Michael Schratz
Michael Schratz – fotografiert bei der Verleihung des Österreichischen Staatspreises Innovative Schulen im September 2023.
OeAD - Agentur für Bildung und Internationalisierung/APA-Fotoservice/Krisztian Juhasz

Der Erziehungswissenschafter Michael Schratz beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem, was "gute" Schulen ausmacht, wie gute Leadership im Schulkontext aussehen sollte und welche internationalen Modelle gut oder besser funktionieren als das österreichische. Der Gründungsdekan der School of Education an der Uni Innsbruck war bis 2022 Vorsitzender der Jury des deutschen Schulpreises und ist auch Jurymitglied für den österreichischen Staatspreis Innovative Schulen. Er hat unter anderem als Co-Autor das "Handbuch Gute Schule" geschrieben, aber auch ein "Planspiel Gute Schule" entwickelt. DER STANDARD bat ihn, nachdem Bildungsminister Martin Polaschek nach der jüngsten Pisa-Studie in einem "Presse"-Interview meinte, bei der Frage, wie die Schule des 21. Jahrhunderts aussehen solle, seien die Expertinnen und Experten aus der Bildungsforschung gefragt, um ein paar wissenschaftliche Eckpfeiler für diese in Österreich ideologisch besonders aufgeheizte Frage.

STANDARD: Österreich ist seit der ersten Pisa-Studie, für die im Jahr 2000 getestet und die 2003 präsentiert wurde, im Mittelfeld, der Trend der Leistungen der österreichischen Schülerinnen und Schüler zeigt aber überall nach unten. Wir sind auf dem absteigenden Ast. Welche Rolle kann oder muss man dem Bildungssystem, also den Strukturen unseres Schulsystems, dabei zuschreiben?

Schratz: Die Aufgabe jedes politischen Subsystems in einem Staat ist es, die strukturellen Voraussetzungen für das gesellschaftliche Wohlergehen im zuständigen staatlichen Sektor zu schaffen. Somit ist es Aufgabe des für Bildung zuständigen Ministeriums, dass die jungen Menschen die bestmögliche Bildung und Ausbildung für das zukünftige Zusammenleben in einer sich rapide ändernden Welt erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Menschenrechte und sonstigen nationalen und internationalen Vorgaben auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse bestmöglich umgesetzt werden. In Österreich liegt ein spezielles Problem in der Governance, dass der Weg von einer bildungspolitischen Neuerung bis zu den Schüler:innen im Klassenzimmer sehr lang ist. Unter Governance ist zu verstehen, wie Entscheidungen zur Gestaltung und Weiterentwicklung des Bildungswesens auf seinen verschiedenen Ebenen fallen und wie die Akteure ihre Handlungen koordinieren. Die vielen Entscheidungsebenen und Abhängigkeiten zwischen Bund und Land, zwischen Policy und Praxis, zwischen den unterschiedlichen Aus- und Fortbildungseinrichtungen, zwischen den einzelnen Akteuren im vielgliedrigen Schulsystem führen zu einer hohen Regelungsdichte, die den Akteur:innen an Schulen vor Ort wenig autonomen Spielraum lässt, um standortspezifische Lösungen zu finden. Der damit verbundene Reibungsverlust spiegelt sich in den Pisa-Ergebnissen wider.

STANDARD: Bleiben wir bei der Strukturfrage und begeben wir uns auf in Österreich ideologisch vermintes und parteipolitisch sehr umkämpftes Gebiet: Ist die gemeinsame Schule eine Lösung? Vielleicht sogar "die" Lösung? Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem, was eine "gute Schule" ist. Ist eine gute Schule eine gemeinsame Schule?

Schratz: Eine "gute Schule" wird am jeweiligen Standort von den Menschen "gemacht", die sich um deren Verwirklichung im dortigen Umfeld kümmern. In der Beurteilung dabei zeigt sich im Wirkungsgefüge interner und externer Faktoren, dass Schulen komplizierte Ensembles von Erfahrungen, Routinen, Problemlösungen, Initiativen, von Kooperationsgeschichten und Abgrenzungen, von Schlüsselereignissen und Entwicklungskrisen sind. Pädagogisches Handeln ist daher vom gemeinsamen Bemühen der Menschen in und außerhalb der Schule bestimmt, ihre unterschiedlichen Wertvorstellungen, Ressourcen und Fähigkeiten so zu nutzen, dass alle Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, die für die gesellschaftliche Zukunft erforderlichen Kompetenzen bestmöglich zu erwerben. Jede institutionelle Barriere im Schulsystem – die Selektion nach vier Schuljahren ist eine solche – verhindert Leistung und verstärkt Ungerechtigkeit. Im österreichischen Schulsystem dominiert das Trennende: Das Weltwissen wird isoliert im Fächerkanon vermittelt, nach dem die Lehrpersonen ausgebildet werden. Die Schüler:innen landen vielfach gegen ihren oder deren Eltern Willen in Schulformen, die nicht ihren Wünschen bzw. Vorstellungen entsprechen. Im Schulhaus werden die Schüler:innen klassenweise getrennt und in standardisierten Klassenräumen unterrichtet, abgetrennt vom Leben draußen.

STANDARD: Bildungsminister Martin Polaschek hat nach der jüngsten Pisa-Studie, die im Dezember des Vorjahres präsentiert wurde, in einem "Presse"-Interview gesagt: "Wir müssen die Schule grundlegend neu denken. Was muss Schule leisten im 21. Jahrhundert? Was nicht? Dafür brauchen wir Bildungsforschung. Wir brauchen darüber keine ideologische Debatte." Der Ball liege jetzt bei den Expertinnen und Experten, sie müssten eine Bestandsaufnahme machen. Dazu gibt es ja eigentlich schon umfassendes nationales und internationales Studienmaterial, oder? Welche wissenschaftlichen Befunde liegen denn vor?

Schratz: Im Vergleich mit anderen Ländern zeigt sich aus wissenschaftlicher Sicht, dass in Österreich schulreformerische Aktivitäten in den letzten Jahren in den Hintergrund geraten sind und eher an Optimierungsprozessen – zum Beispiel Umbenennung der Qualitätsmanagementsysteme, neue Bezeichnungen und Funktionen für die Schulaufsicht oder stärkere Dokumentationspflicht an Schulen – als an den großen Fragen der Wirksamkeit des Gesamtsystems gearbeitet wurde. In vielen Ländern sind die großen strukturellen Reformen seit Längerem vollzogen, um den vielfältigen gesellschaftlichen Veränderungen besser gerecht werden zu können. Wissenschaftliche Daten für einen Vergleich der einzelnen Schulsysteme gibt es deswegen nicht, weil die soziohistorischen Bedingungen zwischen den einzelnen Kontinenten (und auch innerhalb dieser) sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise der hohe Stellenwert von Bildung in Asien oder die hohe Wertschätzung von Bildung in Finnland.

Den besten internationalen Überblick gibt derzeit das Buch "World Class" von Andreas Schleicher, das auf den Daten und Befunden der OECD beruht. Die Working Papers der OECD bieten eine riesige Fundgrube, setzen aber entsprechende Englischkenntnisse für das Lesen vieler Dokumente voraus. Im deutschen Sprachraum sind die Publikationen von Ludger Wößmann und Eric A. Hanushek erwähnenswert, die allerdings stark bildungsökonomisch orientiert sind. Auch die Studien von Klaus Klemm, der seit vielen Jahren zum Lehrermangel und den Folgen forscht, kann ich hier erwähnen und zur Auseinandersetzung mit der kulturellen Vielfalt die Publikationen von Barbara Herzog-Punzenberger, die mittlerweile Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien ist.

In den Nationalen Bildungsberichten finden sich intensive Auseinandersetzungen mit Problembereichen des österreichischen Schulsystems, die in meiner Wahrnehmung allerdings politisch wenig Einfluss auf größere Reformen haben. Dazu kann ich nur den bekannten neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie zitieren: "Während wir (Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Anm.) fortwährend Evidenz sammeln, unterrichten die Lehrpersonen weiter." Es ist aber auch zu erwähnen, dass der Erfolg eines Schulsystems nicht allein von der Schulstruktur abhängt. Faktoren wie Lehrqualität, Ressourcen, Lehrpläne, Bildungspolitik und gesellschaftlicher Kontext sind in großen Veränderungsprozessen mitzubedenken, da ein Musterwechsel Einfluss auf alle Bereiche hat. Deswegen in den alten Mustern zu verharren, würde Österreich aber immer weiter zurückfallen lassen.

STANDARD: Wie viele Jahre sollten alle Kinder aus Ihrer Expertensicht gemeinsam lernen, und wann sollte man sie sinnvollerweise auf getrennte Wege schicken, die individuellen Begabungen und Interesse speziell entsprechen?

Schratz: Hier finden sich in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliche Ausformungen, die eher auf historische Entwicklungen im Bildungssystem zurückzuführen sind. In Österreich unterbrechen wir das Bildungskontinuum durch die Trennung von Kindergarten und Schule bereits im Bildungskontinuum voneinander, in der Schweiz werden Lehrpersonen für Kindergarten und Primarschule übergreifend ausgebildet. Die Schülerinnen und Schüler bleiben in der Regel bis zum zwölften Lebensjahr in der Primarschule, sodass sie bereits acht Jahre einer gemeinsamen Bildung verantwortet werden. In Finnland dauert die gemeinsame Schulzeit neun Jahre, danach haben die Schüler:innen die Möglichkeit, ihre Ausbildung in einem weiterführenden Bildungsgang fortzusetzen, der zur Hochschulreife führt. Somit lässt sich die Frage nicht nach der "sinnvollen Trennlinie" beantworten. Wenn es um den bestmöglichen Ansatz geht, der die individuellen Begabungen fördert und den speziellen Interessen der Schüler:innen entspricht, sind von allem Anfang an personalisierte Formen des Lernens zu nutzen, da bereits beim Schuleintritt die Voraussetzungen der Schülerschaft sehr unterschiedlich sind. Erfolgt dieses Angebot nicht, zeigt sich sehr früh die Notwendigkeit einer äußeren Trennung, da die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Interessen nicht genutzt werden (können). Daher betont der Unterricht in der finnischen Gemeinschaftsschule eine ganzheitliche Entwicklung aller Schüler:innen und legt Wert auf eine ausgewogene Kombination von akademischen und praktischen Fähigkeiten. Eine frühe Selektion wie in Österreich hat die bekannten Nebenwirkungen – Bildung wird "vererbt", da bestimmte Eltern ihre Kinder unterstützen beziehungsweise Nachhilfeunterricht bezahlen können, andere nicht – und führt zu gesellschaftlichen wie volkswirtschaftlichen Problemen, in der Form, dass sich die soziale Differenz durch das ganze System zieht und es Polarisierungen in der Gesellschaft sowie Folgekosten für Bildungsverlierer gibt.

STANDARD: Was bedeutet eine gemeinsame Schule für die Lehrerinnen und Lehrer, die das gegliederte System gewohnt sind? Ist unserer Lehrerausbildung so gestaltet, dass die Lehrkräfte mit einer "gemischten" Klassenpopulation angemessen umgehen könnten – und nicht mit der Vorstellung unterrichten, dass sie quasi "vorsortierte" AHS-Klassen oder eben MS-Klassen vor sich haben?

Schratz: In meiner Tätigkeit in Lehrer:innenaus- und -fortbildung habe ich immer wieder erlebt, wie stark die Prägungen aus der eigenen Schulzeit die Haltung von Auszubildenden und Novizen im Lehrerberuf prägen. Die letzte Reform der Lehrer:innenbildung hat über die Verbünde zwischen den einzelnen Institutionen, also den Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten, einen ersten Schritt der Überwindung der Trennung zwischen AHS- und MS gebracht, da Erfahrungen in beiden Systemen gemacht und Vorurteile abgebaut oder verstärkt werden können. Durch die Segregation erleben die Studierenden nach wie vor, dass nicht der Umgang mit Vielfalt im Vordergrund steht, sondern das österreichische Bildungssystem auf homogene Strukturen setzt. Dadurch ergeben sich zwei gravierende Probleme: Einerseits sind Lehrer:innen oft damit konfrontiert, dass sie Schüler:innen in der Klasse haben, die ihrer Meinung nach nicht hierhin gehören, sodass es zu "Restklassen" kommt, die im Homogenitätsprinzip zusammengefasst werden. Andererseits zeigt sich diese Homogenität vielfach auch in der Unterrichtsgestaltung, etwa in anspruchsvollen Standards für alle an Gymnasien

STANDARD: Wäre eine gemeinsame Schule zuerst einmal vor allem eine sozial- und gesellschaftspolitische Intervention, von der vorrangig sozioökonomisch benachteiligte Kinder profitieren würden, ohne dass den Kindern aus sozial privilegierteren Milieus Nachteile entstehen würden – oder kann man sie auch "rein" bildungswissenschaftlich argumentieren?

Schratz: Aus meinen internationalen Erfahrungen kann ich zweierlei ableiten: Erfolgreiche Schulsysteme schaffen es, frühe Selektion und Stratifizierung zu begrenzen und deren Folgen zu mindern. In Studien zeigt sich, dass Selektion und institutionelle Differenzierung korrelieren. Das hängt damit zusammen, dass jede institutionelle Barriere im Bildungssystem Leistung behindert und Chancenungerechtigkeit verstärkt. Außerdem sorgen erfolgreiche Bildungssysteme dafür, dass es keine Sackgassen gibt. Junge Menschen sollten erleben, dass die Schule sie darauf vorbereitet, eine wichtige Aufgabe in der (künftigen) Gesellschaft wahrzunehmen. Die gemeinsame Schule hat im internationalen Vergleich die besseren Voraussetzungen für eine Bildung für ein gutes Leben in einer lebenswerten Welt für alle. Deren Erfolg liegt darin, dass sie Lernerfolge unabhängig vom sozialen Kontext ermöglichen. Dazu sind Unterrichts- und Lernformen geeignet, die nicht defizitär angelegt sind und die Schüler:innen damit nicht ständig vor Misserfolge stellen, sondern Lernbedingungen so flexibilisieren, dass Lernerfolg nicht länger vom sozialen Kontext abhängt. An positiven Schulentwicklungen gibt es in Österreich übrigens sehr erfolgreiche Modelle wie etwa "Permateach" oder "Schule im Aufbruch". Derartige Initiativen zeigen, wie innovative Lernumgebungen Synergien schaffen und neue Wege öffnen, um berufliches, soziales und kulturelles Kapital zu stärken. In einer komplexer werdenden Welt begrenzt Trennung das Entfaltungspotenzial aber erheblich.

STANDARD: Kritikerinnen werden einwenden, dass eine gemeinsame Schule eine Nivellierung nach unten bedeuten würde, dass also leistungsstärkere Kinder in einer gemeinsamen Schule aller Kinder benachteiligt sein könnten, dass sie bestimmten Kindern also auch schaden könnte. Ist dem so, oder wie kann man das vermeiden?

Schratz: Länder mit guten und sehr guten Pisa-Ergebnissen zeigen keine Nivellierung nach unten, sonst wären sie nicht so erfolgreich. Eher lässt sich aus dem Vergleich des selektiven österreichischen Schulsystems ablesen, dass die für das Gymnasium ausgewählten akademisch bevorzugten Schüler:innen keine besseren Ergebnisse zeigen als die Schüler:innen in erfolgreichen Ländern in einer gemeinsamen Schule – eher schwächere. Eine aktuelle Studie, die in der gymnasialen Oberstufe durchgeführt wurde, gibt Anhaltspunkte: Sie weist nach, dass 77 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler den Lernstoff nach Prüfungen gleich wieder vergessen. Sie geben außerdem an, die meisten Dinge, die in der Schule vermittelt werden, könnten sie im späteren Leben nicht brauchen. Diese ernüchternden Erkenntnisse sollten wachrütteln, um jenseits ideologisch-parteilicher Befangenheit gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir ein erfolgreicheres Bildungssystem schaffen könnten.

STANDARD: Wenn Sie ein modellhaftes Schulsystem für Österreich am Reißbrett entwerfen könnten, wie würden die großen Linien aussehen? Wie könnte das praktisch funktionieren, vor allem: Was machen wir mit den Gymnasien?

Schratz: Zunächst eine Aufwertung der frühkindlichen Bildung vor dem Schuleintritt. Bereits in Familie und Kindergarten werden Grundlagen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn gelegt. Daher liegt in meinem Wunschbild eines erfolgreichen Schulsystems ein starker Fokus auf diesem "vorschulischen" Bereich, der auch entsprechende Investitionen erfordert, die sich volkswirtschaftlich amortisieren, was Studien nachweisen. Damit lassen sich bereits frühe Benachteiligungen zumindest so auffangen, dass die Streuung am Schulanfang nicht mehr solche Probleme schafft wie heute, etwa fehlende Deutschkenntnisse, soziale Verhaltensweisen und vieles andere mehr. Der Übergang in die Schule wird bereits im Kindergarten von schulischen Lehrpersonen mitbetreut, um den wichtigen Überging mitzugestalten. Diese setzen früh an, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung für das eigene Lernen zu fördern und unterstützen, damit die individuellen Potenziale sich optimal entwickeln können. Dies ist Voraussetzung für die Schaffung eines vielfältigen Angebots in flexiblen Arrangements.

STANDARD: Wie sollte das konkret gestaltet werden?

Schratz: Die einzelnen Schüler:innen lernen in den ersten Schuljahren je nach Neigung und Leistung jahrgangs- und klassenübergreifend in unterschiedlichen Settings, an den lebensrelevanten Themen der aktualisierten Lehrpläne zu arbeiten. Dazu brauchen Schulen jene Autonomie, die ihnen eine standortspezifische Gestaltung unter den gegebenen Bedingungen ermöglichst ("context matters"). Die Schüler:innen bleiben bis zum achten Lernjahr in der gemeinsamen Schule, nehmen aber aufbauend immer anspruchsvollere Lernangebote wahr, die zeitlich längerfristig angelegt sind. Zum Beispiel projektförmige Teamarbeit, Service-Learning in der Gemeinde, Lernerfahrungen in Betrieben, ältere Schüler:innen agieren als Tutor:innen für Jüngere usw. Ab dem fünften Schuljahr erfolgen die Angebote nicht nur in akademischen Leistungsbereichen, sondern auch in berufsbildenden. Damit sollen die jungen Menschen früher als derzeit mit Fragen künftiger Berufstätigkeit konfrontiert werden und ihre Lerninteressen dementsprechend ausrichten. Die gemeinsame Schule verfolgt dabei eine ganzheitliche Entwicklung aller Schüler:innen und sorgt mit entsprechenden Angeboten für eine ausgewogene Kombination von akademischen und praktischen Fähigkeiten, in denen sie sich interessengeleitet vertiefen können. Nach dem vielfältigen Erkunden und Erproben ihrer Fähigkeiten fällt es den jungen Menschen in diesem Alter leichter, die weitere Spezialisierung – stärkere akademische oder berufsbildende Weiterführung – einzuschlagen. Nach acht Jahren erfolgt der Übergang an weiterführende Schulen, die ihre Bezeichnung als Gymnasien behalten, sich aber stärker in die Welt öffnen sollten.

STANDARD: Fehlt Ihnen dieser Blick nach außen in der hiesigen bildungspolitischen Debatte?

Schratz: Ich möchte dazu OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher zitieren, der gesagt hat: "Bildungssysteme, die sich durch alternative Denkweisen bedroht fühlen, werden immer weiter zurückfallen; die Zukunft gehört denen, die offen für die Welt sind und bereit, von und mit den leistungsfähigsten Bildungssystemen der Welt zu lernen." Damit ist eigentlich das Entscheidende gesagt. (Lisa Nimmervoll, 22.1.2024)