicht im Bund.

Das stellt das weibliche Aushängeschild der männlich dominierten FPÖ nicht nur auf dem Plakat, sondern Freitagabend wenige Hundert Meter davon entfernt auch im Gasthof zur Post im Ortskern von Seekirchen unmissverständlich klar. Sie gibt die Einheizerin für Parteichef Herbert Kickl, dessen letzte Station seiner Anfang Oktober im steirischen Hartberg gestarteten "Heimattour" ihn in die 20 Autofahrminuten von der Stadt Salzburg entfernte Ortschaft im Flachgau führte.

Der "Luft-Hunderter" auf der Tauernautobahn in Salzburg ist seit dieser Woche Geschichte. Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) ließ ihn aufheben.
Sandra Schieder

"Wir brauchen Freiheitliche auf allen Ebenen" ruft Svazek in die Menge des knackevollen Veranstaltungsaales. Einen Platz ergatterten überhaupt nur jene, die bereits eine halbe Stunde vor Einlass um 17 Uhr Schlange gestanden waren. Das sorgte durchaus auch für Unmut unter den Besucherinnen und Besuchern. "So a Schas, ka Plotz mehr", ärgerte sich eine Frau kurz nach 17 Uhr. Dass kein größerer Veranstaltungssaal organisiert worden sei, sorgte bei einem Mann für Unverständnis: "Ich verstehe das nicht, warum so ein kleiner Raum?", fragte er. Wobei, ganz so klein war der Saal nun auch wieder nicht – 200 bis 300 Leute fanden darin schon Platz.

Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek gab auf der Bühne die Einheizerin.
Florian Voggeneder

Vom Unmut war jedenfalls keine Spur mehr, nachdem die ersten Getränke und Schnitzelsemmerl gereicht wurden und die Musik langsam aufspielte und für gute Stimmung sorgte. Auf den Tischen wurden rot-weiß-rote Fahnen zum Mitschwingen platziert. Außerdem lagen dort Scheckkarten mit RFID-Blocker – sie sollen im Geldbörsel vor Datendiebstahl bei Kredit- und Bankkarten schützen – zur Mitnahme bereit.

Auf den Tischen wurden rot-weiß-rote Fahnen zum Mitschwingen platziert.
Florian Voggeneder

Gewohnte blaue Rundumschläge

Kurz nach 18 Uhr zog schließlich das blaue Trio Kickl, Svazek und Generalsekretär Michael Schnedlitz mit rot-weiß-roten Fahnen und unter tosendem Applaus sowie den von anderen blauen Veranstaltungen bekannten "Herbert, Herbert"-Rufen ein.

In den nachfolgenden politischen Reden der blauen Granden waren die gewohnten Rundumschläge gegen sämtliche politische Mitbewerber zu hören, auch die traditionelle Medienschelte kam nicht zu kurz. Ein Auszug: In der türkis-grünen Bundesregierung würden "die größten Versager sitzen, die jemals ein Regierungsamt innehatten", "Burger King" Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) würde sich nicht um die Bürger, sondern nur um Burger kümmern, dessen Generalsekretär habe ein "Vollmondgesicht", Vizekanzler Werner Kogler bezeichnete Kickl als "grindig" und SPÖ-Chef Andreas Babler als ein "faules marxistisches Früchtchen", der das "Zeug zum Bussi Bär" habe. Noch tiefer in die rhetorische Schublade griff zuvor schon Kickls Generalsekretär Schnedlitz, der roten Parteigranden despektierlich "ein Kampfgewicht jenseits der 120 Kilo" attestierte.

Herbert Kickl skizzierte der blauen Basis, wie sich das Land unter freiheitlicher Führung verändern wird.
Florian Voggeneder

Ein wenig zog sich der Plakatspruch "Und das ist erst der Anfang!" wie ein roter Faden durch den Abend. Nachdem die FPÖ mittlerweile in drei Landesregierungen sitzt, nutzte Herbert Kickl seine gut einstündige Rede auch dafür, der blauen Basis zu skizzieren, wie sich das Land unter freiheitlicher Führung auf Bundesebene verändern werde. "Es wird Rauschen und es wird Verletzungen und Verwundungen geben", prophezeite Kickl mit kaum verhohlener Vorfreude.

Unter ihm als Kanzler sei etwa die ORF-Haushaltsabgabe, die ab Jänner eingehoben wird, gleich wieder "Geschichte", auch der "Öko-Kommunismus" habe dann ein Ende. Sozialleistungen kämen wieder den Österreicherinnen und Österreichern zugute, das Kinderbetreuungsgeld werde dann zu einem "Müttergehalt" ausgebaut.

Ausführlich widmen will man sich außerdem dem Thema Corona. Die von der Regierung getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bezeichnete Kickl einmal mehr als den "größten Anschlag auf die Grund- und Freiheitsrechte", dem unter blauer Kanzlerschaft "die größte Aufklärungsaktion, die es in dieser Republik je gegeben hat" folgen werde. Die Impfpflicht sei ein "brutaler Übergriff" auf das Recht über den eigenen Körper gewesen. Die Menge johlte.

Fast so, als gebe es irgendwelche Zweiflerinnen und Zweifler im Publikum, stellte Kickl schließlich unmissverständlich klar: Politisch geplant sei "eine totale Hinwendung zur eigenen Bevölkerung und eine Abwendung von denen, die glauben, über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden zu können". Man werde sich "anlegen mit allen, die es nicht gut gemeint haben mit euch" und diesem "System den Stecker ziehen", sagte Schnedlitz und zählte beispielhaft die anderen Parteien, Medien und den Bundespräsidenten auf. "Unser Ziel ist, dass mit der Stunde der Volkskanzlerschaft die Stunde des Volkes schlägt." Svazek wiederum ist sicher, dass die "Nationalratswahl zur Schicksalswahl" werde und der Kanzler in zwölf Monaten Herbert Kickl heißen werde. "Jetzt geht es los in Richtung 'Projekt Volkskanzler'."

Mit fortschreitender Uhrzeit wurde die Luft in dem Saal immer dünner. Das hielt aber kaum jemanden davon ab, nicht bis zum Ende der politischen Reden durchzuhalten. Vielleicht war es aber auch der Wunsch, im Anschluss noch einen Händedruck oder ein Foto mit dem blauen Parteichef zu ergattern.

Großer Andrang bei Schneiderin

Bereits Stunden zuvor hatte Schneidermeisterin Heidi Beer in einem zur mobilen Schneiderei umfunktionierten Wohnmobil alle Hände voll zu tun. Seit 15 Uhr konnte in dem FPÖ-gebrandeten Gefährt, das vor dem Gasthof zur Post stationiert war, Kleidung zum Nähen, Kürzen und Ändern vorbeigebracht werden – gratis. Eine Stunde später harrte bereits ein ganzer Stapel an Jacken, Hosen und Mäntel seiner Bearbeitung.

"Der Andrang ist hoch, die Leute bringen alles", erzählt Beer dem STANDARD. Oft bleibe zu wenig Zeit, alle Kleidungsstücke noch am selben Abend zu bearbeiten. Die Schneidermeisterin bietet deshalb auch an, die Stücke in ihre eigene Schneiderei ins niederösterreichische Felixdorf mitzunehmen und schließlich den Leuten per Post zu schicken, was gerne und oft angenommen werde.

Sie und ihr Gatte hätten Herbert Kickl im Jänner beim traditionellen Neujahrstreffen in Wiener Neustadt kennengelernt und seien ins Gespräch gekommen. Dieses hatte das Paar besucht, weil sie aus der Gegend kommen und sich Kickl "einmal anhören" wollten. Monate später seien die beiden von Kickl gefragt worden, ob sie im Rahmen der „Heimattour“ Interesse an einem Einsatz als mobile Schneiderei hätten. Seit Anfang Oktober reisen sie mit der Partei nunmehr quer durchs Land.

Schneidermeisterin Heidi Beer hatte alle Hände voll zu tun.
Florian Voggeneder

Auch Petra bringt ihren Mantel zur Schneiderin, den sie secondhand in England erworben hat. Es fehlt an einigen Stellen die Naht. Die gebürtige Wienerin hat dort viele Jahre gelebt, ehe sie nach Ausbruch der Corona-Pandemie mit ihrer Familie nach Österreich zurückgekehrt ist. Sie erzählt dem STANDARD von ihrem Leben, etwa, dass sie seit mittlerweile drei Jahren in Salzburg lebt und einst Umweltwissenschaften studiert hat, "weil ich die Natur so gerne habe und die Welt so mag".

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Frau auf der falschen Veranstaltung ist und bei den Grünen besser aufgehoben wäre. Tatsächlich erzählt sie schließlich, dass sie "jahrelange Grün-Wählerin" gewesen sei und vor Corona "nie in die Nähe der FPÖ gegangen" wäre. Das "schreckliche Coronajahr" 2020 hätte bei ihr aber zu einem Umdenken und sie zur FPÖ geführt. Damals sei sie auch der FPÖ beigetreten, es sei für sie an der Zeit gewesen, "Farbe zu bekennen".

Kanzleranspruch kein Luftschloss

Gegen Schluss seiner Ansprache sagte Kickl schließlich, er wolle "so etwas wie ein Familienvater für die Familie Österreich", sein. Genauer gesagt "Stimme und Sprachrohr, Werkzeug und Instrument, Diener und Beschützer". Die Umfragen, die die FPÖ seit bald einem Jahr mit großem Abstand anführt, seien bislang "nur Möglichkeiten, wir wollen daraus eine Wirklichkeit machen", sagte Kickl.

Was an diesem Freitagabend deutlich zu spüren ist: Für die blaue Basis im Gasthof zur Post ist Kickl schon vor den in knapp einem Jahr zu schlagenden Nationalratswahlen ihr Volkskanzler. Für sie ist der Kanzleranspruch kein blaues Luftschloss mehr – sondern zum Greifen nahe. Und das, obwohl weit und breit kein Koalitionspartner für Kickl in Sicht ist und Bundespräsident Alexander Van der Bellen schon zu Jahresbeginn unumwunden in den Raum stellte, einen Kanzler Kickl nicht angeloben zu wollen.

Für die eingefleischten Kickl-Fans steht an diesem Abend außer Frage, dass auch Medienvertreterinnen und -vertreter ihren Beitrag leisten würden, einen Kanzler Kickl mit allen Mitteln zu verhindern. "Das wird wieder böse Artikel morgen geben", meinte einer während Kickls Rede. (Sandra Schieder, 18.11.2023)