Frau sitzt auf dem Bett und blickt aus dem Fenster
Manche sind auch Monate nach der Corona-Erkrankung noch nicht wieder gesund. Die medizinische Ursache dafür ist nur schwer greifbar.
Getty Images/Dima Berlin

Infiziert man sich mit einem Virus, fühlt man sich krank. Nach ein paar Tagen geht es einem wieder besser. Üblicherweise. Doch nicht immer. Nach einer Corona-Infektion etwa werden viele Menschen einfach nicht wieder richtig fit oder brauchen sehr lange dafür. Wie viele genau unter solchen Folgen einer Covid-Erkrankung leiden, ist nicht ganz klar, die Zahlen dazu variieren stark. In manchen Erhebungen sind es deutlich über zehn Prozent, andere Schätzungen gehen von weniger aus. Das liegt vor allem daran, dass das Krankheitsbild auch für Medizinerinnen und Mediziner nach wie vor diffus ist und die Symptome vielseitig sind. Manche Menschen leiden nach der Covid-Erkrankung unter Erschöpfung, andere sind noch Monate nach der Infektion kurzatmig, und wieder andere können sich schlechter konzentrieren als davor.

Dazu kommt, dass oft unklar ist, ob ein Symptom wirklich eine Langzeitfolge der Erkrankung ist oder ob der Körper etwa nach einem heftigen Krankheitsverlauf einfach länger zur Regeneration braucht. Auch eine Unterscheidung von Long Covid zu anderen Erkrankungen, die zwar kurz nach der Covid-19-Infektion auftreten, aber nicht ursächlich damit zusammenhängen, ist für Medizinerinnen und Mediziner bisher schwer möglich. Entsprechend schwierig ist es auch, eine Diagnose zu stellen.

Für andere Krankheiten gibt es meist einen Biomarker, also einen Wert, der objektiv gemessen und als Indikator für die Krankheit herangezogen werden kann. Veränderte Werte bei bestimmten Molekülen, Enzymen, Hormonen oder Zellen deuten dann auf ein bestimmtes Krankheitsbild hin. Aber für Long Covid fehlt ein Biomarker – bis jetzt.

Chronische Entzündungsreaktion

Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden der Universität Zürich stellt nun im Fachjournal Science Biomarker für Long Covid vor, die bei der Diagnose der Erkrankung helfen sollen. Für die Erhebung untersuchten die Forschenden über 6500 Proteine in den Blutseren von 113 Patientinnen und Patienten mit einer akuten Covid-Infektion. 40 von ihnen entwickelten Long Covid, bei dieser Gruppe folgten weitere Messungen nach sechs und zwölf Monaten. Die Proben der Erkrankten verglich das Studienteam mit den Proben von 39 gesunden Personen.

Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede. Bei allen Long-Covid-Betroffenen waren die sogenannten Blutserumproteine verändert. "Diese Proteine des sogenannten Komplementsystems und des Gerinnungssystems sind besonders relevant", sagt Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Das Komplementsystem ist nämlich Teil der körpereigenen Immunabwehr, und das Gerinnungssystem reguliert die Blutgerinnung. "Beide Systeme werden bei Entzündungen und Infektionen in der Regel aktiviert. Das bedeutet indirekt, dass die erhöhten Biomarker auf eine chronische Entzündungsreaktion hinweisen", erklärt sie.

Darüber hinaus identifizierten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter Marker für Gewebeschäden und eine veränderte Blutgerinnung, die zusammenhängend auf eine sogenannte thromboinflammatorische Reaktion schließen lassen. Das ist ein krankhafter Prozess, bei dem normale Abläufe der Blutgerinnung und Entzündung außer Kontrolle geraten. In Folge können zum Beispiel Thrombosen entstehen.

Mehr Forschung nötig

Das sind extrem wichtige Ergebnisse für den Kampf gegen Long Covid, die die Diagnostik und Behandlung von Betroffenen deutlich verbessern könnten, sind sich Fachleute einig. Sie sagen aber auch, dass man die Studie nicht überinterpretieren dürfe. Denn die Aussagekraft der Ergebnisse hätte Grenzen, etwa weil im Rahmen der Studie nur Personen mit schweren Verläufen während der akuten Phase untersucht wurden. "Daten zu milden Verläufen fehlen, obwohl diese einen bedeutenden Anteil der Betroffenen ausmachen", kritisiert Clara Lehmann, Leiterin der Post-Covid-Ambulanz der Uniklinik Köln. Außerdem bleibe die Frage offen, ob die identifizierten Biomarker spezifisch für Covid-19 oder auch auf postvirale Syndrome, die durch andere Erreger entstanden seien, übertragbar seien. Dazu seien noch weitere und vor allem größer angelegte Studien nötig.

Keine Einbildung

Trotz aller Einschränkungen gibt die Studie jedenfalls Anlass zur Hoffnung, findet der renommierte US-Virologe Eric Topol. "Einen Biomarker können wir in der Klinik dringend brauchen, um die Diagnose zu bestätigen und um zur Entwicklung wirksamer Behandlungen beizutragen", sagt er. Denn möglicherweise könnten die identifizierten Prozesse nicht nur für die Diagnose, sondern auch für die Therapie genutzt werden.

Diese Hoffnung teilt auch Infektiologin Vehreschild: "Die Biomarker können Hinweise geben, an welchen Stellen Medikamente ansetzen müssten, um die bei Long Covid entgleiste Immunreaktion wieder in den Griff zu bekommen", sagt sie. Noch könnten die dafür relevanten Werte aber nicht in Standardlaboren gemessen werden. Die Erkenntnisse können also nicht direkt in der Praxis angewandt werden.

Und was unabhängig davon eine der wichtigsten Botschaften der Erhebung ist: Long Covid ist keine Einbildung. Bis heute glauben viele, die Erkrankung sei psychosomatisch. Das stimmt nicht, betont Lehmann von der Post-Covid-Ambulanz in Köln: "Long Covid ist definitiv keine psychosomatische Erkrankung. Wir können eindeutig biologische Veränderungen beobachten." (Magdalena Pötsch, 26.1.2024)