Mit dem jüngsten Bürgermeister Österreichs werde Pernersdorf "jedenfalls ins Schwarze treffen", sagt Staatssekretärin Claudia Plakolm beim ÖVP-Dartturnier in der Gemeinde nahe Hollabrunn. Plakolm ist als Stargast angereist, um Florian Hofmann Wahlkampfhilfe zu leisten. Denn der 24-Jährige ist erst seit einem halben Jahr im Amt – und muss es schon verteidigen. Das punktestärkste Feld auf der Dartscheibe ist rot, aber das bemerkt Plakolm erst später.

Florian Hofmann steht vor der Schank, auf der blau-gelb bedruckte Dartpfeile aufgereiht liegen
Florian Hofmann muss ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt schon sein Bürgermeisteramt verteidigen.
Helena Manhartsberger

Hofmann steht in der Nobelbuschenschank, welche die ÖVP für das Turnier am Montag vor der Gemeinderatswahl ausgesucht hat, und begutachtet die Dartpfeile. Auf die Flügel ist sein Name gedruckt.

Erzwungene Neuwahlen

So war das alles nicht geplant. Eigentlich würde Pernersdorf erst 2025 wählen, gemeinsam mit dem Rest Niederösterreichs. Doch nachdem der Gemeinderat Hofmann im Sommer 2023 zum Bürgermeister gewählt hatte, traten die roten Mandatare geschlossen zurück. Das Ortsparlament war beschlussunfähig, Neuwahlen waren die zwingende Folge.

Nun läutet Pernersdorf, eine 1.000-Einwohner-Gemeinde im Weinviertel, das Superwahljahr ein.

Florian Hofmann zeigt auf eine Luftaufnahme der Gemeinde Pernersdorf
Seit Juli hat die kleine Gemeinde Pernersdorf keinen beschlussfähigen Gemeinderat.
Heribert Corn

Viele Gemeinden feiern ihre jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. In Pernersdorf implodierte wegen Florian Hofmann der Gemeinderat. Und nach diesem Wahlkampf ist nur eines sicher: Politisch wird in der Gemeinde nichts mehr so sein wie vor der Wahl.

"Saulus zum Paulus gemacht"

Erwin Kasper will gleich einmal ein paar Dinge klarstellen. Der Spitzenkandidat der SPÖ fühlt sich nämlich arg missverstanden, auch vom STANDARD. In den Berichten über das Rücktrittsmanöver im Sommer sei einiges falsch rübergekommen, befindet der Beamte im Ruhestand. "Da wird der Saulus zum Paulus gemacht", sagt Kasper im Hobbyraum hinter seiner Garage. Er meint: Nicht die SPÖ sei schuld an der Neuwahl, sondern die ÖVP.

Erwin Kasper sitzt mit einem Stift in der Hand an einem Tisch, auf dem verschiedene Dokumente ausgebreitet liegen
Erwin Kasper will den Vorwurf, die SPÖ sei Schuld an den Neuwahlen, nicht auf sich sitzen lassen.
Helena Manhartsberger

Die ganze Geschichte habe nämlich schon viel früher angefangen, erzählt Kasper. Spätestens mit dem Rücktritt der schwarzen Führungsriege im Juni, als Bürgermeister und Vizebürgermeister gleichzeitig ihr Amt zurücklegten. Obendrein sei die SPÖ viel zu spät vom Wechsel informiert worden, und eine Gemeinderatssitzung sei ausgefallen. Die Volkspartei habe nur noch gestritten. "Dieser Konflikt innerhalb der ÖVP hat die Arbeit in der Gemeinde maßgeblich erschwert", sagt Kasper. Im ganzen Bezirk sei darüber geredet worden.

Roter Vize gefordert

Und in dieser Situation einen Bürgermeister unter 25? Das ging zu weit. "In dem Alter kann ich mir nicht vorstellen, dass er der Verantwortlichkeit als Bürgermeister gerecht werden kann", sagt Kasper über den neuen schwarzen Ortschef. "Hätte er eine Person an seine Seite gestellt bekommen, die im Verwaltungsbereich Kenntnisse hat, wäre das Vertrauen da gewesen."

Eine Broschüre der SPÖ Pernersdorf mit Fotos der Kandidatinnen und Kandidaten.
Die SPÖ gehen mit Erwin Kasper als Spitzenkandidat ins Rennen.
Helena Manhartsberger

Das Angebot der SPÖ lautete: Wir stellen dem jungen Landwirt einen erfahrenen Vizebürgermeister zur Verfügung. Einen Roten. Nämlich den 62-jährigen Kasper, der sein Berufsleben als Beamter in diversen Ministerien verbracht hat. Die Volkspartei lehnte ab, die SPÖ blockierte den Gemeinderat, indem alle sieben Rote ihr Mandat zurücklegten. "Mathematisch ist es wohl richtig, dass zwölf mehr sind als sieben. Allerdings heißt das nicht, dass die zwölf immer recht haben", erklärt Kasper. "Wir vertreten immerhin knapp 40 Prozent der Bürger, und denen bin ich verpflichtet."

Und jetzt steht Pernersdorf vor einer neuen politischen Ära. Denn gleich zwei neue Listen nutzten die Gelegenheit und treten an.

"Alternative für Pernersdorf"

Da ist zunächst einmal Wolfgang Breucker, der sich seine Zigarette mit einem FPÖ-Feuerzeug anzündet, sie später in einem FPÖ-Aschenbecher ausdämpft, ein Sackerl voller FPÖ-Kugelschreiber in seinem Wohnzimmer stehen hat, FPÖ-Mitglied ist, aber nicht für die FPÖ antritt. Breucker ist Spitzenkandidat der "Alternative für Pernersdorf". Auf Platz zwei steht seine Frau Yvonne, auf dem dritten und letzten Listenplatz eine Nachbarin des Paars.

Yvonne und Wolfgang Breucker stehen in ihrem Haus
Yvonne und Wolfgang Breucker sind zwei Drittel der Alternative für Pernersdorf
Helena Manhartsberger

"Natürlich wäre es mir am liebsten gewesen, als FPÖ anzutreten", sagt Breucker. Aber die Spitze der Bezirkspartei wollte ihn nicht als Kandidaten. "Die Ausrede war, dass auf der Liste nur Leute aus einem der fünf Ortsteile stehen. Niemand kann nachvollziehen, wieso deshalb ein Antreten verhindert wurde."

Coronatest im Kindergarten

Nun also die Alternative für Pernersdorf, wobei Breucker mit der Alternative für Deutschland (AfD) nichts zu tun haben will. Dass er kaum bekannt sei, wie Mitbewerber erzählen, hält er für ein "Gerücht". Als Schulbuslenker kenne er viele Leute, er habe auch einmal eine Unterschriftenliste für einen Zebrastreifen gestartet. Und als seine Stieftochter ohne sein Einverständnis im Kindergarten auf Corona getestet wurde, landete die Sache in den Regionalmedien.

Auf einem Tisch liegen Zigarettenpackungen, ein FPÖ-Aschenbecher, ein FPÖ-Feuerzeug, FPÖ-Kugelschreiber, ein FPÖ-Schlüsselanhänger aus Plüsch und Flyer der
Breucker bleibt ein Freiheitlicher, auch wenn die Führungsriege der Bezirkspartei ihn nicht als FPÖ-Kandidaten wollte.
Helena Manhartsberger

Die Pandemie löste überhaupt einiges aus in Pernersdorf. Letztlich führte sie auch zur Gründung der vierten Liste auf dem Stimmzettel: Joachim Amon war einst SPÖ-Chef der Gemeinde – bis der rote Klub im Parlament für die Corona-Impfpflicht stimmte. "Ich bin kein Impfgegner", sagt Amon, "aber eine Pflicht habe ich in diesem Bereich nicht in Ordnung gefunden." Er trat aus der SPÖ aus, bevor die Turbulenzen in Pernersdorf ausbrachen.

Genug gestritten

Heute klopft er als Spitzenkandidat der Liste "Ja zur Liste Pernersdorf" an Haustüren und sagt, dass jetzt genug gestritten worden sei. "Uns geht es darum, zu unserem bewährten Pernersdorfer Weg zurückzufinden." Denn die Gemeinde wurde – in Amons Darstellung – über ein Vierteljahrhundert als Konsensdemokratie geführt. "Wir hatten 25 Jahre lange einstimmige Beschlüsse im Gemeinderat", Bürgermeister Hofmanns Vorvorgänger sei stets auf die Opposition zugegangen.

Joachim Amon und zwei Mitstreiter-innen stehen vor der geöffneten Haustür einer Frau.
Joachim Amon (in der Mitte) setzt im Wahlkampf auf Hausbesuche und Harmonie.
Helena Manhartsberger

"Die Leute waren gewohnt, dass es keine Streitereien gibt", sagt der Polizist. Die Wahl am Sonntag soll zu diesem Modus zurückführen: "Solange die ÖVP die absolute Mehrheit hat, wird sich nichts ändern", sagt Amon. Erreicht die Bürgermeisterpartei weniger als zehn Sitze, braucht sie einen Partner. "Egal mit wem sie reden", befindet Amon, "Hauptsache, sie reden mit jemandem."

Zurück zu Erwin Kasper. Er weiß, dass Wählerinnen und Wähler normalerweise jene abstrafen, die Neuwahlen vom Zaun brechen. Aber aus seiner Sicht war das eben nicht die SPÖ, sondern die ÖVP. "Beschimpft bin ich von der Bevölkerung nicht geworden", sagt er. "Viele haben gesagt: Gut, dass ihr das gemacht habt. Aber ein Wahlergebnis kann man daraus nicht ableiten."

Beschlüsse aus der Schublade

Auch der Bürgermeister glaubt an eine günstige Stimmung im Ort. "Es muss wieder was weitergehen in Pernersdorf – das ist den Leuten das Allerwichtigste", sagt Hofmann beim Dartturnier in der edlen Buschenschank. Ohne beschlussfähigen Gemeinderat lässt sich ja kaum etwas gestalten. Politisch habe er das Beste aus der Situation gemacht, sagt Hofmann: "Ich habe ein paar alte Beschlüsse aus der Schublade gezogen, mit denen ich arbeiten konnte."

Florian Hofmann begutachtet die Dartpfeile
Auf die Flügel der Dartpfeile ist Hofmanns Name gedruckt.
Helena Manhartsberger

Die Volkspartei stärkt Hofmann auf allen Ebenen den Rücken. Landtagsmandatar Richard Hogl sprach von einem "miesen Spiel der Roten", selbst Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner echauffierte sich, dass die SPÖ "junge Bürgermeister verhindern möchte".

Staatssekretärin findet Manöver "bedenklich" 

Für die 29-jährige Spitzenpolitikerin Claudia Plakolm ist die Saga ein weiterer Beweis dafür, dass der Jugend zu wenig zugetraut werde – zumindest in anderen Parteien. Wenn Menschen einem jungen Bürgermeister von vornherein die Kompetenz absprechen, halte sie das für "äußerst bedenklich".

Florian Hofmann unterhält sich mit Claudia Plakolm
Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) stärkt jungen Bürgermeistern ihrer Partei den Rücken.
Helena Manhartsberger

Hofmann selbst traut sich wenige Tage vor der Wahl nicht zu, die Stimmung einzuschätzen. Zum Bürgermeister ist man ja schnell einmal freundlich, aber die Menschen "halten sich schon bedeckt. Ginge es danach, was die Leute sagen, würden wir am Sonntag 95 Prozent machen."

Auch wenn sich Hofmann auf kein Wahlziel festlegen will: Das Halten der absoluten Mehrheit wäre ein Riesenerfolg für den jungen Bürgermeister. Wenn mehr als die Hälfte der Pernersdorferinnen und Pernersdorfer ihm das Vertrauen schenkten, hätte er voll ins Rote getroffen. (Sebastian Fellner, 27.1.2024)