Konsumzwang, Werbung von Influencern auf Social-Media-Kanälen und die Versuchungen von Ratenzahlungen – auf junge Menschen lauern viele Fallen, sich finanziell zu überheben. Viele sind darauf auch gar nicht vorbereitet. Denn Finanzbildung ist auch im Jahr 2024 an Österreichs Schulen noch ein weitgehend blinder Fleck. Wenn überhaupt, kommt der Umgang mit Geld und Finanzen nur als Randthema vor. Die schmerzhaften Folgen zeigen sich ein paar Jahre später: 2023 befanden sich laut dem Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) um 22 Prozent mehr Menschen unter 24 Jahren in einer Privatinsolvenz als im Jahr zuvor.

Eine junge Frau mit Smartphone.
Finanzielle Verpflichtungen kann man heutzutage sehr schnell eingehen – gut, wenn man schon als Jugendliche darauf vorbereitet wurde.
AP

Auch die Jugendlichen selbst sehen ihre Defizite beim Thema Geld und Finanzen. Laut einer Umfrage des Financial Life Park (Flip) der Erste Bank und des Sozialunternehmens Yep kennen sich 48 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 20 Jahren zu wenig mit der Materie aus, 51 Prozent fühlen sich nicht gut für die eigene Zukunft vorbereitet. Als Folge empfinden 43 Prozent der Jugendlichen beim Thema Geld Stress, wobei der Anteil bei Mädchen mit 51 Prozent signifikant höher liegt.

"Viele junge Menschen werden ins kalte Wasser geworfen, quasi ‚learning by doing‘, wenn es um die eigenen Finanzen geht", sagt Erste-Bank-Chefin Gerda Holzinger-Burgstaller. Das könne man sich bei Geld wortwörtlich nicht leisten. "Wir haben die Inhalte, wir haben die Antworten – wir müssen nur besser werden, die Antworten zu den Jugendlichen zu transportieren", erklärt Holzinger-Burgstaller.

Video: Die Gefahren hinter Buy-now-pay-later-Modellen.
DER STANDARD

Eine Stunde pro Woche

Für die Jugendlichen wie auch für Fachleute liegt der Schlüssel zu besseren Finanzkenntnissen in der Schule, die Betroffenen sprechen sich für eine eigene Wochenstunde Unterricht über Geld und Finanzen aus. Aber warum ist das nicht schon längst passiert? Schließlich sind die mangelnden Kenntnisse in der Bevölkerung über Geldthemen in Österreich schon länger bekannt.

Flip-Leiter Philip List gibt zu bedenken, dass Österreichs Schulsystem "nicht enorm flexibel" ist. "Es dauert eine Zeitlang, bis man so einen schweren Tanker in eine Richtung bewegt", gibt er zu bedenken. Auch wenn die Grundzüge der Finanzbildung nicht schwer, also "keine Rocket-Science" seien, müsse erst die Lehrerschaft entsprechend ausgebildet werden, bevor sie das Fach unterrichten könne. List erwartet aber, dass sich in drei bis vier Jahren diesbezüglich einiges tun werde.

Vorhandenes Interesse

"Man hätte sicher schon früher beginnen können und sollen. Aber wichtig ist, dass wir begonnen haben, und man darf sich gerade in der Bildung nicht sofort sichtbare Ergebnisse erwarten", sagt Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien. "Man muss den Lehrern Mut machen, das zu unterrichten", fügt sie hinzu. "Ich hoffe, dass sie merken, dass es die Schüler interessiert und sie es lernen möchten."

Ein bisschen Eigeninitiative vorausgesetzt, sieht die Wirtschaftspädagogin bereits jetzt genug Flexibilität für Lehrende, um das Thema in den Unterricht zu integrieren. Was sie auch tun sollten, insbesondere bei Dingen wie Onlineangeboten, Ratenzahlungen, also Konsumentenkrediten, dem Trend zu Abomodellen oder auch Kryptowährungen oder unglaubwürdigen Renditeversprechen bei Veranlagungen. "Man muss über Dinge, die einem im Alltag begegnen, sprechen", sagt Fuhrmann. "Wenn etwas im Unterricht nicht besprochen wird, heißt das nicht, dass Jugendliche die Finger davon lassen."

Folgen aufzeigen

"Es ist besorgniserregend, wie verbreitet das Schuldenmachen unter Österreichs Jugend ist", sagt auch Flip-Chef List. Social-Media-Trends und dass mittlerweile nahezu jeder Onlineshop eine Buy-now-pay-later-Bezahllösung anbiete, verschärfe die Lage zusätzlich: "Noch nie war es so einfach wie heute, Konsumschulden zu machen. Umso wichtiger ist es, den Jugendlichen die realen Folgen aufzuzeigen." Also Schulden, die man irgendwann an die Kreditgeber samt Zins und Zinseszins zurückzahlen muss.

WU-Expertin Fuhrmann ergänzt: "Vielleicht wird es in ein paar Jahren Warnhinweise auf Tiktok oder Instagram geben wie auf Zigaretten." Etwa dass Geschäftsabschlüsse schwerwiegende finanzielle Folgen haben können. (Alexander Hahn, 28.1.2024)