Preise, Lebensmittel, Supermarkt
Je höher der wahre Preis bestimmter Produkte war, desto stärker sank die Nachfrage danach, so das Ergebnis des Penny-Experiments.
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Es war ein gewagtes Experiment: Inmitten der Inflation und steigender Lebensmittelpreise erhöhte der deutsche Diskonter Penny im vergangenen Jahr eine Woche lang die Preise für insgesamt neun seiner Produkte in allen deutschen Filialen. Die Preise sollten in dieser Zeit die "wahren" Kosten der Lebensmittel widerspiegeln – also auch jene Kosten, die durch die Produktion an der Umwelt und am Klima entstehen. In den Verkaufspreis wurden unter anderem die Auswirkungen auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit mit eingerechnet.

Einige Produkte wurden durch die Maßnahme erheblich teurer. So kostete eine 400-Gramm-Packung Frankfurter statt 3,19 Euro während dieser Woche 6,01 Euro. Für die Auswirkungen auf das Klima kamen 94 Cent, für den Boden 1,17 Euro, für die Gesundheit 62 Cent und für das Wasser neun Cent zum Ursprungspreis hinzu.

Video: Wahre Preise bei Penny
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Bei anderen Produkten, darunter Bio-Produkte und pflanzliche Produkte, fiel der Aufschlag geringer aus: Während Bio-Produkte Umweltfolgekosten in Höhe von durchschnittlich 1,15 Euro hatten, waren es bei konventionellen Produkten durchschnittlich 1,57 Euro Aufpreis. Die Einnahmen aus dem teureren Preis sollten in ein Nachhaltigkeitsprojekt fließen.

Käsescheiben kosteten statt 2,49 Euro für kurze Zeit fast das Doppelte.
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85 Prozent waren Produkte zu teuer

Das Preisexperiment wurde von der Uni Greifswald und der Uni Nürnberg wissenschaftlich begleitet. Zudem befragte der Diskonter mehr als 2.000 Konsumentinnen und Konsumenten zu ihrer Kaufentscheidung.

Das Ergebnis: Bei insgesamt acht von neun Produkten gingen die Verkaufszahlen teils stark zurück. Konventioneller Mozzarella, dessen Preis während der Kampagne um 74 Prozent anstieg, wurde beispielsweise um 43 Prozent weniger gekauft. Auch bei Bio-Mozzarella, dessen Preis sich um 49 Prozent erhöhte, ging der Verkauf um 29 Prozent zurück. Lediglich bei einem veganen Produkt, bei dem der Preisaufschlag minimal war, änderte sich an den Verkaufszahlen wenig.

85 Prozent der Menschen, die nach der Preiserhöhung nicht mehr zu den Produkten griffen, gaben an, dass ihnen die Produkte zu teuer seien. 46 Prozent gaben an, dass ihnen Umweltaspekte nicht wichtig seien. 30 Prozent verstanden die Kampagne nicht.

Den Kunden nicht mehr zumutbar

Unter der kleinen Gruppe derjenigen Menschen, die trotz Preiserhöhung die Produkte kauften, gaben 93 Prozent an, dass sie diese Produkte immer kaufen. 90 Prozent sagten, dass ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist, 84 wollten durch die Aktion für das Nachhaltigkeitsprojekt spenden.

Penny kündigte an, dass man dieses Experiment nicht wiederholen wolle. Mehr könne man den Kunden nicht zumuten. Man habe als Handelsunternehmen die Verpflichtung, Lebensmittel preiswert und für alle bezahlbar anzubieten. Die Diskussion darüber, wie weit Umweltkosten in die Preise von Lebensmitteln eingerechnet werden sollen, solle lieber in der Politik geführt werden.

Kritik an Aktion

An der Kampagne gab es allerdings schon im vergangenen Jahr Kritik. Der deutsche Bauernverband warf Penny etwa Greenwashing vor. Der Grund: Schon der Begriff "wahre Kosten" sei zu einseitig und schlagwortartig. Denn zu diesen zähle laut Meinung des Bauernverbands auch der ständige Druck auf die Landwirtinnen und Landwirte, Lebensmittel immer billiger zu produzieren. Der Lebensmitteleinzelhandel solle zuerst einmal Landwirte besser entlohnen. Außerdem werde durch die Aktion die heimische Landwirtschaft verunglimpft. Diese sei im globalen Vergleich bereits äußert klima- und ressourcenschonend, hieß es von Bauernvertretern.

Zudem sei die Produktauswahl zu einseitig gewesen. Internationales Obst und Gemüse habe man beispielsweise nicht in die Aktion einbezogen. Auch die Kosten für Verpackung, Logistik und Energie seien in den Preisen nicht berücksichtigt worden. Penny begründete die Auswahl der Produkte wie Frankfurter oder Mozzarella damit, dass man diese nach der einen Woche der Kampagne wieder zu günstigeren Preisen verkaufen könne, sofern sie im Regal liegen bleiben – was schlussendlich auch eintrat.

Komplexe Berechnungen

Welche Maßnahmen künftig tatsächlich politisch umgesetzt werden sollten, um die Umweltfolgekosten von Lebensmitteln stärker zu berücksichtigen, darüber wird seit einiger Zeit heftig gestritten. Manche Experten fordern beispielsweise, die Mehrwertsteuersätze auf vegane Produkte zu reduzieren. Während etwa auf Milch, das als Grundnahrungsmittel gilt, lediglich zehn Prozent Mehrwertsteuer fällig ist, sind es bei Hafermilch 20 Prozent. Tierische Produkte sollten laut Forderung tendenziell teurer, pflanzliche Produkte tendenziell günstiger werden.

Wie komplex das Unterfangen ist, die "wahren Kosten" von Lebensmitteln zu berechnen, zeigen auch Versuche aus dem Ausland. Die niederländische Initiative True Price arbeitet beispielsweise seit 2012 daran, die wahren Kosten unterschiedlicher Produkte zu errechnen – und dabei nicht nur die Umweltkosten, sondern auch die sozialen Kosten wie eine mögliche Ausbeutung von Arbeitern mit einzurechnen. Während der wahre Preis von Fleisch und Milch in vielen Fällen das Doppelte des Normalpreises ausmache, werden rein pflanzliche Produkte laut Organisation häufig nur um ein paar Cent teurer. (Jakob Pallinger, 25.1.2024)