Österreichs neue Standortförderungen für Streaming-, Fernseh- und Kinoproduktionen "laufen so gut an, dass der Finanzminister manchmal Sorge hat". So beschreibt Wirtschaftsminister Martin Kocher das erste Halbjahr der neuen Fördermodelle Fisa+ und Öfi+. Am ungedeckelten Budget für diese Förderungen will Kocher festhalten, signalisierte er am Freitag beim Salzburg Media Summit.

"Das rechnet sich schon"

"Ich würde mich freuen, wenn in den nächsten Jahren noch viel mehr Produktionen nach Österreich kommen", sagte der Wirtschaftsminister in in Salzburg. Ein investierter Euro bedeute drei Euro Wertschöpfung in Österreich: "Das rechnet sich schon direkt wirtschaftlich, noch ohne über die Umwegrentabilität zu sprechen."

Sylvia Vana, zuständige Abteilungsleiterin im Wirtschaftsministerium, liefert die ersten Daten über das erste Halbjahr Fisa+, Stand Mitte Juli 2023: Förderungen für 28 Projekte wurden in diesem Zeitraum genehmigt, die Zuschüsse liegen bei rund 25 Millionen Euro. Diese Projekte haben ein Gesamtproduktionsvolumen von rund 252 Millionen Euro, rund 73 Millionen betragen die Ausgaben in Österreich.

"Der Erfolg hat uns komplett überrannt und überwältigt", beschreibt Vana das erste Halbjahr der neuen Förderung, "die Antragszahlen sind durch die Decke gegangen".

Kate Winslet drehte im Wiener Palais Liechtenstein die HBO-Serie
Kate Winslet drehte im Wiener Palais Liechtenstein die HBO-Serie "The Palace".
HBO

"The Palace" von HBO mit Kate Winslet war eines der ersten Projekte, die mit Fisa+ gefördert wurden. Unterstützt wurde aber etwa auch die erste österreichische Horrorserie "The Followers", ein in Österreich entwickeltes Format der Produzentin Constanze Schumann und der Rund Film für Amazon Prime. Zudem die Kafka-Serie von David Schalko und Superfilm, eine österreichische Serie, die dank Fisa+ nun auch in Österreich gedreht werden konnte, sie soll 2024 in ORF und ARD laufen.

Streamingabgabe

Alexander Dumreicher-Ivanceanu sieht das neue österreichische Fördermodell in Europa "ziemlich einzigartig" und als "Alleinstellungsmerkmal", nicht nur weil ungedeckelt "ein unglaubliches Asset". Nachhaltigkeits- und Frauenbonus seien weitere Besonderheiten im internationalen Vergleich. Der Filmproduzent (Amour Fou Film) ist Obmann des Fachverbands für die Musik- und Filmwirtschaft in der Wirtschaftskammer.

Produzent Hannes Schalle (Moonlake Entertainment), Vorsitzender der Fachvertretung der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer Salzburg, sieht mit den Förderungen des ersten Halbjahrs 1.800 Vollzeitjobs in der Branche gesichert. Dumreicher spricht vom Ziel, in der Branche 20.000 Arbeitsplätze zu schaffen.

Auf das schon nächste branchenpolitische Ziel verweist Dumreicher in Salzburg: eine Streamingabgabe zugunsten nationaler Produktion, wie sie die Schweiz ab 2024 mit vier Prozent auf Einnahmen von Streamingdiensten im Land einhebt. Frankreich setzte sie gleich bei 25 Prozent an. Massachusetts überlegt als erster US-Bundesstaat eine Streamingabgabe zugunsten lokaler Communitymedien.

"Nicht zu groß werden"

Roland Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts, zeichnet eine ähnliche Entwicklung wie bei Streaming- und TV-Produktionen für die zu Jahresbeginn ebenfalls neu aufgestellte Kinofilmförderung Öfi+, Stand zur Jahresmitte: Derzeit rechne man mit Zusagen für rund 37,5 Millionen und Auszahlungen von rund 21 Millionen Euro. Im Gesetz seien 15,5 Millionen Euro vorgesehen. Teichmann hofft also, dass auch Öfi+ als ungedeckelt zu sehen ist wie Fisa+. "Wir sind weit weg von den Budgetzahlen, das zeigt, wie attraktiv das Modell ist. Wir sind damit europaweit ganz weit vorne, Deutschland schaut aufmerksam nach Österreich."

Aber, wendet Teichmann ein: "Wir müssen schauen, dass das nicht zu groß wird. Stabilisierung ist wichtiger als zusätzliches Wachstum." Wichtig sei, dass die gewaltigen Mittel in der Branche auch nachhaltig wirken.

Künstliche Intelligenz zur Analyse

Als ein Tool bei der Beurteilung von eingereichten Projekten nutzt Teichmann seit zwei Jahren künstliche Intelligenz (KI), um die eingereichte Skripts seitengenau etwa auf Genres und Zielgruppen zu analysieren – für breite, kommerzielle Produktionen, betont er, nicht für Arthouse-Projekte.

Neu im Einreichformular hat das Filminstitut die Frage, ob bei der Erstellung von Scripts künstliche Intelligenz eingesetzt wurde. "Wir reden zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Aber es kann schon sein, dass ein Moment kommt, dass man nicht mehr unterscheiden kann, ob ein Text von einer künstlichen Intelligenz kommt oder von einem Menschen." Den Verdacht auf KI-Einsatz hatten zuletzt schon drei Bewerter des ÖFI unabhängig voneinander bei einem Projekt. Die Einreicher verneinten das, Teichmann: "Offensichtlich war es nicht so."

"Das kannst du nicht verhindern"

Schriftstellerin und Drehbuchautorin Annette Hess ("Deutsches Haus", "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo") ist überzeugt: Die Qualität von KI-generierten Büchern werde "niemals an von Menschen Geschaffenes heranreichen". Aber: "Was Menschen erfinden, probieren sie auch aus. Das kannst du mit nichts verhindern, auch mit Streiks nicht", spielt sie auf die Streiks von Schauspielern und Drehbuchautorinnen in Hollywood an. Da geht es zentral um den Einsatz künstlicher Intelligenz bei Produktionen – auf Kosten von Darstellerinnen und Autoren.

Als Werkzeug, das mit einem Vorschlag über Schreibblockaden hinweghilft, kann sich Hess KI durchaus vorstellen. Auch wenn man dann sagt "Nee, so auf keinen Fall". Oder auch: "Das ist eine tolle Idee, aber sag das niemandem!" Bei Adaptionen von Drehbüchern – "Das Liebespaar statt hetero doch schwul" – könne KI Aufwand abnehmen. "Als Werkzeug kann ich's mir auch vorstellen", räumt Hess ein. Und jetzt, vor Abgabetermin für einen neuen Roman, "würde ich mir das unfassbar wünschen".

Kreativität und Langeweile

"KI wird viele Arbeitsprozesse deutlich effizienter machen", sagt Goetz Hoefer, seit Jahresbeginn Programmdirektor von Servus TV. Aber: "Dass KI bei uns die Kreativleistung des Menschen ersetzt, das wird bei Servus TV nicht stattfinden, jedenfalls solange Ferdinand Wegscheider Intendant ist und ich Programmdirektor bin. Aus einem Grund: Kreativität ist nicht planbar. Menschliche Psychologie setzt Langeweile voraus. Menschen, die sich nicht langweilen, sind nicht kreativ. Das können wir bei unseren unter 18-Jährigen erleben. Denen ist nicht mehr langweilig, weil die haben ein Smartphone. Und die Kreativleistung von Kindern nimmt deutlich ab", spannt Hoefer einen weiten Bogen.

Kreativ budgetieren

Produzent Bernd von Fehrn ist Director Fiction bei Warner Bros. International Television Production Deutschland. Er sieht KI bestenfalls als Instrument, um erste Entwürfe für Stoffe zu generieren, um auszutesten, ob die geplanten Elemente funktionieren. Was KI aus einem Wissenskanon neu zusammenmischt, könne vielleicht als Ideeninput funktionieren.

Eine Produktionsleiterin habe einen speziellen Wunsch an künstliche Intelligenz, berichtet von Fehrn: eine KI, die Budgets zustande bringt mit 13,5 bis 15 Prozent Marge – und dennoch "werden alle gut bezahlt". "Das ist aber nicht kreativ", wendet Servus-Programmdirektor Hoefer da ein. Von Fehrn: "Das ist sehr kreativ." (fid, 31.7.2023)