Influencerin am Apparat? Die ehemalige Spitzensportlerin Anna Veith wirbt für Marken wie Calzedonia.
Influencerin am Apparat? Die ehemalige Spitzensportlerin Anna Veith wirbt für Marken wie Calzedonia.
Calzedonia

Anna Veith steht im Schnee, hinter ihr ein Skilift, die verspiegelte Brille von Head hat sie über die Mütze geschoben. 2600 Likes gab es für das Instagram-Posting. Ein Werbefoto in Lederleggings von Calzedonia: 16.600 Likes. Seit sie 2020 ihre Karriere als Profisportlerin beendet hat, teilt sich Veith hauptsächlich über Instagram mit. Auch wenn die 34-Jährige nicht mehr beruflich auf den Brettern steht, interessiert das 367.000 Follower und Followerinnen. "Natürlich ähneln meine Tätigkeiten denen einer Influencerin", sagt Veith. Nachsatz: Sie verstehe sich trotzdem bis heute nicht als eine solche.

Ob Influencerin oder nicht, im Land der Berge ist die ehemalige Spitzensportlerin, die einst mit dem mächtigen Österreichischen Skiverband um eine bessere Betreuung und mehr Freiheit bei ihren Sponsoringverträgen rang, ein Phänomen. Die Olympiasiegerin, dreimalige Weltmeisterin und zweifache Gewinnerin des Gesamt-Weltcups wurde dreimal zur Sportlerin des Jahres gewählt. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent hat sie vor vier Jahren als Nummer drei der "sympathischsten Testimonials" Österreichs gelistet, gleich hinter Marcel Hirscher und Christina Stürmer.

Die 34-Jährige sagt zwar: "Ob man als Sportlerin beliebt ist oder nicht, hat man nicht in der Hand." Und: Ihr sei wichtig, sie selbst zu sein. Doch Anna Veith weiß ihr Image zu versilbern. 2021 schaffte sie es als einzige Frau unter die Top zwölf der bestbezahlten heimischen Sportler. Wenn die 34-Jährige heute Interviews gibt, dann oft im Zusammenhang mit Werbepartnerschaften. Das ist bei Sportlern wie David Alaba oder Marcel Hirscher nicht anders. Als Role-Models haben Profisportler und Profisportlerinnen in den vergangenen Jahren die Lifestylebranche aufgerollt.

Sichtbar bleiben

Wie die ehemalige Skirennläuferin seit ihrem Abschied aus dem Spitzensport sichtbar bleibt? Neben Werbung veröffentlicht Veith auf Instagram Szenen aus ihrem Alltag im Schladminger Ortsteil Rohrmoos zwischen Piste, Hotel und Skiverleih. Spazierengehen im Schnee, Training im Fitnessstudio, mit Sohn Henry auf den Skiern. Manchmal ist auch Ehemann Manuel, früher Profi-Snowboarder, heute Hotelier, zu sehen.

Sie sei als Sportlerin früh im Fokus gestanden. Damit habe sie sich anfangs schwergetan, räumt Veith im Gespräch ein. "Im familiären Umfeld bin ich selten im Mittelpunkt gestanden, war lieber in der Position der Beobachterin." Das Interesse an der Sportlerin ist jedenfalls ungebrochen. Als Anna Veith im vergangenen Herbst ihre zweite Schwangerschaft öffentlich macht, vermelden das die Medien wenig später.

Sport – und dann?

Sind sich "im Ruhestand" vermarktende Sportlerinnen und Sportler also doch Influencerinnen und Influencer? Es spricht viel dafür. Markt- und Meinungsforschungsunternehmen wie Marketagent unterscheiden in ihren Analysen bereits zwischen aktiven und ehemaligen Sportlerinnen und Sportlern.

Ganz neu ist das Phänomen der prominenten Unruheständler allerdings nicht. Fußballspieler David Beckham machte bereits vor einem Jahrzehnt vor, dass Werbekooperationen auch nach dem Ende der Karriere eine attraktive Einnahmequelle sein können. Der 48-Jährige gehörte zu den Vorreitern der Lifestylisierung des Sports. Bereits während der aktiven Zeit baute der Brite seinen eigenen Namen zur Marke auf. Heute ist er auf ­Instagram 86,5 Millionen Follower schwer und eines der begehrtesten Werbegesichter der Welt.

US-Superstar Serena Williams gehört zu jenen, die seinem Beispiel folgten. Die Tennisspielerin trat mit 40 ab, doch "das Spiel mit den Followern beherrscht sie beinahe so gut wie das mit dem gelben Filzball", analysierte die FAZ. Auf Instagram wirbt die zweifache Mutter heute für Luxuskarossen des Autoherstellers Lincoln oder die Schweizer Uhrenmarke Audemars Piguet.

Welche Sportlerinnen sich aus Anna Veiths Perspektive gut vermarkten? Die Skirennläuferin Mikaela Shiffrin, meint die 34-Jährige, habe sich extrem professionell aufgestellt. "In den USA ist der Skisport nicht so groß, sie musste viel dafür tun, sichtbar zu sein." In Österreich bewundere sie, wie die Snowboarderin Anna Gasser ihren Sport lebe.

"Wie Mode und Sport ein Dreamteam wurden", titelte unlängst der Guardian. Aktuellstes Beispiel: die anstehenden Olympischen Spiele in Paris. Sie werden vom französischen Luxuskonzern LVMH gesponsert, 150 Millionen Euro macht der "Premiumpartner" für den Event locker. LVMH-Chef Bernard Arnault wird sehr genau wissen, warum. (RONDO, Anne Feldkamp, 27.1.2024)