Klar ist es eine populistische Scheindebatte. Klar haben die Berater von Kanzler Karl Nehammer die Idee einer Verankerung des Bargelds in der Verfassung von der FPÖ (und anderen rechten Polit-Akteuren) abgekupfert. Aber Nehammer hat trotzdem eine Stelle in der Seele der Österreicherinnen und Österreicher erwischt: Bargeld ist einfach beliebt.

Das Volksbegehren zur "Beibehaltung des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs", initiiert von einem Unternehmer und seiner Angestellten, lief im September 2022 und erreichte beachtliche 530.938 Unterschriften. Nach einer Umfrage vom Anfang des Jahres zahlen 97 Prozent auch oder überwiegend mit Bargeld. Schätzungsweise sind noch immer 65 bis 70 Prozent aller Transaktionen in bar.

Bargeld
Mit Bargeld zu zahlen, ist in Österreich beliebt.
REUTERS/DADO RUVIC

Eine erst kürzlich veröffentlichte Umfrage des Marketmind-Instituts im Auftrag der Nationalbank und der Münze Österreich zeigt die Motive der Bargeldliebhaber: 44 Prozent wollen sich Gebühren für Bankomat und/oder Kreditkarte ersparen, Menschen mit niedrigem Einkommen finden "Bares ist Wahres" einfach richtig. Nicht wenige ältere Personen kommen möglicherweise mit bargeldlosen Formen nicht so gut zurecht.

Und dann gibt es eine nicht kleine Schicht, die offenkundig die ziemlich dichten Verschwörungstheorien fast durchwegs sehr rechter Parteien, Persönlichkeiten und (Des-)Informationsplattformen glaubt. Demnach gibt es eine Verschwörung in der EU, aber auch der internationalen Finanzwirtschaft, das Bargeld abzuschaffen. An vorderster Front behaupten das die extrem rechten Parteien FPÖ und die deutsche AfD. Und warum das alles? Um die Bürger digital zu überwachen und mit "einem Social-Scoring-System wie in China zu verbinden", behauptet der "Finanzexperte" Markus Krall in einem Interview mit dem unter "Querdenkern" verbreiteten Blog Tichys Einblick. Oder um den "Weg in die totale Kontrolle" zu ebnen, wie der Autor Norbert Häring auf dem "Selberdenker"-Blog Nachdenkseiten schon vor Jahren behauptete. Dahinter stünde ein "eng geknüpftes Netzwerk" mit Larry Summers, dem ehemaligen US-Finanzminister, dem Ökonomen Ken Rogoff und dem ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi. Die wollten Abhebungen bei Bankenpleiten unmöglich machen.

Aber es ist doch was dran, oder? Tatsächlich arbeitet die EU-Kommission an einer Geldwäscherichtlinie, wonach es zu einer Bargeld-Obergrenze von 5000 Euro kommen werde. Und das habe ihm sogar der ÖVP-Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, bei einem Hintergrundgespräch in Brüssel bestätigt, behauptete der FPÖ-Abgeordnete Peter Wurm kürzlich in einer Pressekonferenz. Und die rechte (Des-)Informationsplattform Exxpress titelte: "FPÖ warnt: EU täuscht Bürger, Bargeld-Obergrenze von 5000 € bereits beschlossen".

"Absoluter Blödsinn", sagt Karas dazu im Gespräch mit dem STANDARD. Zwar verhandle die EU tatsächlich eine Geldwäscheverordnung mit einer Obergrenze zwischen 7000 und 10.000 Euro. Da gehe es aber nicht um die Begrenzung des Besitzes von Bargeld, sondern um die Verwendung im Zahlungsverkehr. Mehr als sieben bis 10.000 sollen nicht bar auf die Kralle rübergeschoben werden können. Aber viele Bürger können das nicht so auseinanderhalten. Und manche werden bei manchen (nicht kriminellen) Geschäften unter Freunden weiter größere Summen in Cash abwickeln wollen.

Aus diesem Mix von geschürtem Misstrauen gegenüber dem "System" und schlechter Erklärung von EU-Vorhaben entsteht die diffuse Angst vor der Abschaffung des Bargelds. (Hans Rauscher, 5.8.2023)