Christian Filzwieser bei einer Rede.
Christian Filzwieser war als drittgereihter Kandidat aus dem Auswahlverfahren einer Besetzungskommission hervorgegangen. Jetzt kommt er zum Zug.
APA/HELMUT FOHRINGER

Nach mehr als einem Jahr ist der Koalitionsstreit um die Leitung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) gelöst. Wie das zuständige Beamtenministerium unter Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Freitag verkündet hat, wird das Amt von Christian Filzwieser übernommen. Man habe sich mit der ÖVP geeinigt. Formal absegnen muss die Bestellung noch der Bundespräsident.

Filzwieser war aus dem Auswahlverfahren einer Besetzungskommission als drittgereihter Kandidat hervorgegangen. Auf dem ersten Platz wurde wie berichtet Sabine Matejka gereiht, die ehemalige Präsidentin der Richter:innenvereinigung und Vorsteherin des Bezirksgerichts Floridsdorf. Die ÖVP stimmte einer Nominierung Matejkas aber nicht zu. Opposition, NGOs und Richterschaft kritisierten das Vorgehen scharf.

Monatelange Blockade

Seinen Ausgangspunkt hatte der Regierungsstreit bereits Anfang 2022 genommen. Damals wurden geheime Absprachen zwischen der ÖVP und den Grünen bekannt, wonach die Türkisen bei der Nachbesetzung am BVwG das "Nominierungsrecht" hätten. Zuständig ist das größte Gericht Österreichs vor allem für Beschwerden in Asylverfahren und Umweltverfahren.

Das formelle Besetzungsverfahren hatte die Regierung vor der Pensionierung des ehemaligen Präsidenten Harald Perl Ende 2022 eingeleitet. Das Ergebnis dieses Verfahrens wurde Anfang 2023 an den Ministerrat übermittelt. Es folgte eine monatelange gegenseitige Blockade der Regierungsparteien – auch bei anderen Personalentscheidung. Verzahnt mit dem BVwG war dem Vernehmen nach etwa die Nachbesetzung an der Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die mittlerweile erfolgt ist.

Anerkennung für Filzwieser

Dass Filzwieser als Kompromisskandidat das Ruder am Bundesverwaltungsgericht übernehmen könnte, wurde bereits vergangenen Herbst kolportiert. Der Jurist gilt als ausgewiesener Experte für Asylrecht. Als Kammervorsitzender war er am BVwG in der Vergangenheit für Asylverfahren zuständig, danach wechselte er als Gruppenleiter ins Innenministerium.

In seinen Funktionen war Filzwieser bisher auch bei Asyl-NGOs anerkannt. "Er hat langjährige Führungserfahrung und ist fachlich unumstritten", sagt Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. "Er kennt das Haus und hat keine parteipolitische Nähe."

Nichtsdestotrotz müsse der Bestellungsprozess "grundsätzlich evaluiert und überdacht" werden. "Es kann nicht sein, dass eine Besetzung der Leitung des größten Gerichts durch die ÖVP über ein Jahr lang aus parteitaktischen Gründen verschleppt werden kann", sagt Gahleitner zum STANDARD. Warum die ÖVP Matejka abgelehnt hat, war von der Partei bislang nicht zu erfahren.

Grüne verteidigen Entscheidung

Die Grünen bedauern auf Nachfrage des STANDARD zwar, dass man sich nicht auf Matejka einigen konnte, die Entscheidung sei aber überfällig gewesen. Bei der Besetzung des BVwG sei "der Punkt erreicht, an dem eine Entscheidung nicht mehr aufgeschoben werden kann", heißt es. Gleichzeitig sei man "in der glücklichen Lage, nun die Ernennung des topqualifizierten und parteilich vollkommen unabhängigen Dr. Christian Filzwieser zum Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts vorschlagen zu können".

Mitgrund für die Entscheidung dürfte hinter den Kulissen gewesen sein, dass das BVwG interimistisch von dessen Vizepräsidenten Michael Sachs geleitet wird. Sachs war Kabinettschef des ehemaligen Wirtschaftsministers und späteren Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP) und gilt als parteinah. Zuletzt stand er aufgrund fragwürdiger Asylentscheidungen massiv in der Kritik.

Reaktion Matejkas mit Spannung erwartet

Leidtragende der Personalentscheidung ist freilich Sabine Matejka, die völlig unverschuldet in die Mühlen des Koalitionsstreits geraten ist. Aufgrund der Debatten über die Nachbesetzung am BVwG war sie vergangenen Herbst als Präsidentin der Richter:innenvereinigung zurückgetreten. Das schwebende Besetzungsverfahren sei "eine interne Belastung für die Vereinigung gewesen".

Matejkas Reaktion auf die Besetzung wird nun mit Spannung erwartet. Als erstmalig darüber berichtet wurde, dass sie als Erstgereihte nicht zum Zug kommen könnte, hatte Matejka einen Gang zur Gleichbehandlungskommission in den Raum gestellt. Denkbar wäre auch ein Anspruch auf Schadenersatz. Auf STANDARD-Nachfrage wollte sie am Freitag noch keine Stellungnahme abgeben.

Schwierige Aufgabe

Auf Christian Filzwieser kommt am BVwG jedenfalls eine schwierige Aufgabe zu. Das Gericht, das vor zehn Jahren gegründet wurde, hat seinen Hauptsitz in Wien und drei Außenstellen in Graz, Innsbruck und Linz. Dem Vernehmen nach dürfte die Stimmung unter den Mitarbeitenden schon länger angekratzt sein. Anfang 2023 übte auch der Rechnungshof in einem Bericht Kritik. So gebe es bei der Verfahrenserledigung einen "gewaltigen Rückstand". Nur gut ein Drittel der Verfahren wird innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist erledigt. (Jakob Pflügl, 26.1.2024)