Es waren Bilder, wie man sie in Deutschland noch nie gesehen hat. Menschenmassen drängten sich in vielen Städten im Norden, Süden, Westen – und auch im Osten gingen Hunderttausende auf die Straßen.

In München wollten am Wochenende so viele ihren Protest gegen die AfD zeigen, dass die Veranstaltung abgebrochen werden musste. Und es soll noch lange nicht das Ende sein.

Demonstration gegen Rechtsextremismus
Vergangenes Wochenende wurde in vielen deutschen Städten, wie hier in Berlin, gegen Rechtsextremismus demonstriert.
IMAGO/Middle East Images/Hami Roshan

Weitere Demos gegen Rechtsextremismus sind geplant. Man hat das Gefühl: Nachdem die Rechercheplattform Correctiv ein Geheimtreffen von AfD-Vertretern und Rechtsextremen enthüllt hat, wacht Deutschland gerade auf und steht auch endlich auf.

Es ist eine wichtige Bewegung, es sind beeindruckende Zeichen – fürs Erste. Denn natürlich geht bei näherer Betrachtung – leider – nicht ganz Deutschland auf die Straße.

Warnungen und Mahnungen

Die AfD mit ihrem Plan für ein Deutschland nur für Deutsche, für millionenfache Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund, ist ja immer noch da und hat ihre Fans. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg, also jenen drei ostdeutschen Ländern, in denen im Herbst gewählt wird, ist diese in Umfragen Nummer eins.

Zulauf hat die AfD seit Jahren. Gewiss, es gibt Warnungen und Mahnungen der anderen Parteien und auch aus der Zivilgesellschaft. Aber sie waren nicht anschaulich genug.

Man hatte sich mit dem Erstarken der AfD auch irgendwie abgefunden, nach dem Motto: Das Problem von starken rechten Parteien haben andere Länder in der EU schon viel länger.

Nun aber haben die Correctiv-Recherchen zum Geheimtreffen und den Fantasien von Massenabschiebungen von Migranten und Migrantinnen in einen nordafrikanischen Musterstaat die Grausamkeit auf eine verständlichere Ebene gehoben.

Wer kommt als nächstes dran?

Es geht nicht um irgendwelche abstrakten "Ausländer", mit denen man vielleicht nichts zu tun hat oder auch nichts zu tun haben möchte. Es kann der Nachbar sein, der Freund, der Ehemann. Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, aus Sicht der AfD aber den falschen Pass haben. Und wer kommt als Nächstes dran, wenn all die "störenden" Ausländer dann weg sind? Die Kritischen? Die mit einer anderen Meinung?

Viele Menschen zeigen jetzt mit ihrem Protest, dass sie verstanden haben und dass sie diesen Hass nicht länger hinnehmen wollen. Hardcore-AfD-Fans wird man nicht erreichen können, aber hoffentlich jene, die aus Frust mit der Ampel mit der AfD liebäugeln. Das ist jede Anstrengung und jede Demonstration wert.

Man muss und darf hoffen, dass die vielen, die protestieren, auch abseits der Demos Überzeugungsarbeit leisten. Und apropos Ampel: Auch die deutsche Bundesregierung sollte ihren Beitrag leisten. Nicht allein mit Kritik an der AfD, sondern mit besserer Arbeit. Das entzieht der AfD nämlich ebenfalls den Nährboden.

Das Wichtigste wäre natürlich, dass all jene, die jetzt nachdenklich geworden sind, ihr Kreuz am Wahltag dann eben doch nicht bei der AfD machen.

Wir haben nur unsere journalistische Arbeit gemacht, sagt man bei der Rechercheplattform Correctiv dazu. Das ist richtig. Aber im Rückblick wird man dafür vielleicht noch sehr, sehr dankbar sein. (Birgit Baumann, 22.1.2024)