Türkisches Parlament
Die Abstimmung zum schwedischen Nato-Beitritt im türkischen Parlament.
AFP/ADEM ALTAN

Moskau/Riga/Istanbul – Die Türkei hat den Nato-Beitritt Schwedens abschließend ratifiziert. Die Entscheidung wurde am Donnerstag im Amtsanzeiger veröffentlicht und ist damit offiziell. Im nächsten Schritt muss die Türkei den Aufnahmeregeln zufolge das US-Außenministerium über die Annahme informieren. Schweden fehlt aber weiterhin die Zustimmung Ungarns, um Nato-Mitglied werden zu können.

Nach mehr als eineinhalb Jahren politischem Tauziehen hatte das türkische Parlament der Aufnahme Schwedens in die Allianz am Dienstag zugestimmt. 287 Parlamentarier stimmten in Ankara dafür, 55 dagegen, 4 Abgeordnete enthielten sich.

Nach der Zustimmung der Türkei hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zugesagt, die lange herausgezögerte Ratifizierung seines Landes voranzutreiben. Er werde das Parlament drängen, baldmöglichst darüber abzustimmen. Wann eine Abstimmung darüber stattfinden könnte, blieb aber offen.

Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die Nato-Mitgliedschaft beantragt. Finnland wurde Anfang April vergangenen Jahres als 31. Mitglied im Bündnis willkommen geheißen. Fraglich bleibt, was Erdogan zu der Zustimmung nun bewegt hat. Er hatte zuletzt Kampfjetlieferungen aus den USA im Gegenzug für die Ratifizierung gefordert. Bisher fehlt dazu aber weiterhin die Zustimmung des US-Kongresses.

Die türkische Zustimmung wurde in Stockholm mit Wohlwollen aufgenommen. "Wir heißen die Ratifizierung von Schwedens Nato-Beitritt durch die Türkei willkommen", erklärte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson am Donnerstagabend auf der Online-Plattform X. "Wir haben nun einen entscheidenden Meilenstein auf dem Weg zu einer vollwertigen Mitgliedschaft in der Nato erreicht."

Laut Russland Raketenteile gefunden

Indes wurden an der Absturzstelle eines russischen Militärflugzeugs in der Grenzregion Belgorod laut russischen Angaben Teile einer Luftabwehrrakete gefunden, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Tass. Auch am Mittwoch veröffentlichte Bilder Flugzeugtrümmer zeigen Schrapnell-Einschläge. Einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Ria zufolge wurden beide Flugschreiber der Maschine gefunden. Die Agentur berief sich auf Rettungskräfte. Das russische Untersuchungskomitee erklärte am Donnerstagabend, das Flugzeug sei von einer ukrainischen Luftabwehrrakete getroffen worden.Russland meldet Fund von Raketenteilen bei abgestürztem Flugzeug.

Laut Angaben des ukrainischen Militärgeheimdiensts setzten am Mittwoch beide Kriegsparteien in der Region Belgorod unbemannte Fluggeräte ein. Die Russen hätten versucht, eine ukrainische Aufklärungsdrohne abzuschießen, auch die ukrainische Luftabwehr sei eingesetzt worden, um russische Kamikaze-Drohnen abzuschießen.

Ermittler an der Absturzstelle
Ermittler an der Absturzstelle
IMAGO/TASS

Russland: Ukraine wurde 15 Minuten zuvor informiert

Der russische Duma-Abgeordnete Andrej Kartapolow sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass der Gefangenenaustausch weitergehe. Russland werde "sogar mit dem Teufel" reden, um seine gefangenen Soldaten zurückzubringen, so Kartapolow. Weiter erklärte er, der ukrainische Militärgeheimdienst sei 15 Minuten vor dem Einflug der Transportmaschine in das betroffene Grenzgebiet gewarnt worden. Die Ukraine bestreitet dies. Laut Andriy Yusow, dem Sprecher des Militärgeheimdiensts, waren zum Absturzzeitpunkt zwei weitere russische Militärtransporter, einen Antonow-26 und eine Antonow-72, in der Region unterwegs.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert internationale Aufklärung . Der ukrainische Militärgeheimdienst versuche derzeit, mehr über das Schicksal der dutzenden ukrainischen Kriegsgefangenen zu erfahren, die laut Moskauer Angaben an Bord der Maschine waren, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache am Mittwoch.

Er habe zudem Außenminister Dmytro Kuleba angewiesen, ausländische Partner mit allen Informationen zu versorgen, die der Ukraine zur Verfügung stünden. "Unser Staat wird auf eine internationale Aufklärung bestehen", betonte er. Selenskyj sagte außerdem: "Es ist offensichtlich, dass die Russen mit dem Leben von ukrainischen Gefangenen, mit den Gefühlen ihrer Angehörigen und mit den Emotionen unserer Gesellschaft spielen."

Video: Russischen Angaben zufolge haben ukrainische Streitkräfte das Transportflugzeug abgeschossen. Kiew will den Vorfall prüfen.
AFP

Gefangenenaustausch

Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow bekräftigte am Donnerstag den Vorwurf, die Ukraine habe die russische Maschine am Mittwoch abgeschossen, die 65 ukrainische Kriegsgefangene auf dem Weg zu einem Austausch an Bord gehabt haben soll. Das sei eine "ungeheuerliche Tat" gewesen, zitierte ihn die russische Nachrichtenagentur Interfax. Niemand könne sagen, wie sich dies auf die Aussichten für einen künftigen Austausch von Gefangenen auswirken werde. Die Gespräche über einen Austausch müssten vertraulich bleiben.

Absturz der Maschine

In der westrussischen Region Belgorod war am Mittwoch eine Maschine vom Typ Iljuschin Il-76 abgestürzt. Russischen Angaben zufolge wurden dabei alle 74 Insassen an Bord getötet, darunter 65 ukrainische Kriegsgefangene. Unabhängige Angaben dazu, wen oder was das Flugzeug transportierte, gibt es aber weiterhin nicht. Die ukrainische Seite bestätigte nur, dass ein Gefangenenaustausch geplant gewesen, dann aber geplatzt sei. Die Ukraine wirft Russland vor, nicht Bescheid gegeben zu haben, dass der Belgoroder Luftraum im Zuge des Gefangenenaustauschs besonders hätte geschützt werden müssen.

Der Kommandeur der ukrainischen Luftwaffe beschuldigt Russland, die Ukraine wegen des Absturzes in Misskredit bringen zu wollen. "Das Ziel ist offensichtlich: Sie wollen die internationale Unterstützung für unseren Staat schwächen. Das wird nicht funktionieren!" schrieb Mykola Oleschtschuk auf Telegram. "Die Ukraine hat das Recht, sich zu verteidigen und die Mittel des Luftangriffs der Aggressoren zu zerstören."

Sicherheitsexpertin warnt vor voreiligen Schlüssen

Die Sicherheitsexpertin Claudia Major warnte wiederum vor voreiligen Schlüssen. Es seien derzeit zwei Fakten bekannt, sagte die Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Das Flugzeug ist abgeschossen worden. Und es war ein Gefangenenaustausch geplant, der nicht stattgefunden hat."

Dies seien derzeit "die einzigen verlässlichen Informationen". Alles andere – etwa Listen zum Gefangenenaustausch – sei bisher "Spekulation". Daher sei auch die Forderung Selenskyjs nach einer internationalen Untersuchung zur genauen Absturzursache richtig.

Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) teilten mit, dass weder die russischen noch die ukrainischen Angaben zu dem Absturz unabhängig überprüft werden könnten.

Angriff auf russische Ölraffinerie

Weiters hat der ukrainische Geheimdienst SBU einem Insider zufolge eine russische Ölraffinerie in Tuapse mit Drohnen angegriffen. Es werde auch weitere solche Angriffe auf Anlagen geben, die Treibstoff für das russische Militär produzierten, sagte der Insider der Nachrichtenagentur Reuters.

"Der SBU schlägt tief in der Russischen Föderation zu und greift weiterhin Einrichtungen an, die nicht nur für die russische Wirtschaft wichtig sind, sondern auch Treibstoff für die feindlichen Truppen liefern", so der Informant.

Ukraine wehrte laut eigenen Angaben elf Drohnen ab

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben in der Nacht auf Donnerstag elf russische Angriffsdrohnen abgewehrt. Insgesamt habe Russland 14 Drohnen in Richtung Ukraine gestartet, erklärte die ukrainische Luftwaffe am Donnerstag. In der Region am Schwarzen Meer wurden nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums mehrere Menschen bei den Angriffen verletzt.

Darüber hinaus meldete das Ministerium mehrere Verletzte durch russische Luftangriffe am Vortag in einem Ort in der östlichen Region Charkiw. Am Mittwoch seien in Welyka Rohan bei Charkiw vier Menschen verletzt worden, darunter ein 17-jähriger Jugendlicher, hieß es.

Lettland stellte etwa 5.000 Verstöße gegen Sanktionen fest

Lettlands Steuerbehörde hat unterdessen seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine etwa 5.000 Verstöße gegen Sanktionen festgestellt, die gegen Russland und Belarus verhängt wurden. In 258 Fällen seien Strafverfahren eingeleitet worden, sagte der Leiter der Zollabteilung, Raimonds Zukuls, am Donnerstag im lettischen Fernsehen weiter. 2023 waren es demnach 144 Verfahren, im Jahr zuvor 114. Festgestellt worden seien die Verstöße bei der Inspektion von Warenlieferungen, die seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 in dem baltischen EU- und Nato-Land kontrolliert wurden.

Unterbunden wurde nach Angaben von Zukuls zumeist die Ausfuhr von elektrischen Geräten und Ausrüstung, verschiedener Autoteile und Luxusgüter nach Russland oder Belarus. In umgekehrter Richtung seien vom Zoll größtenteils Holzprodukte, Brennstoffe, Futtermittel und Metallprodukte beschlagnahmt worden, die nach Lettland eingeführt werden sollten. (Reuters, APA, red, 25.1.2024)