Traktor Demo
In Deutschland verursachten Landwirte tagelang Proteste, nun probt die FPÖ mit ihnen auch in Österreich den Aufstand.
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Wien – Österreichs Bäuerinnen und Bauern marschierten nach Wien. Zumindest die der FPÖ nahestehenden Landwirte machten sich am Freitag mit Traktoren zum Ballhausplatz auf, um nach deutschem Vorbild gegen den Green Deal, Laborfleisch und ein Aus der Mineralölsteuer für Landwirte zu demonstrieren. Um 13 Uhr wollte man vor dem Kanzleramt sein. Zu sehen waren vorerst nur vereinzelte Traktoren und Österreichfahnen, allerdings ein großes mediales Aufgebot. Der Start der Kundgebung verzögerte sich. Die Anwesenden wurden aufgerufen, sich von der Straße fernzuhalten und den Verkehr am Ballhausplatz nicht zu gefährden: "Wir sind ja keine Klimakleber." Am Ende blieb es bei elf Traktoren – nachdem die Veranstalter schon Tage zuvor von 50 angemeldeten Traktoren gesprochen hatten – und rund 200 bis 300 Menschen.

Video: FPÖ rief zum Bauernprotest auf.
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Nach halbstündiger Verspätung betonte zu Beginn der Veranstaltung ein Sprecher den "überparteilichen" Charakter der Veranstaltung. "Wir haben alle eingeladen, leider sind nicht alle gekommen." Leider habe man nur einen Politiker für die Veranstaltung gewinnen können, nämlich FPÖ-Agrarsprecher und Nationalratsabgeordneten Peter Schmiedlechner. Der dankte dafür, "dass so viele gekommen sind". Er beklagte "immer mehr Auflagen, immer mehr Richtlinien" für die Landwirte, "und gleichzeitig immer niedrigere Preise". Der "Konsument wird abkassiert, der Bauer ruiniert, und dann die Ware importiert."

Das Traktoraufkommen am Ballhausplatz blieb überschaubar.
Das Traktoraufkommen auf dem Ballhausplatz blieb überschaubar.
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Schmiedlechner holte dann zum Rundumschlag aus gegen ukrainisches Getreide, Laborfleisch, Insekten und Würmer als Fleischersatz: "Bei den Tieren hat man das Füttern von Tiermehl verboten. Bei uns ist es erlaubt? Jeder, der logisch denkt, muss sehen: Das passt nicht mehr zusammen." Im Februar wolle die EU "still und heimlich" das Freihandelsabkommen Mercosur beschließen, "dann werden wir von Südamerika mit Kunstfleisch, mit Hormonfleisch geflutet, dann brennt es bei uns Bauern." Daher sei die heutige Demonstration nur ein Startschuss für weitere Aktionen. Es folgten Rufe "Die Regierung muss weg!" – unter Trommelwirbel.

Ende der "Besachwaltung"

Hannes Brejcha vom Verein "Fairdenken" des Neonazis Gottfried Küssel beschuldigte die Regierung, sie habe "in den letzten vier Jahren unsere Wirtschaft zerstört". Statt um die Landwirtschaft ging es sogleich um Corona und den mutmaßlichen Impfzwang. Man habe es satt, sich besachwalten zu lassen, "was wir uns spritzen lassen sollen, welche Autos wir fahren sollen, was wir fressen sollen". In weiterer Folge ging es gegen chinesische Kohlekraftwerke, das Weltwirtschaftsforum in Davos, den "heimlichen WHO-Direktor" Bill Gates und "die Globalisten". Dagegen müsse man aufstehen: "Freunde, wacht auf!"

FPÖ-Nationalratsabgeordneter Peter Schmiedlechner warnte davor, dass Mercosur Österreich mit
FPÖ-Nationalratsabgeordneter Peter Schmiedlechner warnte davor, dass Mercosur Österreich mit "Kunstfleisch und Hormonfleisch" fluten werde.
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Landwirtschaftsminister meldete sich aus Berlin

Enttäuscht zeigten sich die Veranstalter, kein Mitglied der Regierung am Ballhausplatz anzutreffen. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig jedenfalls weilte am Freitag in Berlin. Von dort aus ließ er aber wissen, er sehe in der Kundgebung einen Versuch der Freiheitlichen, bäuerliche Probleme für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren. "Das ist sehr schade, denn die Situation in Österreich ist eine völlig andere", verwies Totschnig auf Entlastungen wie den Stromkostenzuschuss oder auf zuletzt aufgestockte agrarische Unterstützungsprogramme.

Die Gefahr, dass sich eine ähnliche Protestbewegung wie in Deutschland auch in Österreich formieren könnte, ortet Totschnig nicht. Denn im Gegensatz zu Deutschland seien die Bäuerinnen und Bauern hierzulande direkt in der Regierung vertreten. Und: "In Deutschland wird Dialog gefordert, in Österreich ist das gelebte Realität." Die EU forderte Totschnig im Lichte der jüngsten Protestwelle deutscher Bäuerinnen und Bauern jedenfalls zum Kurswechsel auf. So sei der dort vorherrschende Unmut neben der Kürzung von Leistungen auch auf fehlende Wertschätzung sowie den Regelungsdruck aus Brüssel in Bezug auf die grüne Agrarwende zurückführen. "Der Green Deal bringt unsere Bauern an die Grenzen", so Totschnig.

SPÖ befürchtet rechtsextreme Unterwanderung

Der Vorsitzende der SPÖ-Bäuerinnen und -Bauern, Michael Schwarzlmüller, zeigte Verständnis für die Anliegen der Landwirte, warnte aber vor rechtsextremer Unterwanderung der Proteste: "Unsere Bäuerinnen und Bauern arbeiten sieben Tage die Woche, sie sind immer auf Abruf, und wenn andere ihren Jahresurlaub machen, haben sie Erntezeit. Sie wirtschaften unter großem ökonomischen Druck, dem Preisdruck durch die Diskonter, der großen Schlachthöfe und Molkereien und dem schwankenden Weltmarkt."

Der Neos-Abgeordnete Helmut Brandstätter sieht für Österreichs Bauern keinen Grund, wie ihre Kollegen in Deutschland auf die Straße zu gehen. "Sie machen einen sehr guten Job und werden in Österreich sehr gut behandelt", fand er am Freitag bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Kundgebung. Bei der Demo handle es sich lediglich um eine "FPÖ-Veranstaltung". "Ich glaube nicht, dass dies jemanden groß beeindrucken wird", meinte Brandstätter bei einem Online-Pressetermin zur Vorstellung der Tiroler Kandidaten für die EU-Wahl. "Das, was die Bauern in Deutschland bewegt, bewegt die österreichischen Bauern nicht", sagte er mit Blick auf das abgeschaffte Dieselprivileg für Landwirte in Deutschland. Er wisse zwar, dass die Bauern "vor großen Herausforderungen stehen". Allerdings würden sie "hervorragende Produkte machen und müssen deshalb vor Handelsabkommen keine Angst haben müssen".

Bauernvertreter verstehen Bauern, aber nicht die FPÖ

Totschnigs Parteikollegen sehen die Angelegenheit in Österreich ähnlich wie der Minister. Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger (ÖVP) meinte, die Situation der Bauern in Österreich sei zwar nicht direkt mit jener in Deutschland zu vergleichen, beide Seiten würden aber mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen. Moosbrugger nannte etwa sinkende Erzeugerpreise oder einschränkende Regelungen in Bezug auf Düngemittel. Der Präsident des ÖVP-Bauernbunds, Georg Strasser, betonte wie Totschnig die aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit der EU, beim Green Deal nachzuschärfen. Außerdem fand er einmal mehr kritische Worte gegenüber der FPÖ. Sie gebe sich als "Retterpartei", benutze die Bauern aber nur als "Feigenblatt" für ihre Anliegen. (Michael Windisch, 19.1.2024)