"Des Teufels Bad" mit Anja Plaschg, auch bekannt als Musikerin unter ihrem Künstlernamen Soap & Skin, von Genrefilm-Duo Veronika Franz und Severin Fiala läuft im Wettbewerb der Berlinale.
Ulrich Seidl Filmproduktion/Heimatfilm

Die österreichischen Genrefilmexperten Veronika Franz und Severin Fiala sind mit ihrem neuesten Werk im Wettbewerb der 74. Berlinale vertreten: "Des Teufels Bad" wird zwischen 15. und 25. Februar mit 19 anderen Filmen in Berlin um den Goldenen Bären rittern. Die Musikerin und Komponistin Anja Plaschg (Soap & Skin) spielt darin eine junge Frau im Oberösterreich des 18. Jahrhunderts, der ein erschütternder Gewaltakt als einziger Ausweg aus ihrem inneren Gefängnis erscheint.

Es ist Plaschgs zweite Hauptrolle als Schauspielerin, 2016 verkörperte sie Ingeborg Bachmann in Ruth Beckermanns "Die Geträumten". Nach Thea Ehre im vorigen Jahr hat damit wieder eine Österreicherin große Chancen auf einen Silbernen Bären in einer Schauspielkategorie.

Eine Schule in Favoriten

Ruth Beckermann porträtiert eine migrantisch geprägte Klasse in Favoriten.
Ruth Beckermann porträtiert eine migrantisch geprägte Klasse in Favoriten.
Ruth Beckermann Filmproduktion

Ruth Beckermann ist in der Sektion Encounters mit der Dokumentation "Favoriten" vertreten. Dafür begleitete die Filmemacherin über drei Jahre hinweg eine Schulklasse im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Außerdem läuft ein dokumentarischer Essay von Ex-Filmmuseum-Chef Alexander Horwath in der von der Österreicherin Barbara Wurm neu übernommenen Forum-Sektion: "Henry Fonda for President" ist ein Essay über die USA, der diese durch eine Annäherung an den Filmschauspieler Henry Fonda betrachtet.

Das Forum zeigt außerdem das Maria-Lassnig-Biopic "Mit einem Tiger schlafen" von Anja Salomonowitz. Birgit Minichmayr spielt darin die 2014 verstorbene legendäre heimische Künstlerin. Die Burgschauspielerin ist auch als Landpolizistin in Josef Haders Dramedy "Andrea lässt sich scheiden" zu sehen, die in der Sektion Panorama Weltpremiere feiert.

Weltkino-Wettbewerb

Der Fokus des letzten Berlinale-Wettbewerbs unter der Leitung Carlo Chatrians liegt unmissverständlich auf dem Weltkino: Mit Abderrahmane Sissakos "Black Tea", Mati Diops "Dahomey" und Meryam Joobeurs "Who Do I Belong To" sind drei Filme vom afrikanischen Kontinent vertreten – ebenso viele wie aus den USA. Aus Nordamerika kommen allerdings einzig Independent-Produktionen, etwa Aaron Schimbergs "A Different Man".

Bekanntes Autorenkino kommt aus Frankreich mit neuen Filmen von Olivier Assayas und Bruno Dumont. Außerdem ist der deutsche Regieveteran Andreas Dresen mit einer in der NS-Zeit angesiedelten Liebesgeschichte wieder im Berlinale-Wettbewerb. Mit starken Schauspielerinnen wartet die junge französische Filmemacherin Claire Berger auf: In ihrem zwischen Deutschland und Frankreich verorteten Film "Langue Etrangère" spielen Nina Hoss und Chiara Mastroianni zwei Mütter.

Isabelle Huppert arbeitet erneut mit Hong Sangsoo, diesmal in dessen Neuling "A Traveler's Needs". Und der Hamburger Regisseur Matthias Glasner hat das Who's who der Berliner Volksbühne versammelt: In seinem Wettbewerbsfilm "Sterben" wirkt neben Lars Eidinger auch Lilith Stangenberg mit. Der rote Teppich am Eröffnungsabend gehört indes dem introvertierten Oscar-Kandidaten Cillian Murphy, der in der irisch-belgischen Produktion "Small Things Like These" die Hauptrolle spielt.

Boykott und Entnazifizierung

Chatrian und Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek verlassen die Berlinale nach der kommenden Ausgabe. Zu Beginn der Pressekonferenz am Montag drückten sie in einer Erklärung ihr Mitgefühl für "alle Opfer der humanitären Krisen in Nahost und darüber hinaus" aus und beklagten wachsenden Antisemitismus ebenso wie antimuslimische Ressentiments. In einem von palästinensischen und israelischen Künstlerin errichteten Tiny House wollen sie während des Festivals Raum für Dialog bieten.

Das Duo ist bald Geschichte: Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der künstlerische Leiter Carlo Chatrian bei der Programm-Pressekonferenz am 22.01.2024.
Das Duo ist bald Geschichte: Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek und der künstlerische Leiter Carlo Chatrian bei der Programm-Pressekonferenz am Montag.
APA/AFP/MICHELE TANTUSSI

Erst kürzlich hatte der aus Ghana stammende Regisseur Ayo Tsalithaba Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil er seinen Film "Athmospheric Arrivals" aus dem Forum Expanded der diesjährigen Berlinale zurückgezogen hatte. Als Begründung führte er den Boykottaufruf "Strike Germany" gegen deutsche Kultureinrichtungen an: Deutschland wird seine Unterstützung Israels im aktuellen Gaza-Krieg vorgeworfen.

Außerdem wies Rissenbeek auf das nun erscheinende Buch zur Nazi-Vergangenheit des ersten Berlinale-Leiters Alfred Bauer und weiterer ehemaliger Mitarbeiter des 1951 ins Leben gerufenen Festivals hin. Die späte Berlinale-Entnazifizierung wurde 2020 angestoßen und kommt nun nach drei wissenschaftlichen Untersuchungen zu einem Ende.

Schluss für Leitungdsuo

Die Aufarbeitung der NS-Zeit dürfte das wichtigste Vermächtnis der vierjährigen Periode des ersten Berlinale-Führungsduos Chatrian und Rissenbeek sein, die durch die Covid-Pandemie von Anfang an unter keinem günstigen Stern stand. Chatrian legte Wert auf junges Weltkino und führte zur Förderung desselben mit Encounters eine neue Sparte ein – was das ohnehin breitgefächerte Festivalprogramm noch weiter verzweigte und vom Hauptwettbewerb ablenkte.

Kritisiert wurde das Duo außerdem, weil es ihm nicht wie dem Vorgänger Dieter Kosslick gelang, die Nähe zum Hollywood-Kino und den Stars zu pflegen. Diese und weitere Aufgaben werden ab 2024 der neuen Leitung Tricia Tuttle zukommen, die die Kulturministerin Claudia Roth (Grüne) im Dezember 2023 bekanntgab. (Valerie Dirk, 22.1.2024)