Eine geologische Störzone im Grassberg beim Vortrieb in Gloggnitz wird für die längere Bauzeit des Semmering-Basistunnels verantwortlich gemacht. Im Bild eine Baustelle im Inneren des Berges.
Der Semmering-Basistunnel (SBT) wird frühestens 2030 fertig – und schon wälzen Politik und ÖBB neue Pläne für neue Tunnels auf der Pyhrn- und Fernpassstrecke.
APA/ÖBB/EBNER

Wien – Kein Bahnausbauprogramm in Österreich ohne neuen Tunnel. Die Milliardenprestigeprojekte Brenner- und Semmering-Basistunnel sind noch lang nicht fertig, schon kommt die nächste Milliardenröhre um die Ecke. Diesmal ist es der Bosrucktunnel, der ÖBB, Bau- und Bahnindustrie glänzende Augen macht. Denn nach Süd- und Brennerbahn soll bis 2040 auch die Pyhrn-Strecke in Oberösterreich und der Steiermark ertüchtigt werden.

Darüber hinaus will Verkehrs- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) Rheintal-, Arlberg- und im Großraum Innsbruck die Strecke bis Kranebitten und den Brenner-Nordzulauf ausbauen. Lückenschlüsse werden auch in Oberösterreich und Salzburg in Aussicht gestellt, etwa von Salzburg nach Freilassing, die neue Innkreisbahn (über Passau Richtung München) und die Ertüchtigung der Pyhrn-Strecke von Linz nach Selzthal. Auch die Tauernbahn von Salzburg nach Kärnten vertrage eine Aufrüstung.

Für jedes Bundesland etwas

All diese Projekte wurden am Donnerstag von ÖBB-Holding-Chef Andreas Matthä im Rahmen des Projekts ÖBB-Zielnetz 2040 (siehe Grafik) als essenziell für die österreichische Bahninfrastruktur präsentiert (siehe Grafik).

Und es sind noch mehr: In Wien steht neben den Schnellbahnzubringern zur S-Bahn-Stammstrecke im Norden der dringend notwendige Zulauf Süd ebenso auf der Agenda wie die mehrfach verschobene Donauuferbahn, die Ostbahn und die Spange Wien–Simmering–Süßenbrunn sowie der Zulauf im Westen von Wien zur Franz-Josefs-Bahn bis Krems.

Notwendige Zubringer

Seiner Verwirklichung harrt zudem der Zulauf zum Semmering-Basistunnel auf niederösterreichischer und steirischer Seite – beides Projekte, ohne die der fragwürdige Tunnel unter dem Semmering halb so nützlich ist.

Österreich-Karte mit dem bestehenden und dem neuen Bahnnetz
Bahnausbau bis 2040
Es sind viele scheinbar kurze Streckenabschnitte, die Milliarden an Kosten verursachen.
DER STANDARD/Michaela Köck

Komplett wird das aus 25 Modulen und 67 Projekten zusammengestoppelte Zielnetz 2040 mit der Verbindung Bruck an der Mur und Graz, von Graz nach Spielfeld und dem zweigleisigen Ausbau der im Vorjahr eigens an die ÖBB-Infrastruktur übertragenen steirischen Graz-Köflacher-Bahn.

Die künftige Netzerweiterung sei ein "mutiger Plan" in eine grüne Verkehrszukunft, lobte der ÖBB-Chef seine Ministerin, die mit dem auf mindestens 26 Milliarden Euro taxierten Bahnausbauprogramm visionäre Ziele verfolgt: Der Modal-Split, also der Anteil der Bahn im Güterverkehr, soll bis 2040 auf 40 Prozent steigen. Wie das gehen soll, sagte sie nicht. Aktuell stagniert der Schienengüterverkehr bei unter dreißig Prozent, Anzeichen für eine Trendwende sind nicht zu erkennen. Auch der Alpen-querende Güterverkehr verharrt seit Jahrzehnten auf dem gleichen Niveau. Fulminante Zuwächse verzeichnete lediglich der Straßengüterverkehr.

Kapazitäten für Güterverkehr

Erklärtes Ziel des Ausbaus der neuen Pyhrn-Strecke ist denn auch die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten für den Güterverkehr. In ferner Zukunft sollen längere und schwerere Güterzüge unterwegs sein können, das sei umweltfreundlicher, weil es weniger Energie brauche.

Also konzentrieren sich ÖBB und Politik bei der Legitimierung des Milliarden-Bahnausbauprogramms seit geraumer Zeit auf die künftigen Segnungen des laufenden und künftigen Bahnausbaus in Form kürzerer Fahrzeiten zwischen großen Städten. Wien und München sollen in spätestens zwei Jahrzehnten, wenn die neue Innkreisbahn fertig sein soll, nur mehr zweieinhalb Stunden auseinander sein. Das ist nach Worten des ÖBB-Chefs sein absolutes Lieblingsprojekt.

Ob Matthä die wenig ausbaufreudige Deutsche Bahn bei diesen Ausbauplänen einkalkuliert hat? Es ist zu hoffen, denn im Moment ist der Schnellzug in Bayern nur unwesentlich schneller unterwegs als ein Regionalzug. Aber es soll ja alles besser werden.

Auf den Takt kommt es an

Fertig wird das Bahnnetz 2040 erwartungsgemäß nicht sein. Für diese Zeit werden bereits weitergehende Pläne geschmiedet. Die Strecke von Linz nach Prag soll dann ebenso angegangen werden wie ein Fernpass-Bahntunnel. Letzterer sorgt bei den Tirolern bereits für böses Blut. Die Fernpassbahn sei Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) in die Hand versprochen worden, hieß es am Donnerstag. Verkehrsministerin Gewessler hingegen verwies auf die Zeit nach 2040. Dieses Projekt sei noch in einem frühen Stadium und bis 2040 nicht zu schaffen. Aber wer weiß, das Zielnetz 2040 ist noch nicht beschlossen, jetzt werde mit den Bundesländern verhandelt.

Vorrang habe jetzt der Integrale Taktfahrplan, quasi der Zwilling des Zielnetzes. Jeder Zug soll einen Anschlusszug haben. Das klingt einfach, bedeutet in der Praxis aber eine enorme Aufstockung der angebotenen Zugkilometer. Fast 30 Prozent mehr als 2028 nannte ÖBB-Chef Matthä als Richtwert. "Das Programm ist ambitioniert und visionär, damit man die Infrastruktur hat, wenn man sie braucht", streute Matthä seiner Ministerin Rosen. "Die 26 Milliarden Euro bis 2040 sind ein Batzen, aber gut investiertes Geld. Damit du deine Pflöcke setzen kannst." (Luise Ungerboeck, 25.1.2024)