Die FPÖ war wieder einmal schnell. Auf seiner Facebook-Seite warnt Parteichef Herbert Kickl bereits vor dem Weg hin zu einem "Totalverbot von Bargeld". "Das ist ein Anschlag auf den freien Bürger", schreibt Kickl da. "Heute sind es 10.000 Euro, und morgen diskutieren wir schon über eine weitere Senkung der Obergrenze." Bis dann eben das Verbot kommt.

Worüber sich der freiheitliche Politiker so aufregt, ist eine in der Nacht auf Freitag verkündete Einigung in der EU. Unterhändler der Ländervertreter und des EU-Parlaments haben sich auf ein neues Anti-Geldwäsche-Paket geeinigt, das die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Zu den neuen Regelungen gehört auch eine Bargeldobergrenze in Höhe von 10.000 Euro. Künftig wird es untersagt sein, bei geschäftlichen Transaktionen einen Barbetrag zu bezahlen, der darüber hinausgeht.

Der Kampf gegen Geldwäsche wird verschärft.
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Was ändert sich konkret durch das Verbot für die Bürgerinnen und Bürger in der EU? "Praktisch nichts", sagt der deutsche Kriminologe und Geldwäscheexperte Kai Bussmann, der das Economy & Crime Research Center an der Universität Halle leitet. Weiterhin dürfe jeder so viel Bargeld zu Hause haben, wie er oder sie möchte, auch wenn das der Experte aufgrund des höheren Einbruchsrisikos nicht empfiehlt. Das Geld kann auch weiter ausgegeben werden, aber eben pro Transaktion nicht mehr als 10.000 Euro. Dabei gilt, dass für Privatgeschäfte eine Ausnahme besteht. Wer einen Gebrauchtwagen bar kauft, kann das weiter tun. Im geschäftlichen Umgang greift das Verbot.

Für die Effektivität des Gesetzes sei das allerdings keine wesentliche Einschränkung, so Bussmann, der von einem "Schritt in die richtige Richtung" spricht. Weniger als ein Prozent der Bürgerinnen und Bürger führen Bargeldtransaktionen oberhalb der neuen Grenze durch. Auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen spielt Bargeld keine wirkliche Rolle, abgerechnet wird hier natürlich via Bank. Auch die Steuern werden mit Giralgeld bezahlt. Studien hätten gezeigt, dass sich der größte Teil des Bargeldvolumens im kriminellen Sektor befinde, sagt Bussmann mit Verweis auf Arbeiten des US-Ökonomen Kenneth Rogoff.

Hoffnung auf mehr Transparenz

Allerdings: "Gerade im Immobiliensektor, beim Kauf von Premium-Automobilien, Booten und Yachten sowie im Kunststektor wird es nun schwieriger, Geld zu waschen", so der Experte Bussmann. In diesen Bereichen ist das Risiko für Geldwäsche besonders hoch, hier sind auch hohe Bargeldzahlungen nichts Ungewöhnliches. In der Gastronomie diene Barzahlung vielfach dazu, Steuerverpflichtungen zu vermeiden. Auch dort werde das nun erschwert, weil die Investition größerer Bargeldmengen unterbunden oder praktisch doch erschwert werde.

Durch die Verpflichtung, solche Transaktionen künftig mit einer Bank durchzuführen, erhofft sich die EU mehr Transparenz. Banken sind verpflichtet, im Rahmen bestehender Geldwäscheregelungen zu prüfen, woher ihre Kunden die Mittel haben. Transaktionen im Bankensystem können im Gegensatz zu Bargeldzahlungen von den Behörden im Verdachtsfall nachvollzogen werden. "Wer gegen Bargeldgrenzen kämpft, setzt sich für die Interessen von Terroristen und Geldwäschern ein", so Bussmann.

In den meisten europäischen Ländern gibt es bereits Bargeld-Obergrenzen. In Italien liegt sie seit Jänner 2023 bei 5000 Euro, in Frankreich sind es für Steuerinländer sogar nur 1000 Euro. Die neue Regel ist demnach ein Kompromiss zwischen Staaten mit bestehenden, und zum teils strengeren Obergrenzen und jenen Ländern wie Österreich und Deutschland, die das noch nicht haben.

Staaten müssen Regeln umsetzen

Dem Gesetz müssen Europaparlament und Mitgliedsstaaten noch formal zustimmen. Danach haben die Mitgliedsstaaten im Regelfall zwei Jahre Zeit, die neuen Bestimmungen umzusetzen. Greifen würden sie demnach ab 2026. Die EU-Länder dürfen auch Grenzen unterhalb von 10.000 Euro festlegen, aber nicht darüber. Die Überwachung der neuen Regeln sollen nationale Behörden übernehmen, koordiniert von einer neuen europäischen Antigeldwäschebehörde (Anti Money Laundering Authority, Amla). Der Sitz der Amla wird heuer festgelegt, auch Wien hat sich dafür beworben.

Da Österreich ein Land sei, indem Bargeld besonders beliebt sei, sei die gewählte Grenze von 10.000 Euro schon ein vernünftiger Wert, sagt Brigitte Unger, ehemalige Professorin an der Universität Utrecht und Spezialistin für Geldwäsche. Auch schon in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens gebe es diesen Grenzwert: Wer etwa mit Gold handelt, muss sich ab Barzahlung jenseits der 10.000 Euro ausweisen.

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Und auch sie argumentiert ähnlich wie Bussmann: Mit Ausnahme von Top-Verdienern und ein paar Unternehmern, die vielleicht höhere Geldbeträge in bar bunkern und sich nun sorgen, wie sie es legal ausgeben können, werde die Obergrenze in der Praxis niemanden tangieren. "Allerdings weiß man, dass die Mafia große Geschäfte weiter in bar abwickelt", so Unger. Deshalb sei eine Beschränkung schon förderlich, wobei sie hinzufügt, dass jede Regel auch umgangen werden kann, wie wirksam die Grenze sei, müsse sich also erst zeigen.

Teil der neuen Regeln sind auch Auflagen für Personen und Gesellschaften, die Handel mit Juwelen, Luxusautos, Privatflugzeugen und Schiffen betreiben. Sie müssen künftig ähnlich wie Banken prüfen, wer ihre Kundinnen und Kunden sind. Und: Ab 2029 soll das auch für größere Fußballvereine gelten. Investitionen in Fußballklubs sind ja in den vergangenen Jahren ein begehrtes Geschäft geworden. Vorgesehen ist auch, dass der Kryptosektor strenger reguliert wird. Hier lassen sich Transaktionen nachverfolgen. Künftig sollen auch die Anbieter digitaler Währungen ihre Kunden kontrollieren, bei Transaktionen ab 1.000 Euro.

Und was ist nun mit dem Argument der Freiheitlichen, die Abschaffung des Bargelds werde geplant? Niemand wolle das, sagt Experte Bussmann.

Aus dem ÖVP geführten Finanzministerium unter Magnus Brunner heißt es, man sei grundsätzlich gegen die Obergrenze gewesen, im Gesamtpaket trage man die Lösung mit. Eingesetzt habe sich Österreich gegen eine niedrigere Grenze. K"lar ist, dass das Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel nicht in Frage gestellt werden darf", so Brunner laut Aussendung. Entscheidend sei aber, dass private Transaktionen nicht umfasst sind, die Oma dürfe also dem Enkel auch weiter einen Betrag über 10.000 Euro schenken. (András Szigetvari, 19.1.2024)

Video: Im Juli 2021 diskutierte der damalige Finanzminister Gernot Blümel mit Expertinnen und Experten über eine Obergrenze für Bargeldzahlungen.
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