Berliner darf zu seinen Krapfen keiner sagen. Da ist Herr Peter, wie ihn seine Mitarbeiterinnen nennen, heikel. Er liefere ja keine abgespeckten Versionen. Mit veganem Siedegebäck ganz ohne Ei und Milch hat er sich angefreundet.

Peter Györgyfalvay produziert jährlich 55 Millionen Krapfen. Von Hagenbrunn aus an der Wiener Stadtgrenze beliefert er Hofer, Rewe und Spar.
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STANDARD: Der Legende nach soll 1690 eine gewisse Cäcilia Krapf aus Zorn über ihren Lehrling einen Germteig durch ihre Küche geschleudert haben, der in einen Topf heißen Fetts fiel. Ward der Krapfen hier geboren? Oder doch schon im Mittelalter, als ihn die Kirche als nahrhafte günstige Unterlage für die Fastenzeit anpries?

Györgyfalvay: Ganz offen gesagt, ich kann auch nur raten. Wir haben uns für die Cäcilia-Geschichte entschieden. Sie ist nett, sie ist nachvollziehbar – und sie könnte stimmen.

STANDARD: Einst hatten Krapfen nur vier Tage im Jahr Hochsaison. Krapfenweiber brachten sie in Wien unter die Leute. Heute bietet sie jeder Supermarkt rund ums Jahr. Geht damit der Reiz des Besonderen verloren?

Györgyfalvay: Osterg’schichten im Sommer san’ bled. Aber ein Krapfen lässt sich das ganze Jahr über essen. Mein Vater hat damit begonnen, ich habe diese Tradition fortgesetzt und ausgebaut. Klar, jeder Krämer lobt seine Ware. Aber warum sollte man Gutes auf vier Tage beschränken?

STANDARD: Im Schnitt verzehrt ein Österreicher im Jahr ein gutes Dutzend davon...

Györgyfalvay: ... viel zu wenig.

STANDARD: Ist das wirklich Luft nach oben? Die wenigsten futtern sich ja vor dem Fasten noch bewusst Speck an.

Györgyfalvay: Die Luft ist ein bisserl dünner geworden, mit Maß und Ziel geht aber alles.

STANDARD: Viele erkennen die Qualität eines Krapfens am weißen Kragen. Flaumig, nicht fett sollen sie sein. Erschmecken Sie die Ihren blind?

Györgyfalvay: Auf jeden Fall. Komme ich zur Marmelade, bin ich mir ganz sicher. Unsere Nadel injiziert sie beim Zurückfahren, damit es schon beim ersten Biss zumindest einen Hauch von Marmelade gibt. Der Vater hat sie vor 40 Jahren noch selbst gemacht und die Marillen mit dem Lkw aus der Steiermark geholt. Das geht heute nicht mehr.

Peter Györgyfalvay: "Verkauf oder Zusammenschluss – never ever. Es ist schön, dass meine Kinder Isabella und Alexander weitermachen wollen."
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STANDARD: Sie üben sich auch an veganen Krapfen ohne Butter, Milch und Ei. Was hätte Ihr Vater dazu gesagt?

Györgyfalvay: (lacht) Gott hab’ ihn selig, ich will ihm nichts unterstellen, aber er hätt’ gesagt: "Brauch’ ma net." Darf ich ausholen? Ich nehme mir unlängst einen Krapfen, beiße rein. Ruft die Kollegin aus der Produktentwicklung: "Achtung, ein veganer!" Ich sage: "Wos is?" Aber er hat richtig gut geschmeckt. Also denke ich mir, warum nicht? Ich bin stolz auf unsere Jungs und Mädels, dass sie das so hingebracht haben.

STANDARD: Ihre Eltern buken die ersten Krapfen in einem Wiener Kellerlokal. Ihrem Vater hing der Ruf nach, die Wühlmaus vom 20. Bezirk zu sein ...

Györgyfalvay: Meine Eltern haben im Keller eines Wohnhauses zu produzieren begonnen: Platzprobleme, Anrainerbeschwerden, seit ich denken kann. Mein Vater hat erst in der Klosterneuburger Straße eine Wand nach der anderen umgeschmissen, dann im Keller gegraben, bis er unterm Gehsteig war. Kein Spaß. Dann hörte er Gott sei Dank auf und suchte einen Standort außerhalb Wiens.

STANDARD: Namenspatron für den Familienbetrieb wurden Sie. War Ihr Einstieg ins Backwarengeschäft damit unwiderruflich vorgezeichnet?

Györgyfalvay: Es ist mein Leben. Es war immer klar, dass ich den Betrieb weiterführe, wie einem klar ist, dass man atmen muss, sobald man auf der Welt ist. Wir diskutieren oft, wie es mit Kuchen Peter angesichts der wirtschaftlichen Situation auf diesem herrlichen Planeten weitergeht. Eines ist immer klar: Verkauf oder ein Zusammenschluss – never ever. Partnerschaften gern. Es ist schön, dass meine Kinder Isabella und Alexander weitermachen wollen.

STANDARD: Sie gelten als Technik-Freak. Wann wird der letzte Handgriff in Ihrer Produktion von einer Maschine übernommen?

Györgyfalvay: Ich habe das Glück, viele Betriebe gesehen zu haben. Ich achte darauf, rationell zu produzieren. Volle Industrialisierung kommt für mich nicht infrage. Auch wenn ich nicht weiß, ob wir uns das künftig noch leisten können angesichts des Kostendrucks, der gesetzlichen Vorschriften, der Verfügbarkeit von Mitarbeitern. Ich liebäugle mit den Promibäckern. Aber wie viele Österreicher können sich auf Dauer 750-Gramm-Brote um acht Euro leisten? Hohe Qualität zu liefern, zugleich aber leistbar zu sein: Diesen Spagat hat schon mein Vater vorgelebt.

STANDARD: Viele Branchenkollegen wuchsen über Filialen. Sie produzieren für Supermärkte. Warum ließ sich das eine nicht mit dem anderen vereinen?

Györgyfalvay: Wir hatten sechs Filialen und 24 Krapfenstände. Sie waren aber immer zwischen Sein und Nichtsein, bis wir ganz damit aufhörten. Mach’s ordentlich, oder lass es stehen. Unsere Kraft und Leidenschaft fließt in die Produktion.

STANDARD: Hat es Sie nie gereizt, eigene starke Marken aufzubauen?

Györgyfalvay: Viele kennen Kuchen Peter. Das genügt mir. Wichtig ist, dass das, was drin ist, gut ist, egal was außen draufsteht.

STANDARD: Auch die Konkurrenz hat ins Krapfengeschäft investiert. Infolge hoher Handelskonzentration bestimmen vier Einkaufschefs, was in Österreich auf den Tisch kommt. Wie groß ist die Gefahr, austauschbar zu sein?

Györgyfalvay: Die Gefahr ist immer da. Aber es wird Wert auf österreichische Lebensmittel gelegt. Bei der Qualität muss man ganz oben sein.

STANDARD: Die wenigsten Krapfen tragen ein Mascherl. Wie viel Importware drängt nach Österreich?

Györgyfalvay: Das ist überschaubar. Was gute Krapfen betrifft, habe ich bis jetzt noch keinen gefunden, bei dem wir hätten aufpassen müssen.

Einst hatten Krapfen nur vier Tage im Jahr Hochsaison. Krapfenweiber brachten sie in Wien unter die Leute.
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STANDARD: Reüssiert man als österreichischer Bäcker im Ausland?

Györgyfalvay: Im kleinen Ausmaß. Wenn wir liefern, liefern wir Krapfen und keine abgespeckten Versionen wie Berliner. Net bös’ gemeint, der Berliner verkauft sich halt gut in Deutschland. Aber Österreichs Lebensmittelkodex besagt: sechs Dotter aufs Kilo Mehl. Das macht die Rezeptur teurer. Dann ist man schon mittendrin im Preisthema.

STANDARD: Wie viel Österreich steckt in Ihren Krapfen?

Györgyfalvay: Mehl und Eier sind zu 100 Prozent aus Österreich, Marillen sind es je nach Ernte und Verfügbarkeit. An Hefe gibt es in Österreich zu wenig. Fette kommen aus der EU.

STANDARD: Was halten Sie von einer Krapfen-Herkunftskennzeichnung?

Györgyfalvay: Ich stehe voll dahinter, die Herkunft von Lebensmitteln zu deklarieren. Nicht aber für all die Vorstufen. Beipackzettel wie bei den Pulverln halte ich für übertrieben.

STANDARD: Sie zählen bei Brot und Gebäck auch zu den größten Biobäckern. Sparen Konsumenten aufgrund der hohen Inflation bei Biologischem?

Györgyfalvay: Die Leut’ schauen seit zwei Jahren auf den Preis, weil ihre Rundumkosten so stark gestiegen sind. Wir spüren den Mengenrückgang bei Premiumprodukten, biologisch wie konventionell.

STANDARD: Fette und Öle verteuerten sich 2022 um 55 Prozent, Marmeladen, Zucker um bis zu 30 Prozent. Sie mussten dreimal Ihre Preise erhöhen, verbuchten dennoch Verluste. War das Jahr 2023 leichter zu verdauen?

Györgyfalvay: Oktober 2022 hatten wir Krisensitzung. Ich weiß es, als ob es gestern gewesen wäre. Die Situation war schlimm, beinahe aussichtslos. Wir haben schon einiges erlebt, bis hin zum Großbrand. Aber selbst da wussten wir, was zu tun ist. Damals war keinen Tag klar, was als Nächstes passiert. Man hat Verantwortung für 400 Mitarbeiter, ist selbst aber komplett machtlos. 2023 war finanziell weniger angespannt – da uns der Handel höhere Preise gegeben hat. Wäre er stur geblieben, hätte es schlecht ausgesehen.

STANDARD: Sie zählen zu den größten Arbeitgebern der Region. Gibt es ausreichend Junge, die sich für Jobs in der Backindustrie interessieren?

Györgyfalvay: Wir finden Leute für die Produktion. Fachkräfte aber gibt es nur mäßig, und sehr schwer ist es im administrativen Bereich.

STANDARD: Ihre ganze Familie arbeitet im Betrieb. Was werden Sie bei der Übergabe anders machen als Ihr Vater, wann ist der richtige Zeitpunkt dafür?

Györgyfalvay: 1996 hat mich der Vater zum Geschäftsführer gemacht. Bis 2002 hatten wir dann mich als Geschäftsführer und ihn als Chef. Dann war klar, entweder wir ändern das, oder er muss sich einen neuen Geschäftsführer suchen. Er machte zwei Schritte zurück. Es war für uns beide nicht leicht, für ihn noch schwerer als für mich. Es fehlte das mittlere Management. Neue Hallen bauen, Maschinen installieren, Produkte entwickeln, das war eine Kleinigkeit dagegen. Ich werde daher nie aus dem Haus gehen, bevor nicht das Team gefestigt ist. Wann genau der richtige Zeitpunkt dafür ist, das werden mir, hoffe ich, meine Kinder vorschlagen. Dann gibt es eine offizielle ordentliche Übergabe, sicher keine schwimmende Geschichte. Das wäre für alle zerstörend.

STANDARD: Ist es Ihnen wichtig, Kuchen Peter in Familienhand zu halten?

Györgyfalvay: Nein. Wichtig ist mir, dass die, die diesen Betrieb weiterführen, es mit Herz machen.

STANDARD: Zurück zu den Krapfen: Werden diese in zehn oder 20 Jahren noch gleich schmecken wie heute?

Györgyfalvay: Was könnte man verbessern? Den Zucker vielleicht, damit er nicht zergeht. Sonst ist der Krapfen aus meiner Sicht perfekt. (Verena Kainrath, 27.1.2024)