Eichhörnchen
Lange Pinsel, buschiger Schwanz und Knopfaugen: Das Eichhörnchen gehört wohl zu den charismatischsten Wildtieren des Landes.
EPA

Die Liste ausgefallener Feiertage, die rund um den Globus begangen werden, ist seit 2001 um einen Eintrag reicher. Damals rief die US-Amerikanerin Christy Hargrove mit dem "Squirrel Appreciation Day" eine kalendarische Kuriosität ins Leben: den alljährlichen Ehrentag des Eichhörnchens. Die Wildhüterin initiierte diesen Tag der Ehrung und Wertschätzung, um auf die putzigen Nagetiere aufmerksam zu machen. Hargroves Wahl fiel auf den 21. Jänner, da es ihr um einen Termin mitten im Winter ging. Zu dieser Zeit neigen sich die Nahrungsvorräte der Tiere bereits dem Ende zu, weshalb man sie vielerorts bei der Futtersuche beobachten kann.

Die tierischen Sympathieträger gehören zu den beliebtesten Wildtieren und gleichzeitig zu den häufigsten Waldbewohnern unserer Breiten. Nahezu überall in Österreich sind die flinken Kletterer anzutreffen. Ausnahmen bilden lediglich die alpinen Regionen oberhalb der Waldgrenze und einige ausgeräumte Kulturlandschaften im Osten des Landes. Fachleute beobachten zudem eine verstärkte Wanderung der Tiere vom Land in die Stadt, da ihnen in ruralen Gebieten durch die Intensivierung der Landwirtschaft wertvoller Lebensraum verloren geht.

Pelz als Gesprächsstoff

Für Diskussionen sorgt bisweilen die Frage, ob nun die roten, die braunen oder die schwarzen Eichhörnchen die heimischen seien. Am flauschigen Pelz der Tiere scheiden sich somit die Geister. Das liegt auch daran, dass in den vergangenen Jahren immer wieder berichtet wurde, dass schwarze Eichhörnchen die einheimischen braunen oder roten Eichhörnchen vertreiben würden.

Tatsächlich handelt es sich aber bei all diesen Färbungen um dieselbe Art von Hörnchen. Denn das Eurasische Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) weist Farbvariationen von rot über braun bis hin zu schwarz auf. Selten lassen sich sogar weiße oder gefleckte Individuen beobachten. Weltweit sind übrigens 280 Eichhörnchen-Arten bekannt.

Eichhörnchen im Wald
Der Pelz des Eichhörnchens ist nicht das ganze Jahr über gleich gefärbt. Das dickere Winterkleid ist meist dunkler als das Sommerfell.
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Grauhörnchen auf dem Vormarsch

Der Mythos, dass hierzulande ortsfremde Hörnchen die heimischen vertreiben würden, kommt aber nicht von irgendwo. Insbesondere in Großbritannien haben die dort ursprünglich ansässigen Eichhörnchen mit dem Grauhörnchen zu kämpfen. Diese eingeschleppte Art ist äußerst robust und kräftiger als die in Europa beheimateten Verwandten. Im Ringen um Futter und Lebensraum verschafft ihnen ihre beachtlichere Größe einen bedeutenden Vorteil gegenüber den heimischen Arten.

Als Wermutstropfen kommt hinzu, dass Grauhörnchen potenzielle Überträger des Squirrelpox-Virus sind. Gegen diese "Eichhörnchen-Pocken" sind Grauhörnchen selbst meist immun, wohingegen die Krankheit für heimische Arten meist tödlich endet. Bisher hat sich der Eindringling in Österreich noch nicht etabliert, und die hiesigen Eichhörnchen bleiben noch vor den Pocken verschont. Ungemach droht aber von Süden, denn auch in Italien breitet sich das Grauhörnchen bereits aus.

Grauhörnchen
Grauhörnchen sind größer und kräftiger gebaut als die eigentlich in Europa heimischen Eurasischen Eichhörnchen. Damit haben sie leichtes Spiel, wenn es darum geht, ihren kleineren Verwandten Futter und Lebensraum abspenstig zu machen.
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Forschenden zufolge ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Tiere auch in Österreich Pfote fassen. Darauf lassen Prognosen bezüglich des Populationswachstums und Computersimulationen schließen, wie die Wildtierökologin Fabienne Selinger weiß. Sie betreut beim Verein "Entdecke und bewahre Natur" die Projekte StadtWildTiere.at und WildeNachbarn.at.

Schutzimpfung für heimische Hörnchen

Was aber, wenn das Grauhörnchen sich von Italien kommend auch bei uns breitmacht? "Einen länderübergreifenden Notfallplan gibt es leider noch nicht, es wird aber immer wieder heftig diskutiert, wie die Eindringlinge gestoppt werden sollen", sagt Selinger. Im Extremfall können das sogar der Fang und die Tötung von Individuen sein. Parallel zu diesen Gesprächen wird bereits an einer Eichhörnchen-Schutzimpfung gegen das Pockenvirus gearbeitet.

"Unsere beste Strategie ist es, den natürlichen Lebensraum der Eichhörnchen aufzuwerten und ihnen so eine möglichst gute Grundlage zu bieten", empfiehlt die Wildtierökologin. Wichtig ist ihres Erachtens auch die Achtung einer Verhaltensregel: Die Bevölkerung müsse verinnerlichen, dass Grauhörnchen nicht gefüttert werden sollten. "Das war mitunter ein Grund, wieso sich die Grauhörnchen in Großbritannien so erfolgreich vermehren konnten", unterstreicht sie.

Wenn Eichhörnchen plündern

Mögen die possierlichen Nager so aussehen, als könnten sie kein Wässerchen trüben, haben sie es doch faustdick hinter den Ohrbüscheln. Als Allesfresser stehen neben Nüssen, Samen und Knospen auch Insekten auf ihrem Speiseplan. Im Frühjahr suchen sie häufig nach Nestern von Singvögeln, um Eier zu plündern und mitunter sogar kleine Vogeljunge zu fressen.

Bei der Futtersuche – die den Großteil des Eichhörnchen-Tages ausmacht – gehen die Tiere äußerst geschickt vor. Um an besondere Leckerbissen zu kommen, lassen sich die Nager an den kräftigen Hinterbeinen kopfüber selbst von dünnen Ästen baumeln. Einen Gutteil der gefundenen Nahrung verstecken die Hörnchen im dichten Gebüsch oder sicheren Plätzen in Baumnähe, um sich später in aller Ruhe daran zu laben.

Bei ihren Klettereien hilft den Tieren auch der "Oachkatzlschwoaf", der nicht nur dazu dient, Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache in den Wahnsinn zu treiben. Der Schwanz hilft, beim Springen und Kraxeln das Gleichgewicht zu halten, wird aber auch als wärmende Decke verwendet. Der Gattungsname "Sciuridae" stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt so viel wie "schattenspendender Schwanz".

Verjüngungskur für Wälder

Obwohl man Eichhörnchen oft beim Graben nach verstecktem Futter beobachten kann, fressen sich die Nager nur wenig Winterspeck an. Denn anders als viele Tiere ihrer Größe halten Eichhörnchen keinen Winterschlaf, sondern suchen auch in der kalten Saison tagsüber nach Nahrung. Die über den Herbst angelegten und versteckten Vorräte – bei denen es sich um tausende Nüsse handeln kann – finden Eichhörnchen dank des guten Gedächtnisses und des ausgezeichneten Geruchssinns meist leicht wieder.

Eichhörnchen mit Nuss
Ein Eichhörnchen verputzt eine Nuss. Trotz ihres exzellenten Gedächtnisses finden die Tiere nicht alle Vorräte, die sie versteckt haben, wieder.
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Forschende aus Kalifornien haben bei Grauhörnchen nachweisen können, dass das Gehirn der Hörnchen im Herbst an Volumen gewinnt. Man geht davon aus, dass sie so viel über Nüsse und deren Versteck nachdenken, dass ihr Gehirn wächst. Ein solcher Effekt ist durchaus auch bei heimischen Hörnchen denkbar.

Die Sammeltätigkeit und das Anlegen von Vorräten haben auch für heimische Wälder einen positiven Nebeneffekt. Von Zeit zu Zeit kommt es vor, dass vergrabene Snacks vergessen werden. Unter passenden Bedingungen können diese zu keimen beginnen und austreiben. Dadurch tragen Eichhörnchen indirekt dazu bei, Wälder zu verjüngen und aufzuforsten.

Spannend wird es in Mastjahren – das sind Jahre, in denen etwa Buchen besonders viele Bucheckern tragen. Eichhörnchen sind in solchen Jahren fast überfordert, so viel Nahrung hängt an den Bäumen, versteckt wird dann noch fleißiger. Da die Tiere nur einen Bruchteil des Vorrats fressen können, können die Baumsamen in einem enormen Radius ausgebreitet werden. Ohne das Zutun der fleißigen Nager wäre diese Verbreitung nicht möglich.

Grauhörnchen am Fußballfeld
In Italien sorgen die eingeschleppten Grauhörnchen nicht nur in freier Wildbahn für Aufsehen. Dieses Exemplar hat sich Anfang Jänner sogar auf das Spielfeld verirrt, auf dem das Duell zwischen dem FC Turin und SSC Neapel ausgetragen wurde.
IMAGO/LaPresse

Kleine Hörnchen im Kobel

Im Frühjahr – meist im März – kommen die ersten jungen Eichhörnchen zur Welt. Ein Weibchen kann pro Jahr zwei Würfe von ein bis sechs Jungen haben. Diese verbringen die ersten rund sieben Wochen ihres Lebens im Kobel, dem Nest der Nager. Ausgepolstert ist die Kinderstube mit weichem Material wie Moos, Bast und Blättern. Sobald die nächste Eichhörnchen-Generation den Kobel verlässt, beginnt der Ernst des Lebens. Denn dann heißt es für die Kleinen: fressen oder gefressen werden.

Nur wenige Junge überleben das erste Jahr, denn Fressfeinde wie Baummarder stellen den leicht zu erbeutenden Jungtieren nach. Raubzüge durch natürliche Feinde stellen die häufigste Todesursache dar – auch bei erwachsenen Exemplaren. Abseits davon ist der Straßenverkehr das größte Hindernis für Eichhörnchen und ihr Überleben.

Davon abgesehen fristen die Nager hierzulande ein passables Dasein. Fast die Hälfe des Landes ist mit Wald bedeckt, und das Eichhörnchen ist im Vergleich zu spezialisierten Arten nicht sehr wählerisch, was den Lebensraum angeht. Ihre Bestände gelten daher als stabil, was sich auch nicht so schnell ändern dürfte.

Grauhörnchen wird gefüttert
In Großbritannien haben sich Grauhörnchen rasant ausgebreitet. Das liegt Fachleuten zufolge auch daran, dass die Tiere dort stets von Menschen gefüttert wurden.
AP

Ab in den Wald oder auf den Friedhof

Den Tag des Eichhörnchens nehmen auch in Österreich Organisationen zum Anlass, um die Begeisterung für die flinken Tierchen zu steigern. So soll der "Squirrel Appreciation Day" Ansporn sein, den Sonntag für einen Spaziergang im Reich der Eichhörnchen zu nutzen. Wer nicht auf dem Land lebt oder keinen Wald in Wohnnähe hat, dem empfehlen Expertinnen und Experten den Gang in ruhige Grünanlagen. In der Stadt tummeln sich die Nager häufig etwa auf Friedhöfen.

Wer besonders schnell ist und es schafft, ein Foto der Tiere zu machen, kann dieses auf Plattformen wie StadtWildTiere.at und WildeNachbarn.at melden. Die Citizen-Science-Plattformen sammeln mit tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung Daten zu Wildtieren, die in urbanen Räumen umherstreifen.

Das Projekt StadtWildTiere.at hat im heurigen Jahr außerdem ein Schwerpunktprogramm zum Eichhörnchen und zum Igel. Beide Tierarten dienen darin als Indikatoren für die Grünraumvernetzung in der Stadt. Unter anderem wird die Barrierewirkung von Straßen untersucht, aber auch die Vernetzungswirkung von Baumalleen entlang dieser Straßen. Durch die Analyse soll sich auch zeigen, wo es gilt, letzte Durchlässe für das Leben der Stadtwildtiere sicherzustellen. (Marlene Erhart, 21.1.2024)