Warum stoßen Umfragen, in denen die große Enttäuschung, der riesige Frust, der totale Stress von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zutage kommen, auf solche Resonanz? Wieso kommt so gut an, wenn über die Schlechtigkeit der Arbeitswelt gefragt wird? Weshalb wird es eher als billige Werbung, als bezahlte Einschaltung (auch in unserem Forum) abqualifiziert, wenn eine Person sagt, dass ihr Job für sie eine Berufung und überwiegend eine Freude ist?

Ein junger Mann von hinten fotografiert zwischen zwei Laptops
Kann es sein, dass es so und auch so ist, der Job manchmal Spaß macht und manchmal nervt?
imago/Westend61

Diese Frage müssen sich alle Personalverantwortlichen, alle, die auf den Budgets für das Employer-Branding – die Arbeitgebervermarktung – sitzen, stellen. Die Antworten sind vielschichtig: ein wenig kulturell kapitalistisch gerahmt von der immer und immer wieder genannten Dichotomie von Arbeit und Freizeit. Hier Leid, dort Freud. Ein bisschen gespickt mit dem Nachdenken über die Konsequenzen der Arbeit für andere, für das Klima, den Planeten. Mittlerweile immer stärker geprägt durch die Frage nach dem guten Leben und dem Verschleiß der eigenen Person durch Arbeit(szwang). Damit machen jetzt viele Berater ein gutes Geschäft unter dem Titel "Mental Health".

Nur gut oder schlecht?

Irgendwie darf kaum etwas gut sein, was nicht gut sein soll. Das ist ein alles überlagerndes Thema der gesamten Arbeitsdiskussion, von der Teilzeitdebatte bis zur gerechten Entlohnungsfrage. Mehr Geld für mehr Happiness? Aber, überspitzt gefragt: Wer wird glücklich mit einer guten Gage und einem Jobinhalt, den er oder sie eigentlich überhaupt nicht machen möchte? Es bleibt immer beim Muss: entweder für das nackte Überleben oder für den dritten Carport.

Apropos Glück: Ein wenig frisst der kapitalistische Imperativ hier auch seine Kinder. Denn zufrieden glücklich ist ja eigentlich richtig schlecht – wer strebt denn da noch leistend für mehr? Und ja, bei all der enorm professionellen Werbung der Unternehmen für Personal: Arbeitgeber sind natürlich mehr an Return on Investment als am Lebensglück ihrer Belegschaft interessiert. Vielleicht sollte Employer-Branding mit den überzogenen Heils- und Happinessversprechen einen Gang zurückschalten und die Motive der Leute hinterfragen. Diese sind sicher sehr verschieden. Zwischen nur Geldverdienen und nur Glückssuche haben viele Lebensentwürfe und viele Jobmotive – die auch veränderlich sind – Platz. Eine Wahrheit ist nicht zu finden, schon gar nicht in Extremen. (Karin Bauer, 29.1.2024)