Von Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer bis zu Raiffeisenbanken, von der Mediengruppe Österreich bis zum Aktenvernichtungsunternehmen Reisswolf: Die Gläubigerliste der Signa Holding – des Dachunternehmens des Signa-Konzerns, das Ende November Insolvenz anmeldete – enthält einige klingende Namen.

Die Geldflüsse innerhalb des Signa-Konzerns werden Sanierungsverwalter, Anwälte und vielleicht auch Gerichte wohl noch beschäftigten – wenn sie das nicht bereits tun.
Die Geldflüsse innerhalb des Signa-Konzerns werden Sanierungsverwalter, Anwälte und vielleicht auch Gerichte wohl noch beschäftigten – wenn sie das nicht bereits tun.
AFP/JOE KLAMAR

Andere wirken weniger spektakulär. Da wäre etwa die Signa Prime Selection AG und die Signa Development Selection AG, die beiden wichtigsten Töchter des Konzerns. Es handelt sich um die Luxusimmobilien- und die Immobilienentwicklungsschiene der Signa, die seit Ende des Vorjahres ihrerseits insolvent sind. Auch Prime und Development finden sich auf der Gläubigerliste der Signa Holding. Die Konzerntöchter haben ihrer Mutter also Geld geborgt, das sie nun schuldig bleibt. Wie viel, weiß man nicht. Spekuliert wird, dass es sich um konzerninterne Darlehen im Ausmaß von hunderten Millionen Euro handelt.

Video vom 16.1.: Die Finanzierung von Signa-Prime ist laut Insolvenzverwalter vorerst gesichert.
APA

Mutter schuldet Töchtern Geld

Man mag das für wenig überraschend halten – in einem Konzern fließt eben Geld zwischen Teilunternehmen hin und her. Doch auf den zweiten Blick tut sich hier ein Aspekt der Signa-Insolvenz auf, der noch für gehörig zusätzliche Sprengkraft sorgen könnte. Masseverwalter, Anwälte und vielleicht auch Gerichte könnten mit den fragwürdigen Krediten von den Töchtern an die Mutter noch beschäftigt werden.

Warum? Eigentlich untersagt es das österreichische Rechtssystem – von einigen strengen Ausnahmen abgesehen –, dass konzerninterne Kredite von Töchtern an Mütter fließen. "Es könnte den sogenannten Kapitalerhaltungsvorschriften widersprechen, die in Österreich strenger sind als in vielen anderen Ländern", erklärt Leonhard Dobusch, Betriebswirtschaftsexperte von der Universität Innsbruck.

Einlagenrückgewähr

Was bedeutet das? Wenn ein Eigentümer – in diesem Fall wäre das die Signa Holding – Geld von seinen Unternehmen will, dann darf er es gemeinhin nur in einer Form erhalten: als Profitausschüttung. Alles andere ist als sogenannte Einlagenrückgewähr verboten. Eine plumpe Form dieser verbotenen Einlagenrückgewähr, die mitunter in kleinen Betrieben praktiziert wird, wäre, dass ein Eigentümer schlicht in seine Firma geht und sich Geld aus der Kassa nimmt. Eine avanciertere Form kann in Großunternehmen vorliegen, wenn Tochterunternehmen Kredite an die Mutter vergeben.

Warum sind die Regeln bezüglich Einlagenrückgewähr streng? Weil hier potenziell eine Benachteiligung von Gläubigern droht – wenn sich Eigentümer auf anderen Wegen als bei einer Profitausschüttung Geld aus ihren Unternehmen holen würden, würde für die Gläubiger im Pleitefall weniger übrig bleiben.

Frage der Besicherung

Wie Wirtschaftsanwälte in Gesprächen mit dem STANDARD ausführen, sind Kredite von Töchtern an Mütter aber nicht ausnahmslos verboten. Zulässig sind sie beispielsweise, wenn diese Kredite besichert sind – so legten es Urteile des Obersten Gerichtshofs vor knapp einem Jahrzehnt fest. Außerdem sind derartige Darlehen erlaubt, wenn die Mutter für den Kredit ihrer Tochter äußerst hohe Zinsen zahlt. Der Zinssatz muss in solchen Fällen nicht nur marktüblich sein – also jenen Zinsen entsprechen, die die Mutter bezahlen müsste, wenn sie sich den Kredit beispielsweise von einer Bank holte –, sondern sogar höher als marktüblich.

Fazit all dessen: Theoretisch ist es zwar erlaubt, dass Kredite von Unternehmenstöchtern an Unternehmensmütter fließen. Praktisch jedoch sind die Regeln derart streng, dass es fast unmöglich ist.

"Derzeit keine Auskunft"

Diese Rechtslage führt zu schwerwiegenden Fragen. Warum finden sich Prime und Development auf der Gläubigerliste der Signa Holding? Zahlt die Holding im Gegenzug extrem hohe Zinsen und gewährt großzügige Sicherheiten? Wenn Letzteres zutrifft, um welche Sicherheiten handelt es sich? Immerhin: Sämtliche Objektgesellschaften der Signa – also jene Firmen, in denen wertvolle Immobilien geparkt sind, die gut als Sicherheiten dienen könnten – finden sich weiter unten in der Konzernstruktur, konkret unter dem Dach der Prime und Development. Nach derzeitigem Kenntnisstand des hochkomplexen Signa-Geflechts hat die Holding gar keine Sicherheiten, die sie im Gegenzug für Kredite ihrer Töchter bieten könnte.

Überdies wäre es, wie Juristen dem STANDARD erklären, auch nicht zulässig, dass die Mutter eine Kreditsicherheit heranzieht, die von einer anderen Tochter gewährt wird als jener, die den Kredit vergibt, beispielsweise eine Bürgschaft oder Hypothek.

DER STANDARD wollte angesichts all dessen von der Signa wissen, was hinter den heiklen Krediten steckt. Doch es meldete sich lediglich das Büro des Sanierungsverwalters Christof Stapf zurück: Weil es sich um "ein nicht öffentliches Verfahren" handle, könne man "derzeit keine Auskunft" geben. (Joseph Gepp, 25.1.2024)