Janis Tillingers Großvater hat das Unternehmen Ferman – das Hemd gegründet – im Jahr 1958.
Rupert Zallmann

Das Hemdengeschäft Ferman in der Wiener Innenstadt ist eine Institution. Janis Tillinger ist seit einigen Jahren Geschäftsführer des Familienbetriebs, seine Eltern sind nach wie vor mit dabei. Gegründet wurde das Unternehmen von Tillingers Großvater Ferdinand Mandel, von dessen Name sich auch der Markenname Ferman ableitet, im Jahr 1958. 1968 zog man um in die Kramergasse. Wir haben Tillinger, der eine Ausbildung an der Modeschule Hetzendorf absolviert hat, einige Fragen gestellt.

STANDARD: Ihr Großvater hat das Unternehmen Ende der Fünfzigerjahre gegründet. Was hat sich seither verändert?

Tillinger: Mein Großvater hatte ein noch viel größeres Lager, gleichzeitig war die Konkurrenz kleiner. Damals haben sich viele Menschen ihre Kleidung noch schneidern lassen – es gab ja noch kein H&M oder Peek & Cloppenburg. Das Unternehmen meines Opas glich eher einem Großhandel, wir sind heute sicherlich hochwertiger unterwegs.

STANDARD: Was sind die größten Fehler beim Hemdenkauf?

Tillinger: Schwierige Frage. Hemden sind immer auch Geschmackssache. Mir gefällt beispielsweise ein locker sitzendes Hemd mit Überhang an der Schulter besser. Viele wollen die eng anliegenden Modelle.

STANDARD: Woran erkenne ich ein hochwertiges Hemd?

Tillinger: Man spürt die Qualität am Griff des Stoffes und an der Verarbeitung. Wenn statt Overlock- französische Nähte zum Einsatz gekommen sind. Uns sind jedenfalls die Stoffe ein besonderes Anliegen, mit ihnen steht und fällt die Qualität.

STANDARD: Was muss ich für ein gutes Hemd hinlegen?

Tillinger: Bei uns ist man ab 75 Euro dabei, durchschnittlich legt die Kundschaft 85 bis 95 Euro hin. Wir haben allerdings eine geringe Marge. Wir produzieren alles in Europa, lassen in Portugal nähen. An einem Hemd für 90 Euro verdienen wir vermutlich weniger als H&M mit einem Modell für 30 Euro. Eigentlich sind wir zu günstig.

STANDARD: Beim schwedischen Retailer kostet ein Herrenhemd mitunter nur 20 Euro ...

Tillinger: Ich gehe nicht shoppen, weil ich an der Quelle sitze. Ich trage nur unsere Hemden, das war schon als Teenager so. Aber das kann nicht nachhaltig sein, irgendjemand zahlt da drauf.

STANDARD: Garantiert ein höherer Preis wiederum Qualität?

Tillinger: Dem würde ich widersprechen, oft zahlt man vor allem den Markennamen. Ich bin der Meinung: Ein Hemd für 300 Euro kann nicht besser gearbeitet sein als eines von uns.

Hemd an Hemd bei Ferman.
privat

STANDARD: Wann sitzt ein Hemd?

Tillinger: Ganz einfach: Wenn man sich wohlfühlt. Wir bieten zwar keine Maßhemden an, dafür adjustieren wir unsere Hemden.

STANDARD: Wie hat sich die Hemdenmode verändert in den vergangenen Jahren?

Tillinger: Wenn ich mir unser Sortiment anschaue, haben wir mehr "Slim" ins Angebot aufgenommen. Vor etwa zehn, 15 Jahren haben wir unsere Schnitte etwas verschmälert. Im Vergleich mit anderen Anbietern sind unsere Modelle trotzdem eine Spur lockerer geschnitten. Die körpernah geschnittenen Hemden benötigen auch eine Stretchfaser. Wir arbeiten aber nicht mit Kunstfasern, nur ab und an bieten wir einen Jerseystretch an. Unsere Spezialität sind klassische Hemden, ein Hawaiihemd haben wir nicht im Angebot.

STANDARD: Sind die Hemden heute enger, weil die Anzüge auch schmaler geworden sind?

Tillinger: Möglicherweise. Man muss sich ja nur Bilder aus den Achtziger- und Neunzigerjahren ansehen: Damals hat man die Hemden viel lockerer getragen. Die waren richtig plusterig.

STANDARD: Was halten Sie von Kurzarmhemden?

Tillinger: Wir verkaufen viel Kurzarm, ich persönlich kremple die Ärmel hoch und mache aus dem Langarm- ein Kurzarmhemd. Aber auch hier gilt: Man sollte sich wohlfühlen.

STANDARD: Wie steht es um das weiße Hemd?

Tillinger: Das geht immer.

STANDARD: Spielt die Ballsaison für Sie eine Rolle?

Tillinger: In Corona-Zeiten haben Smoking, Mascherl, Kummerbund ja plötzlich keine Rolle mehr gespielt. Jetzt merkt man, dass die Bälle wieder zurück sind. Die Nachfrage nach Smokinghemden ist jedenfalls wieder gestiegen.

STANDARD: Wie steht es um die Krawatte?

Tillinger: Die Nachfrage ist zurückgegangen. Wohl auch, weil im Büro- und Bankbereich die Krawattenpflicht weggefallen ist. Man kann jetzt auch ohne Krawatte formell sein. Dafür sind Einstecktücher wieder mehr gefragt.

STANDARD: Welcher Politiker aus Österreich trägt gut sitzende Hemden?

Tillinger: Netter Versuch. Nur so viel: Es tragen einige Politiker unsere Hemden, die sieht man auch im Fernsehen. Namen nennen möchte ich aber nicht – das macht man nicht. (Anne Feldkamp, 28.1.2024)