Shilla war eines von drei antiken Königreichen in Korea, heute ist es ein neues Restaurant gleich beim Musikverein.
Shilla war eines von drei antiken Königreichen in Korea, heute ist es ein neues Restaurant gleich beim Musikverein.
Gerhard Wasserbauer

In Sachen Fermentation macht den Koreanern niemand so bald etwas vor. Da kommt ziemlich alles in den Gärtopf, was bei drei nicht auf den Bäumen ist – und vorzugsweise mit urntlich Knoblauch, Chili und einer Extraportion gut gereifter, fermentierter Fischsauce, damit’s auch ja nicht fad wird. Hat mit Hipster-Mode gar nichts zu tun, wird da buchstäblich seit Jahrtausenden so gepflogen. Die wissen eben schon länger, was gut ist. Wir eh auch, selbst wenn die Kultur der milchsauer vergorenen Gemüse sich in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter in den Osten zurückziehen musste – außer Sauerkraut ist bei uns kaum noch was gegangen. Aber es wird wieder, mit dem Augora in Wien-Mariahilf (fantastisches Mittagessen und herausragend Vergorenes!) und dem ganz neuen Cucina Alchimia in Wien-Hietzing (mehr dazu demnächst!) haben wir zuletzt gleich zwei Kompetenzzentren für Blubb, Blörp und die feine Art der Säuerei gewonnen.

Aber die Koreaner drücken noch einmal anders auf die Tube. Womit wir eh schon beim Thema sind, dem ganz neuen Shilla in der Bösendorferstraße. Hier steht mit Hoyoung Lee die Tochter des Hauses hinter der Budel, erklärt dem Gast in zart nasalem Gymnasiasten-Wienerisch die Finessen der Speisekarte, gibt aber auf Nachfrage zu, dass sie den Tschoch im Lokal schon als bisserl "zaaach" empfinde, weil doch eigentlich beim Studium was weitergehen müsse. Sehr charmant das alles, auch das Dekor mit petrolfarbener Lamperie und reichlich Hellholz im ostasiatischen Stil macht sich gut, im Sommer kommt vor der Tür ein schattiger Schanigarten dazu. Koreanische Getränke gibt es auch, neben Maekju (Bier) aus Korea auch den Reiswein Soju, den trüben, an Sturm gemahnenden, in Messinghäferln ausgeschenkten und zart nach Mandeln duftenden Reisschaumwein Makgeolli, Bokbunja aus Wildsammlung-Brombeeren (!) und Bekseju, ein mit ordentlich Ginseng und Kräutern angereichertes Gebräu aus vergorenem Klebreis. Will man alles kosten! Die richtig gefährlichen Sachen wie So-Maek (Soju mit Bier) stehen auch auf der Karte, beim Lokalaugenschein ging es aber an allen Tischen mehr als gesittet zu.

Verschiedene Vorspeisen, von oben im Uhrzeigersinn: Dak Gang Geong, knuspriges Hendl in scharfer Sauce. Tteokbokki, Reis-& Fischküchlein in Gochujang-Sauce. Mandu, vegetarisch gefüllte Teigtaschen. Seu Ttigim, gebackene Garnelen.
Verschiedene Vorspeisen, von oben im Uhrzeigersinn: Dak Gang Geong, knuspriges Hendl in scharfer Sauce. Tteokbokki, Reis-& Fischküchlein in Gochujang-Sauce. Mandu, vegetarisch gefüllte Teigtaschen. Seu Ttigim, gebackene Garnelen.
Gerhard Wasserbauer

Der Abend startet mit Kimchijeon, dem dickknusprigen, belebend sauren Pfannkuchen aus Kimchi, Kimchi-Juice, Jungzwiebeln und Reisstärke, einer jener Herrlichkeiten, die man einmal im Restaurant isst und dann immer wieder zu Hause – weil sie so unverrückbar köstlich schmecken und einfach nachzumachen sind. Haemulpajeon mit Meeresfrüchten ist auch ein Pancake, nicht minder gut und knusprig, nicht ganz so einfach zu reproduzieren. Dak Gang Jeong, auch als K-Pop Chicken bekannt, darf auch sein: Frittiertes Hendl, in arger roter Sauce geschwenkt, aber ja doch! Tteokbokki, die gut finger­dicken, souverän kaugummigen Reisteigküchlein in Kombination mit eher flappigen Fishcakes („Eomuk“) und der Chilimiso Gochuchang, erweisen sich als wahrhaftiger Abenteuerurlaub für den Gaumen.

Wo der Stein glüht

Kimchijeon, knuspriger Kimchi-Pfannkuchen (rechts) und Haemulpajeon, Meeresfrüchte-Pfannkuchen.
Kimchijeon, knuspriger Kimchi-Pfannkuchen (rechts) und Haemulpajeon, Meeresfrüchte-Pfannkuchen.
Gerhard Wasserbauer

Für die Spezialitäten auf dem Tischgrill war diesmal kein Platz, sah am Nebentisch samt Salat, Ssamjang und Chili aber mehr als vernünftig aus. Stattdessen Kim Sam Bok, Bauchfleisch in Scheiben mit Gochujang-Chili-Miso, Kimchi und Tofu gebraten, dass was weitergeht. Dolsot-Bibimbap, in glühend heißer Steinschale zischender Reis mit allerhand Gemüse, Spiegelei, Bulgogi und unserem alten Freund Gochujang, mit dem bereits Brüderschaft geschlossen wurde, kann es auch.

Kim Sam Bok, Bauchfleisch in Scheiben mit Gochujang-Chili-Miso, Kimchi und Tofu sowie Dolsot-Bibimbap, in glühend heißer Steinschale zischender Reis mit allerhand Gemüse, Spiegelei, Bulgogi und Gochujang.
Kim Sam Bok, Bauchfleisch in Scheiben mit Gochujang-Chili-Miso, Kimchi und Tofu sowie Dolsot-Bibimbap, in glühend heißer Steinschale zischender Reis mit allerhand Gemüse, Spiegelei, Bulgogi und Gochujang.
Gerhard Wasserbauer

Wofür aber unbedingt Platz gelassen werden sollte: Yuk-Gaejang, den brodelnd auf den Tisch gestellten Suppentopf mit Rindfleisch, Glasnudeln und allerhand Blattgemüse, ein solcher Kraftlackel von einer Suppe, dass man buchstäblich spürt, wie mit jedem Löffel das Leben zurückkehrt und das Eis dieses Winters ein bisserl weniger Furcht einflößt. (RONDO, Severin Corti, 26.1.2024)