Produzent Ulrich Gehmacher und Regisseurin Tizza Covi bei
Produzent Ulrich Gehmacher und Regisseurin Tizza Covi bei "Diverse Geschichten".
Stefan Diesner

"Biester" heißt der aktuelle ORF-Versuch, den "Vorstadtweiber"-Erfolg anno 2015 zu wiederholen und gleichzeitig ein junges, streamingaffines Publikum zu erreichen. Dass die Serie über junge Frauen, die aus verschiedenen Wiener Milieus stammen, um Diversität bemüht ist, sieht man ihr deutlich an. Schrill prallen überzogene Dialekte und die verschiedenen Stadtteile (Ottakring, Favoriten und Döbling) in dem schwerfälligen Drehbuch aufeinander. Die Satire, die bei "Vorstadtweiber" noch aufging, wirkt bei "Biester" wie ein fehlplatziertes Feigenblatt. Das geht auch besser.

Kulturelle Vielfalt sichtbar machen

Das neue ORF-Gesetz und die Standortanreize durch Fisa+ und OFI+ sollen nun (Streaming-)Koproduktionen ins Land holen. Da wären ein paar frische Ideen im Köcher nicht schlecht. Wie man diese fördert und sichtbar macht, zeigt das Drehbuchprogramm "Diverse Geschichten", das heuer zum zwölften Mal stattgefunden hat. Angehende Drehbuchautorinnen und -autoren können im Rahmen einer Ausschreibung ihre Ideen einreichen und anschließend mithilfe von erfahrenen Coaches erarbeiten.

Die Initiative wurde 1999 von Ursula Wolschlager und Robert Buchschwendter ins Leben gerufen und pausierte während der Corona-Pandemie drei Jahre lang – auch wegen des frühen Todes Wolschlagers, der bei der Lesung am Donnerstagabend im Metro-Kinokulturhaus gedacht wurde. Produzent Ulrich Gehmacher, dessen Orbrock Filmproduktion der neue Veranstalter von "Diverse Geschichten" ist, war es sichtlich ein Anliegen, Wolschlagers Idee weiterzuverfolgen: nämlich die reale kulturelle Vielfalt Österreichs auch in den heimischen Film- und Fernsehdrehbüchern abgebildet zu sehen.

Die Schauspieler Bless Amada, Precious Mariam Sanusi, Joy Alphonsus und Robert Palfrader bei der szenischen Lesung von
Die Schauspieler Bless Amada, Precious Mariam Sanusi, Joy Alphonsus und Robert Palfrader bei der szenischen Lesung von "Mama Na Ngai / Oh, mein Gott!".
Stefan Diesner

Sieben Drehbuchideen weitgehend junger Autoren und Autorinnen wurden letzten Sommer mit einer Ausschreibung gefunden und im Anschluss gemeinsam mit den Tutoren Robert Buchschwenter, Malina Nwabuonwor und Senad Halilbašić erarbeitet. Regisseurin Tizza Covi inszenierte Ausschnitte aus den so entstandenen Drehbüchern gemeinsam mit Schauspielerinnen und Schauspielern – darunter bekannte Namen wie Maria Hofstätter, Robert Palfrader oder Verena Altenberger – in kurzweiligen, szenischen Lesungen.

Afro-österreichische Geschichten

Eine für Gen Zs um vieles interessantere ORF-Streaming-Koproduktion als "Biester" wäre sicher David Bentiguis "Cousins". Sein Dramedy-Serienkonzept handelt vom jungen Afro-Wiener Manuel, der sich in einer Quarterlife-Krise zwischen Designerturnschuhen, afrikanischen Cousins, Gelegenheitsjobs und einer schwangeren Freundin aufreibt. Autor Bentigui, der in Österreich, Frankreich und der Elfenbeinküste aufwuchs, verarbeitete in seinem Drehbuch reale Erfahrungen und mischte darunter eine gute Portion schwarzen Humor.

Ganz ähnlich verfährt Marie-Noel N'Twa in ihrem Spielfilmkonzept "Mama Na Ngai / Oh, mein Gott!". Inspiriert von ihrer Familiengeschichte erzählt sie von der Endvierzigerin Myriam Dossou, die ihre Kinder zwei Jahre lang in Österreich zurücklässt, um im Kongo Gold zu suchen. Als Myriam zurückkommt, wird sie von ihrer Tochter damit konfrontiert, dass ihre Familie zerbrochen und ihr Friseurgeschäft Konkurs gegangen ist. Zu allem Überfluss will sich auch noch der windige Goldschmuggler Werner an Myriam rächen.

Von Öko-Thriller bis Wiener Komödie

Der Abend trumpfte außerdem mit Fantasie und Genrevielfalt auf. Paul Ertls Öko-Thriller-Konzept "Der Gesang der Sirenen" versucht, das Beste aus Fernsehkrimi und Genrehorror herauszuholen: Die schwangere Witwe eines soeben beerdigten Lokalpolitikers fühlt sich von seltsamen Öko-Hippies in der Lobau bedroht, die mit ihrem toten Mann (einem Lobau-Tunnel-Befürworter) noch ein Hühnchen zu rupfen haben.

Daniela Univazo und Javier Mendez präsentierten mit "Isa und Maria" eine Coming-of-Age-Spielfilmidee, die eine latino-österreichische Erfahrung mit einer Freundinnengeschichte und der Frage nach sexueller Gewalt verwebt. In Hans Seebachers "Sommer" stehen ein Schweizer Nachtclub und die dort arbeitenden, türkischstämmigen Frauen im Zentrum, und Katharina Scheubas Miniserienkonzept "Im Schatten des Turms" begibt sich ins Wien um 1900, genauer in den Wiener Narrenturm, und widmet sich u.a. dem Thema psychischer Erkrankung.

Der Abschluss gebührte dem Trio Arman T. Riahi, Faris Rahoma und Aleksandar Petrović, das sich in der schwarzen Komödie "A schöne Leich" auf die Suche nach dem Tod in Wien begibt. Ihr Film "Die Migrantigen" von 2017 zählt übrigens zu einer der Erfolgsgeschichten des verdienstvollen Drehbuchprogramms. (Valerie Dirk, 19.1.2024)